Legenden der Leidenschaft

Keine andere Nation verliert im Fußball so schön wie die Österreicher. Acht großartig tragische Heldengeschichten.


Österreich verliert auch mit den besten Spielern der Welt

Anfang der Dreißigerjahre gilt die Nationalelf als »Wunderteam«, Deutschland etwa wird 6:0 besiegt. Bei der WM 1934 erreicht Österreich problemlos das Halbfinale gegen Gastgeber Italien. Vor dem Anpfiff zitiert Diktator Mussolini den Schiedsrichter zu sich, das folgende Spiel schildert Josef Bican, Stürmer von Rapid Wien, so: »Eine Flanke auf den rechten Flügel zu Karl Zischek, der könnte allein auf das italienische Tor zulaufen – da köpft der Schiedsrichter den Ball absichtlich weg.« Beim Siegtreffer rempelt Giuseppe Meazza Österreichs Torwart samt Ball über die Linie.

Spielt Österreich gut, spielt das Wetter gegen sie
Auch 1954 gilt die Nationalmannschaft als Anwärter auf den WM-Titel. Im Viertelfinale, »der Hitzeschlacht von Lausanne«, erleidet der Torwart Kurt Schmied einen Sonnenstich. Schmied taumelt orientierungslos zwischen den Torpfosten, die Schweiz erzielt in acht Minuten drei Tore. Ein Masseur eilt hinter das Tor, dirigiert den verwirrten Schlussmann und kühlt ihn mit Wasser. Am Ende gewinnt Österreich 7:5 – doch der Sieg kostet viel Kraft. Im Halbfinale verliert man gegen die Deutschen 1:6. Denen hilft auf regennassem Boden eine revolutionäre Erfindung von Adi Dassler: Schraubstollen.

Österreich steht sich selbst im Weg
Für die Qualifikation zur WM 1962 hatte der Fußballverband wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit das Team erst gar nicht gemeldet. Danach schlägt man in Freundschaftsspielen die besten Teams der Welt: unter anderem Spanien (3:0), Italien (2:1), England (3:1), Ungarn (2:1) sowie Europameister UdSSR (1:0).

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Österreichs Sternstunde: ein wertloser Sieg

»Da kommt Krankl in den Strafraum – Schuss …Tooor, Tooor, Tooor, Tooor! I wer’ narrisch! 3:2 für Österreich! Meine Damen und Herren, wir fallen uns um den Hals; der Kollege Rippel, der Diplom-Ingenieur Posch – wir busseln uns ab!« Wie der Radioreporter Edi Finger feiert ganz Österreich den Sieg gegen Deutschland bei der WM 1978 in Argentinien: Der Erzfeind muss die Heimreise antreten. Randnotiz: Im selben Flugzeug sitzen die Österreicher, die ebenfalls ausgeschieden sind.

Österreich verliert gegen Hobbykicker
Am 12.9.1990 verliert die Mannschaft gegen die Färöer (48 300 Einwohner) mit 0:1. Im Kader der Färöer standen unter anderem ein Schüler, ein Kraftfahrer, ein Fischverkäufer, ein Postbote, ein Gelegenheitsjobber, ein Handelslehrling, ein Holzhändler, ein Bäcker, ein Elektriker, ein Tischler und der Leiter eines Kühlhauses. Symbol der Blamage: die weiße Zipfelmütze des Torwarts der Färöer-Inseln.

Österreicher haben Humor, aber keine Abwehr
Das EM-Qualifikationsspiel gegen Spanien endet 1999 mit 0:9. Zur Halbzeit (0:5) sagt der Verteidiger Toni Pfeffer: »Hoch gwinn ma nimma.« Trainer Herbert Prohaska sagt: »Es war nicht meine schwerste Niederlage, aber die peinlichste.« Kurz darauf unterliegt man Israel mit 0:5. Der Torwart Wohlfahrt fordert öffentlich die Hilfe von Psychologen.


Österreichs Trainer zieht das Pech an

Nach der 0:1-Blamage gegen die Färöer-Inseln wird Josef Hickersberger entlassen. Seine zweite Amtszeit beginnt im Januar 2006. Mit neun sieglosen Spielen in Folge stellt er den Negativrekord aus dem Jahr 1974 ein. Damals Feldspieler: Josef Hickersberger. Österreichs EM-Trainer 2008: Josef Hickersberger. Gastgeber Österreich scheidet im letzten Vorrundenspiel gegen Deutschland aus. Die Deutschen Fans singen nach dem schmeichelhaften 1:0-Siegtreffer von Michael Ballack: »Fußball ist kein Wintersport.«

Österreich ist besser, als man denkt, verliert aber trotzdem
Im Februar spielt man die Deutschen an die Wand – und verliert 0:3. Im März führt man gegen die Niederlande 3:0 zur Halbzeit – und verliert 3:4. Der österreichische Reporter Werner Schneyder dazu: »Es gibt eine spezifische Wehleidigkeit. Das ist das Typische am österreichischen Fußball. Das Delegieren von Verantwortung an geheime Mächte. Die Götter sind gegen uns. Grundsätzlich. Man kann ihnen hie und da einen Streich spielen. Aber im Prinzip sind sie gegen uns.«

(Stefan Adrian und Kai Schächtele sind Autoren des Buchs "Immer wieder, nimmer wieder. Vom Schicksal des österreichischen Fußballs", KiWi-Verlag)

Illustrationen: Marc Herold