Folge 5: Auf die linke Tour

Andrea Ypsilanti hat die Phase allgemeiner Empörung einfach ausgestanden und setzt auf Zermürbung. Ihr taktisches Vorbild: Jürgen Klinsmann.

Ich hatte mir seit Monaten keine Gedanken mehr über Andrea Ypsilanti gemacht – bis sie gestern bei Beckmann saß. Auf einmal fiel mir auf, wie sehr sie bereits zum Inventar unseres kleinen Landes gehört. Frau Ypsilanti kämpft jetzt schon so lange um die Macht in Hessen, dass man sich eine Zeitung, eine Nachrichtensendung, ja vielleicht sogar ein Leben ohne sie kaum mehr vorstellen kann.

Ehrlich, vor einem Jahr wusste ich nichts von dieser Person. Ich kannte ihren Namen, ihre Partei, das wars. Sie war für mich die Frau, deren Name klang wie ein Buchstabe aus dem hinteren Viertel des Alphabets. Im Wahlkampf fand ich sie gar nicht schlecht, was vor allem daran lag, dass ich Koch so peinlich fand, aber dann hat sie ihr Wort gebrochen. Vielleicht liegt es daran, dass ich ein sehr moralischer Mensch bin, aber von einer Sekunde auf die andere war diese Frau für mich unsympathisch, ja untragbar geworden. Und es ging ja nicht nur mir so: Das ganze Land war empört, ja sogar ihre eigene Partei. Man hatte so das Gefühl, diese Frau Ypsilanti würde Frau Pauli bald ins politische Nirvana folgen, die Eine mit randloser Brille, die andere mit Latex-Handschuhen.

Und dann passierte Wundersames. Ypsilanti wiederholte so gebetsmühlenartig immer wieder ihren Machtanspruch, wochenlang, monatelang, dass ich irgendwann nicht mehr hinhörte. Ein heftiges Gefühl der Gewöhnung stellte sich ein, vielleicht auch der Resignation. Der Wunsch Ypsilantis, als Ministerpräsidentin endlich auch mal Macht zu haben, war so normal, so allgegenwärtig wie die Bankenpleiten und Selbstmordattentate in Afghanistan. Sie hat die Phase meiner Empörung einfach ausgestanden, wie Klinsmann damals vor der WM. Der hat sein Ding, seine Taktik, seine Sicht der Dinge auch einfach durchgezogen, ohne Rücksicht auf Verluste.

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Ypsilanti hat mich so mürbe geredet, dass meine Wut sich andere Opfer gesucht hat, zum Beispiel den Chef von Hypo Real Estate. Komisch, aber inzwischen denke ich mir: Soll sie es doch werden. Von mir aus. Was geht mich eigentlich Hessen an? Und dann saß sie gestern also da gegenüber von Beckmann und redete nur von Fehlern, die sie gemacht habe. Es sei ein Fehler gewesen, die Zusammenarbeit mit der Linken kategorisch auszuschließen, ein sei ein Fehler gewesen, nach der Wahl zu hauruckartig doch mit der Linken paktieren zu wollen. Und überhaupt, ein Mensch werde doch erst durch Fehler zu einem Menschen.

Sollte sie am Ende – genau wie Klinsmann – Erfolg haben mit ihrer hybriden Zermürbungstaktik, möchte ich an dieser Stelle nur eine Frage stellen: Will man wirklich eine Ministerpräsidentin, deren Wort nichts gilt und die einen Fehler nach dem anderen macht?
Ansonsten habe ich nichts gegen Frau Ypsilanti.