Das Beste aus aller Welt

Diese Woche sinniert unser Autor über das schöne deutsche Wort Verberststellung. Nein, Verberst-Stellung. Oder doch Verb-Erst-Stellung?

    Neulich entdeckte ich ein Wort: Verberststellung. Ich las es wie Verberst-Stellung und überlegte, was ich im Leben verpasst hätte, dass mir das Tu-Wort verbersten unbekannt geblieben war und ich nicht wusste, in welche Stellung man sich begeben müsse, um ordnungsgemäß zu verbersten. Dann fiel mir auf, dass ich mich auf einer Internetseite befand, die sich mit Kiezdeutsch beschäftigte, jener Variante des Deutschen, die in Vierteln mit hohem Migrantenanteil gesprochen wird, sagen wir: Kreuzberg.

    Kiezdeutsch zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass in Sätzen oft das Verb zuerst kommt. Es handelt sich also um einen Dialekt mit Verb-Erststellung, wie der Sprachforscher sagt. »Musstu Marienplatz aussteigen«, sagt der Kiezdeutsche in der U-Bahn oder »Machstu rote Ampel«, wenn er jemand auffordert, bei Rot die Straße zu überqueren.

    An sich ist Deutsch eine Sprache mit Verbzweitstellung in Aussagesätzen (»Du musst am Marienplatz aussteigen«). Dann gibt es noch jede Menge Sprachen (Türkisch, Lateinisch) mit Verbletztstellung, wobei es das Verb verbletzen wirklich gibt, im Schwäbischen; man bezeichnet so das Aufnähen eines Flickens. Die Verbletzt-Stellung wäre die Stellung, in der man einen Flicken … Unsinn, dann müsste es Verbletz-Stellung heißen. Wunderbar, das Deutsche: wie es immer neue Varianten entwickelt und neue Wörter wie (um beim Kiezdeutschen zu bleiben) lassma oder ischwör.

    Meistgelesen diese Woche:

    Lassma Aldi gehen. Ischwör, Alter, war so. Oder wie dort das Wörtchen so auf ganz neue Weise eingesetzt wird: »Lass uns so Görlitzer Park gehen« oder »Die is so blond so.« Die Potsdamer Sprachforscherin Heike Wiese hat darauf hingewiesen, dass so wichtige Informationen eingeführt werden, was im Normaldeutschen mit Betonungen geschieht. Überhaupt, lese ich in einem Interview, sei so ihr Lieblingswort: zwei Buchstaben, vielfältig einsetzbar, ein Beweis für die Lebenskraft des Deutschen, von dem es oft heißt, es stehe an der Schwelle zum Tode.

    Gerade ging die Nachricht vom Ableben einer Frau namens Boa Sr um die Welt, der letzte Mensch, der eine Sprache namens Bo beherrschte, die auf der Inselgruppe der Andamanen gesprochen wurde. Im Internet kann man hören, wie Boa Sr das Bo sprach; wie eine Nachricht aus dem Totenreich der Sprachen klingt das. Sie beschreibt den Tsunami von 2004. Jemand hat mitgeschrieben: meÿ-Hi let pHile mer benobi neremkHure cAybe EkoneSA sAret pHeÿA meÿHitÈpHilekA … »Als wir alle schliefen, stieg das Wasser und drang überall ein …«

    Musstu dir vorstellen: Du sprichst eine Sprache, die sonst keiner mehr kann. Du kannst sie mit niemand sprechen als dir selbst. Ein Reich aus Subjekten, Prädikaten, Objekten, Geschichten, Überlieferungen, Scherzen, Sprachspielen geht mit dir unter. Die Leute sitzen vor dieser Kolumne und verstehen nichts, es ist nur ein Haufen Buchstaben für sie, sie finden keinen Zugang …

    Genießen wir also das pralle Leben des Deutschen, wie es im Wortstoffhof in mannigfacher Weise zu finden ist. Erst im Ausland findet ja das Deutsche wirklich zur Hochform, befreit von den Fesseln der Grammatik und des Sinns. Leser M. machte mich auf ein Spiel aufmerksam, das man sich im App-Store der Firma Apple auf sein Telefon herunterladen kann. Es muss etwas mit explodierenden, ja, geradezu verberstenden Schweinen zu tun haben, denn in der Spielbeschreibung lese ich unter anderem: »Erst schießen, stellen Sie Fragen in diesem amüsanten Shooter, die Antwort auf die Frage, wann wird Schweine fliegen? Schweine fliegen, wenn Sie dieses Spiel! Und dann können Sie Aufnahmen Ferkel aus dem Himmel! … Sehen Sie sich die Schweine Pop die Ballons und brach in Speck. Schweine quietschen hören, wie sie fallen um ihre Strafe! … Aber sie klug wie Sie haben nicht viele.«