Spott, Scham und Schilderklau

Die Bewohner von Orten wie Fucking, Petting oder dem kanadischen Dildo haben es nicht leicht. Eine große Pornoplattform möchte sie nun entschädigen.

Pornhub, die berühmte Plattform für Gratispornografie, hat sich etwas Besonderes ausgedacht, um auf ihr kostenpflichtiges Premiumsegment aufmerksam zu machen. Dies richtet sich an all jene Pornogourmets, denen die Dialoge und das Storytelling in den gratis bereitgestellten Clips nicht tiefgründig genug sind und die auch beim Pornokonsum nicht auf »Behind the scenes«-Content und »Bloopers« verzichten wollen. Um diesen Service zu bewerben, wurden nun weltweit 45 Ortschaften mit lustigen Sexnamen identifiziert und mit kostenlosem Premiumzugang für alle Bewohner versehen, als eine Art Wiedergutmachung für die Schmach ihrer Herkunft. In Petting und Fucking sowie im nordrhein-westfälischen Titz gibt es nun also Premiumpornhub für alle, ebenso im brasilianischen Analandia, im niederländischen Rectum, im norditalienischen Örtchen La Vagina, im australischen Blowhard und in der kanadischen Gemeinde Dildo.

Fucking, Petting und Titz sind nun also neben ihren als Fotomotiv ungemein beliebten Ortsschildern um eine weitere touristische Attraktion reicher. Aber was ist mit all den anderen Orten, deren Bewohner unter einem Stigma leiden? Könnten hier nicht wunderbare Synergien entstehen, ein positiver Werbeeffekt für Firmen im Gegenzug für ein paar kostenlose Annehmlichkeiten? Hier einige Vorschläge:

Bielefeld
Seit den Neunzigerjahren leiden die Bewohner Bielefelds unter der Verschwörungstheorie, ihre geliebte Heimatstadt sei gar nicht existent, weil im Grunde fast niemand jemanden kenne, der schon mal dagewesen sei, geschweige denn dort wohne. Wie tief sich dieser nihilistische Scherz in die Seele der Bielefelder gegraben hat, welche Verheerungen er dort tagtäglich anrichtet, das können wir Nicht-Bielefelder nur erahnen. Kostenlose Selbstfindungsseminare wären eine Möglichkeit, die Bielefelder zu entschädigen. Eine zusätzliche Umbenennung in Bieletitz würde der sympathischen Ostwestfalen-Metropole ein freches, modernes Image, den Bewohnern neues Selbstvertrauen und womöglich die Aufmerksamkeit der oben erwähnten Pornofirma bescheren. Davon, dass Bieletitz endlich einen Neustart im Internet hätte, ganz zu schweigen.

Meistgelesen diese Woche:

Darmstadt
Für Darmstädter sind dumme Witze über ihre Heimatstadt alltäglich, daran hat auch die neue Liebe der Deutschen zum Darm mit Charme nichts geändert. Scherze aus dem Pipi-Kacka-Segment und anhaltende Gerüchte über eine Städtepartnerschaft mit Essen schlagen den Bewohnern auf die Verdauung. Gratis Entschlackungskuren könnten ein Weg sein, hier Abhilfe zu schaffen, sympathischer wäre es jedoch, den Darm als Lebensmittel beziehungsweise Lebensmittelverpackung wieder mehr ins rechte Licht zu rücken und Darmstadt auf diesem Weg ein lebensfroheres und genussfreudiges Image zu bescheren. Kostenlose Wurstpakete einer deutschen Großmetzgerei für alle Natur-Darmstädter wären ein für alle Seiten lohnendes »Geschäft«.

Sommerloch
Der kleine Ort in der Nähe von Bad Kreuznach ist jedes Jahr genau einmal in den Medien, nämlich dann, wenn sich in Redaktionen wegen der Sommerferien das sprichwörtliche Sommerloch auftut, es also nichts wichtiges zu berichten gibt. Weshalb PraktikantInnen oder VoluntärInnen mal nachschauen fahren, was denn im tatsächlichen Sommerloch so los ist, um festzustellen: Nichts, weil alle in den Ferien sind, auch in Sommerloch herrscht das Sommerloch, haha, sehr lustig, und jetzt zurück ins Studio! Wenn schon, denn schon: Mit diesem Standortvorteil (Gratis-PR!) könnte mit EU-Mitteln die Ansiedlung einer mittelständischen Gurkeneinlege-Fabrik betrieben werden, wegen Saure-Gurken-Zeit etc. Zielführender und angemessener wäre es jedoch, wenn alle Redaktionen dem kleinen Ort die jährlichen Einnahmen aus ihrer Strafkasse für besonders abgedroschene Floskeln und Wortspiele spendeten.

Hamburg
Hamburger zu sein ist nun wirklich keine Schande, von einem Stigma kann keine Rede sein, im Gegenteil: Fast nirgendwo sind Städtebewohner stolzer auf ihre Herkunft (»schönste Stadt der Welt«, G20, florierender Bürgermeister-Export). Das können sie auch sein, denn Hamburg hat die Elphi und den tollen Hafen und die verruchte Amüsiermeile, alles Dinge, um die man die Stadt im Rest des Landes beneidet. Aber Hamburg hat eben auch den HSV. Ob Sky ein Einsehen hat und die Schmach der sympathischen Nordlichter mit einem Gratis-Abo für alle Bewohner lindert, damit auch alle Zweitligaspiele in voller Länge auf dem heimischen Sofa gesehen werden können? Leider haben den stummen Ruf der rüstigen Elbmetropole bisher nur Hipster-Hamburger-Ketten erhört, die an dieser Stelle wirklich doppelt gemoppelt sind. Aber Frustfraß ist auch ein Konsumgrund.

Berlin
Nach gegenwärtigem Sachstand hat der ehemalige Bürgermeister Klaus Wowereit der Stadt zwei Dinge hinterlassen: einen fast fertigen Großflughafen, und das an und für sich scheußliche Diktum »arm aber sexy«. Leider trifft auch viele Jahre später hauptsächlich das erste davon zu. Ganz Berlin bekommt daher einen einzigen kostenlosen Pole-Dance-Kurs, der in den Wartehallen des BER abgehalten wird, gesetzt den Fall, das Ganze ist nicht zu »heiß« für die störanfällige Brandschutzanlage.

Foto: DPA