Warum sind plötzlich alle Fans?

Früher hat man Dinge einfach nur gemocht - heute bezeichnet man sich gleich als Fan.

Der Mann im Sandwichladen sagte auf die Frage seiner Begleiterin, ob er sich schon für ein Sandwich entschieden habe: Er nehme immer Roastbeef, er sei ein totaler Fan vom Roastbeef-Sandwich dieses Ladens. Man hört diesen Satz oft. In der Zeitung bezeichnete sich die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig neulich als »Fan der rot-grünen Koalition«. Zurzeit, so scheint es, sind alle Leute plötzlich Fans von irgendwas.

Ich habe bei meiner älteren Schwester gesehen, was es bedeutet, ein Fan zu sein. Es ging um die Boygroup "New Kids on the Block". Fan sein, lernte ich damals, heißt, sich intensiv bis obsessiv mit etwas zu beschäftigen. Meine Schwester bestellte sich bei der Tante in Amerika jede Menge New-Kids-on-the-Block-Devotionalien. Man wollte ja erkannt werden. Denn darum ging es auch: einem Kreis anzugehören, das Fan-Sein zu teilen mit anderen. Und so saß meine Schwester mit ihren Fan-Freundinnen zusammen und sie schnitten Artikel aus der Bravo aus und klebten sie in ihre Alben, während sie sich darüber unterhielten, welcher von den Sängern der Süßeste ist.

Mit diesem Gefühl für den Begriff Fan scheint der aktuelle Fan-Begriff keinen Sinn zu ergeben. Weder trug der Mann ein Roastbeef-Sandwich-T-Shirt, noch wird sich Schwesigs Herzschlag beschleunigen, wenn sie »Rot-Grün« hört. Außerdem: Seit wann ist es eigentlich erstrebenswert, ein Fan zu sein? Bisher stand das nicht gerade für kritisches Denken und Weltgewandtheit, oder?

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Wenn man sich allerdings die Definition in dem kürzlich erschienenen Buch Fans. Soziologische Perspektiven anschaut, dann öffnet sich die Fanmeile wieder etwas. Dort werden Fans als Menschen beschrieben, »die längerfristig eine leidenschaftliche Beziehung zu einem Fanobjekt haben und in die emotionale Beziehung zu diesem Objekt Zeit und/oder Geld investieren«. Der Mann im Sandwichladen geht also doch als Fan durch: Er mag das Sandwich offensichtlich schon seit Längerem, seine Beziehung ist leidenschaftlich-emotional in dem Sinne, als dass er sich darauf freut. Und er investiert regelmäßig 4,90 Euro und vielleicht den etwas längeren Weg als zur nächsten Dönerbude.

Und trotzdem ist es schwer zu verstehen, warum man Fan sein sollte, wenn man etwas doch einfach mögen oder, herrje, sogar lieben kann. Das liegt sicher auch an Facebook – dort gab es lange einen »Fan werden«- Knopf. Wer ihn anklickte, teilte der Welt mit: Ich bin Fan von Sonnenschein, Weltfrieden oder eben: einem Sandwich. Dieser Knopf wurde mittlerweile umbenannt. Jetzt »gefällt« den Menschen ihr Lieblingsessen ganz einfach wieder. Schön, wenn die Welt ein bisschen unaufgeregter wird.

Fotos: Mauritius