Q wie Qualität

Das Geschäftsmodell Zeitung wankt. Wer aber glaubt, die Krise durch allseits gefälligen Journalismus bewältigen zu können, der irrt.

Qualität im Journalismus definieren zu wollen, hat der Medienwissenschaftler Stephan Ruß-Mohl mal gesagt, das gleiche »dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln«. Das stimmt in zweierlei Hinsicht traurig: Zum einen sind dem Herrn Ruß schon qualitativ bessere Metaphern eingefallen, andererseits macht es so ratlos, wenn einer wie er, der viel Kluges über den Berufsstand der Journalisten geschrieben hat, gar nicht mehr weiß, an welchen Kriterien er Qualität messen soll.

Natürlich ist Qualität ein schwammiger, schwer fassbarer und in jeder Hinsicht ungeschützter Begriff im Journalismus. Es gibt bei Zeitungen kein Gütesiegel, keine Garantiezeit und kein Umtauschrecht. Zur Gattung der Qualitätszeitungen zählen sich viele – Lokalzeitungen, die allenfalls Agenturen und oft auch PR-Texte drucken, bis hin zu überregionalen Blättern, die weltweit eigene Korrespondenten beschäftigen, aufwändig recherchieren und gute Autoren auch gut bezahlen. Im Preis für das Einzelexemplar oder das Abonnement macht das keinen großen Unterschied. Zeitungen kosten so viel wie zwei Semmeln; sie sind billig, weil es nach dem Krieg so gewünscht und für die junge deutsche Demokratie so wichtig war. Das könnte und müsste sich vielleicht ändern, wenn Zeitungen auch weiterhin die Debatten im Land mitbestimmen sollen. Qualitätsjournalismus kostet Geld, und dieses Geld fließt spärlicher in die Kassen der Verleger, seit es das private Fernsehen und auch das Internet gibt. Das Geschäftsmodell Zeitung, das ganze Familienstämme komfortabel ernährt hat, funktioniert nicht mehr, zumindest im Moment nicht. Die Werbung treibende Wirtschaft investiert ihr Geld nicht in Zeitungen, nur weil die den Auftrag zu demokratischer Kontrolle noch ernst nehmen. Das ist ihnen wurscht. Sie packen die Anzeigen dorthin, wo sie sich den größeren Nutzen versprechen und redaktionell das passende Umfeld geschaffen wird. Wer jedoch deshalb glaubt, guten Journalismus durch gefälligen ersetzen zu können, weil er einträglicher ist, macht sich auf Dauer entbehrlich.

Guter Journalismus lebt von Unabhängigkeit, verlangt Mut, Urteilskraft und moralische Integrität. Wer schreibt, braucht kämpferisches Temperament, eine polemische Bereitschaft, eine Freude an Kontroversen. Nicht alles, was Journalisten toll finden, erfüllt die Erwartungen der Leser. Aber nur Leser, deren Erwartungen wir Journalisten übertreffen, kaufen die Zeitung morgen wieder.

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Die Verleger müssen sich den anspruchsvollen Leser, der Qualität verlangt, auch in Zukunft sichern. Sie müssen ihren öffentlichen Auftrag, für den Artikel 5 des Grundgesetzes einen besonderen Schutz garantiert, ernst nehmen. Dazu brauchen sie qualifizierte, gut aus- und weitergebildete Journalisten, die stolz auf ihre Zeitung sind und frei arbeiten können. Das sichert die Qualität der redaktionellen Arbeit und die Sorgfalt der Recherche. Was die Qualität einer Zeitung ausmacht, wird erst dann wertgeschätzt werden, wenn sie nicht mehr vorhanden ist.

Hans Werner Kilz, 65, ist Chefredakteur der »Süddeutschen Zeitung«.

Illustration: Christoph Niemann