Folge 4: Realitätsverlust im Affenhaus

Wenn sich gute Laune auf Schadenfreude reduziert, kann eigentlich nur ein Verlierer dahinter stecken. Schlimm aber, wenn er das noch nicht mal realisiert. So wie die SPD nach der bayerischen Landtagswahl.

Manchmal wird einem plötzlich klar, warum der Rest der Welt auf Bayern schaut wie ein Zoobesucher, der vorm Affenhaus steht. Man musste am Wahlabend nur in die Gesichter der Politiker sehen, die – nachdem sich der Staub des Erdrutsches gelegt hatte – das kommentieren sollten, was gerade passiert war. Es war ein Bild des Jammers.

Es war traurig, den armen Günter Beckstein zu beobachten, wie er am Wahlabend tumb sein vorher auswendig gelerntes Verteidigungsmantra herunterbetete und bei jedem Interview um ein Jahr älter wurde. Auch Erwin Huber machte keine gute Figur bei dem Versuch, die Niederlage einfach wegzunuscheln. Beide waren angezählt, und wirkten doch irgendwie menschlich. Der Preis für den armseligsten Auftritt jedoch gebührt eindeutig der SPD, der Partei, die seit einem halben Jahrhundert kein Bein auf bayerischen Boden bekommt und an diesem Abend irgendetwas zu feiern hatte. Nur wusste keiner was. Da war dieses zufriedene und gönnerhafte Gewisper von Franz Maget zu Beckstein kurz bevor die so genannte Elefantenrunde losging, das Beckstein wie ein lästige Fliege wegmurmelte. Hier machte einer auf Staatsmann, der mit 18 Prozent im Rücken knapp an der Bedeutungslosigkeit entlangschrammt. Oder das selbstzufriedene Resümee von Franz Walter Steinmeier, der irgendwie versuchte, die Niederlage des Gegners in einen Sieg für die SPD umzudeuten. Irgendwie hat er dabei vergessen, dass die SPD in Bayern noch nie schlechter abgeschnitten hatte. Es war wie in der Schule: Der Klassenprimus hat es verhauen und am lautesten jubeln gerade die, die ständig sitzen bleiben. Und so reduzierte sich die ganze aufgesetzte Feierlaune der SPD auf das Niedrigste aller politischen Gefühle: die Schadenfreude.

Dabei hätte es so viel zu erklären gegeben: Warum rannten die flüchtigen CSU-Wähler überall anders hin, nur nicht in die Arme der SPD? War es wirklich kühn von Franz Maget, aus seinem Wahlergebnis einen Regierungsanspruch abzuleiten? Oder war es einfach nur peinlich? Als Gerhard Schröder 2005 der Wahlsiegerin Angela Merkel vor laufenden Kameras die Regierungsfähigkeit absprach, konnte man das noch als Testosteronüberschuss eines Wahlkampf-Alphatieres abtun. Zu Franz Maget fällt einem nur eines ein: Realitätsverlust.

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Es gehört zu den Ritualen unserer politischen Kultur jedes Wahlergebnis ganz gleich wie es ausging, "nach vorne zu verkaufen", wie der Werber sagen würde. Wer Schwäche zeigt, wird angreifbar. Heraus kommt dabei jener verklausulierte Verbalabfall, der kurz nach Schließung der Kabinen jeden Wahlabend als Hintergrundrauschen begleitet und Niederlagen zu Siegen hochjazzt und umgekehrt. Alle reden davon, dass die Politiker am Wähler vorbeireden. Die bayerische SPD hat etwas viel Schlimmeres getan: Sie hat ihre Wähler an diesem Abend für dumm verkauft.