Teil 1: Sydney

Zwölf Monate, zwölf Städte - unsere Kollegin fährt ein Jahr lang um die Welt und erledigt Aufträge unserer Leser. Ausgerechnet in Sydney anzufangen war allerdings gewagt: Kaum eine Stadt macht es einem so schwer, wieder zu gehen.

Das mit der Liebe ging ganz fix, schon auf der Taxifahrt vom Flughafen. Mich wunderten die leeren Straßen an einem Montagmorgen, und der Fahrer sagte: Heute ist Feiertag. Der 3. Januar, Feiertag? Ja, weil der 1. dieses Jahr auf einen Samstag gefallen war - der freie Tag wird einfach nachgeholt. Zweiter Moment der Liebe: das Schild am Eingang des Botanischen Gartens. »Please walk on the grass. We also invite you to smell the roses, hug the trees, talk to the birds and picnic on the lawns.«

Genau so ist die ganze Stadt: eine ständige Aufforderung zum Genuss bei gleichzeitigem Pfeifen auf die Gepflogenheiten. Der dritte Moment der Liebe passierte in einem der teureren Restaurants der Stadt, »Sean’s Panaroma« am nördlichen Ende des Bondi Beach. Hinein kommt man nur hintenrum durch einen engen Gang, an der Küche und den Kühlräumen vorbei. Ein Essen zu zweit kommt locker auf 200 Euro, es sei denn, man bringt seinen eigenen Alkohol mit - und das darf man hier. An »Sean’s Bar« warten Leute mit sandigen Füßen in Flip-Flops und mit Plastiktüten voll gekühlter Champagnerflaschen auf ihre Tische, die Kellner stellten ihnen schon mal Gläser und Kühler hin. Bei dieser überwältigenden Lässigkeit wird man fast ein bisschen delirisch.

Wie nähert man sich einer neuen Stadt? Ich hatte mir vorgenommen, auf meiner Weltreise nicht einen einzigen Führer zu konsultieren. Nichts verdirbt einem den Spaß am Reisen ja so verlässlich wie das Abarbeiten von Sightseeing-To-Dos und vorgezeichneten Stadtrundgängen. Ich folge lieber Tageszeitungen, Stadtmagazinen - und dem Zufall. Oh, sieh an, nächsten Samstag sollen Ukulele-Anfänger auf dem Sydney Festival gemeinsam Waltzing Matilda spielen, das klingt doch lustig. Bis eben wäre ich nicht im Traum auf die Idee gekommen, jemals Ukulele zu lernen, jetzt habe ich kein dringenderes Bedürfnis.

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Also verwende ich die nächsten Tage darauf, eine Leih-Ukulele aufzutreiben. Ich finde sie beim Großcousin einer Freundin im Vorort Manly - und habe auf der Suche einiges über die Stadt, die Hafenfähren und eine ziemlich gute Pizza erfahren (bei »Hugo’s« auf der Manly Wharf) - und über die Tatsache, dass ich nicht halb so unmusikalisch bin, wie ich immer dachte.

Genau das war der Grund für die Aktion »Meikes Reisebüro«, die derzeit auf der Webseite des SZ-Magazins läuft: die Erwartung, dass ich beim Erfüllen der Aufträge unserer Leser mehr über die Welt lerne als auf normalem Weg. Und? Hat’s geklappt? Hier einige der Anfragen für Sydney:

1. Recherchiere ein babygerechtes, zentrales und erschwingliches Hotel für uns. Okay, zwei Vorschläge: das »Dive Hotel« in Coogee. Nicht sehr zentral, aber sagenhaft freundlich, direkt am Strand. Zweitens das »Altamont« in Darlinghurst. 14 Zimmer, nennt sich selbst Luxury Budget Hotel. Das Tolle: Die jetzige Loft Suite war früher der VIP-Raum des »Cauldron Nightclub«. Einziger Zugang war eine Treppe, die von der Decke gesenkt und anschließend wieder hochgezogen wurde. Legendäre Rolling-Stones-Partys, sagt der Typ am Empfang. Nützlich für Kleinkind-Eltern: sydneyunderfives.blogspot.com

2. Gibt es das Albury Hotel mit seinen berühmten Drag-Shows noch? Leider nicht. In dem Haus an der Ecke Oxford Street/Barcom Avenue ist jetzt ein Puma-Laden. Überhaupt sind Transenshows nicht mehr das Ding in Sydney.

3. Finde den Ehering, den mein Mann am 21. Dezember 2009 am Coogee Beach verloren hat. Das ist ein bisschen spät, sagt Tony, der Mann mit dem Metalldetektor. Neulich hat er zweieinhalb Stunden in der Brandung gestanden und dabei tatsächlich einen verlorenen Ring gefunden, es ist also möglich. Nächstes Mal also bitte gleich 0061/ 413/72 74 10 anrufen, Tony tut, was er kann.

4. Versuche, mit dem Fahrrad durch Sydney zu fahren. Auf keinen Fall, ich bin nicht lebensmüde. Erstaunlich bei so einer Surfer-Stadt, aber Radfahrer sind hier offiziell zum Abschuss freigegeben.

5. Schwimm im Andrew »Boy« Charlton Pool. Habe ich gemacht, danke, Dominik. Noch toller fand ich allerdings den Icebergs Pool am Bondi Beach und Wylie’s Baths in Coogee: direkt an den Pazifik grenzende Meerwasserbecken, in die alle paar Minuten die Brandung schwappt.

6. Suche meine Flamme auf, die gerade in Sydney couchsurft, und sag ihr, dass es mir leid tut und dass ich sie liebe. Bei aller Liebe: besser nicht, lieber Tobi. Es wäre in eurer derzeitigen komplizierten Lage kontraproduktiv, wenn eine Wildfremde unangemeldet vor der Tür stünde. Glaub einer alten Frau.

7. Schick uns ein paar Packungen Tim Tams. Ah, Tim Tams, die Lieblingskekse Australiens: Schokoladenwaffeln mit Schokoladenfüllung und Schokoladenhülle. Eine ältere Dame sah mich im Supermarkt ratlos vor dem Regal stehen (Tim Tams gibt es in elf Varianten) und erklärte mir den Tim Tam Slam: Zwei einander gegenüberliegende Ecken abbeißen und Kaffee durch den Keks saugen wie durch einen Strohhalm. Dann schnell in den Mund. Nach Deutschland schicken? Nein, lieber direkt über www.timtam-shop.de ordern. Gern geschehen.

Was habe ich jetzt also über Sydney gelernt? Dass es eine verfressene, verspielte, entspannte, großzügige Stadt ist. Danke für die Recherchehilfe! Jeder Auftraggeber bekommt in Kürze auch noch eine persönliche Antwort.

Worum geht es bei »Meikes Reisebüro«? Was sind die Hintergründe? Hier erfahren Sie alles über Winnemuths Weltreise.

Foto: Luise Aedtner