Die Ballade vom unperfekten Penis

Gibt es den perfekten Penis? US-Forscherinnen bejahen das und liefern sogar exakte Messdaten. Unseren Autor inspirierte der Gedanke an all die weniger perfekten Penisse zu einem Gedicht mit acht Strophen.

Illustration: Sammy Slabbinck

Ein Team von Forscherinnen der US-Universitäten UCLA und University of New Mexico haben den perfekten Penis ermittelt. Also den Penis, den heterosexuelle Frauen am besten fänden, gesetzt den Fall, er befände sich an einem »freundlichen, intelligenten, humorvollen Mann mit einem guten Job«. Dies zumindest wurde den 75 Studienteilnehmerinnen mitgeteilt, die aus 33 3D-gedruckten blauen Penissen mit unterschiedlichen Längen und Umfängen auswählen sollten. »Vergesst die Penisse«, riefen die Teilnehmerinnen, »gebt uns die Nummer von diesem Mann!« Oder auch nicht.

Jedenfalls entschieden sie sich in der Regel für einen 16 Zentimeter langen Penis mit 12,2 Zentimetern Umfang. Als Idealmaß für eine längere Beziehung. Für einen One-Night-Stand bevorzugten sie einen 16,2 Zentimeter langen Penis mit einem Umfang von 12,7 Zentimetern. Was nur zwei Schlüsse zulässt: Entweder, die Beleuchtung im Studienzentrum war sehr funzlig. Oder es kommt beim Sex zwar nicht auf die Größe, aber beim perfekten Penis offenbar auf jeden Millimeter an. Allerdings sagt Dr. Nicole Prause, Studienleiterin, in einem Interview mit Broadly.com ausdrücklich: »Bitte nennen Sie es nicht den perfekten Penis.« Zu spät! Die Formulierung ist in der Welt, und da hilft es auch nicht, dass dieser perfekte Penis über den Daumen gepeilt in etwa den Ausmaßen des Durchschnittspenisses entspricht. In Zeiten, in denen alle Welt unter der Knute des Perfektionsdiktates steht, gibt es nun also auch noch den perfekten Penis. Als Verfechter des Unvollkommenen möchten wir daher an dieser Stelle zur Aufnahme in die Lehrpläne (Sekundarstufe I) Folgendes vorschlagen:

Die Ballade vom unperfekten Penis

Meistgelesen diese Woche:

Als er aus der Düse des 3-D-Druckers spritzte
und Forscherin-Hand »Nummer 14« in ihn ritzte,
dachte er voller Zuversicht, in Erwartung von Glück:
»Ich glaube, ich bin ein gutes Stück.«

Kompliment für sein intaktes Selbstwertgefühl;
aber die Probandinnen auf dem harten Uni-Gestühl
wählten ein ums andere Mal seine Artgenossen,
die breiter und länger aus dem Gerät geschossen.

Der unperfekte Penis schluckte den Schmerz hinunter
und blieb trotz Zurückweisung erstaunlich munter.
Er bildete sich mit Hilfe einer Seminarliteraturliste,
und las ein großes Interview mit Julia Kriste-

va, der berühmten Analytikerin menschlicher Psyche,
die sprach über schlechten Sex und andere Flüche:
Die männliche Sexualität sei ein fremder Kontinent.
»Dessen Herrscher sich der perfekte Penis nennt!

Wir müssen ihn verjagen, also: vorher entthronen,
erst dann können wir diesen Erdteil in Ruhe bewohnen.
Wir brauchen die Herrschaft des Unperfekten,
des Zersausten, Gestauchten, nicht so Geleckten.«

So rief der unperfekte Penis im Revoluzzereifer
und agitierte die Kollegen, alle größer und steifer.
Die Revolution aber war den anderen Penissen schnuppe,
man zerstritt sich in einer Facebook-Gruppe.

So blieb der unperfekte Penis auf sich allein gestellt
und brach auf nach Hollywood, hinaus in die Welt.
Sagt nicht, dieser Penis hat nichts zu melden,
Ihr wisst, jeder liebt einen unterschätzten Helden:

»Von wegen, einer wie ich stellt am Ende nix dar -
ich verkauf meine Story an die Animateure von Pixar.
Dann bin ich nach ›Coco‹ der neue niedliche Scheiß
und verdiene Millionen mit Merchandise.«