Was sollen diese Sprachspiele?

Jeder ist gern originell und witzig - leider geht das immer schief, wenn man redet wie ein Kindergartenkind.

Witzelsucht ist eine tatsächlich existierende Krankheit, eine neuropsychiatrische Störung, meist Folge einer Schädigung des präfrontalen Cortex. Die Symptome: unkontrollierbares Blödeln und fortgesetzte Albernheit ohne jegliche Entschuldigung durch Alkoholgenuss, Minderjährigkeit oder andere mildernde Umstände. In letzter Zeit, so scheint es, ist Witzelsucht zur Volkskrankheit geworden. Das Tragische daran ist, dass es stets dieselben Witze sind, mit denen man da drangsaliert wird, dieselben dämlichen Sprüche, mit denen man verkloppt wird. Die waren vor vielen Jahrzehnten vielleicht mal originell, aber spätestens seit der vierten, fünften Wiederholung eben nicht mehr. Beispiele? »Komm Se rin, könn Se rausgucken«, »Tschüssikowski bis dannimanski«, »Topp, die Watte quillt!«, »Zum Bleistift«, »Schlepptop«, »Ich muss mal für kleine Königstiger«, »Hallöchen, Popöchen«, »Satz mit x«, »Schanke dön! Schitte bön!«, »Prostata!«, »Alter vor Schönheit«, »Stück mal n Rück«, »Nur Döner macht schöner«, »immerhinque«, »D’akkordeon« - okay, ich höre ja schon auf.

Warum werden also diese Augenroller so hartnäckig abgespult, obwohl sie alle Welt nur noch zum Stöhnen findet? Kann es sein, dass es gar nicht mehr um die Witze selbst geht, sondern um die Simulation von Witzigkeit, die dieser Tage völlig genügt, um ein wohlig warmes Gefühl von Gemeinschaft auszulösen? (Und egal, wie sehr es in mir tobt, ich werde in diesem Zusammenhang auf keinen Fall den Namen Mario Barth erwähnen.) Sind Sparwitze, egal wie furchtbar, also das Wissen darum, wann man lachen soll, auch wenn es nicht komisch ist, der einzig verlässliche gesellschaftliche Kleister, den wir noch haben?

Bis vor Kurzem wurden diese Doof-Sprüche fast nur von Männern benutzt. Seit Neuestem aber gibt es ein weibliches Gegenprogramm in Form von Niedlichkeitsschrott, der sich so viral verbreitet wie Kätzchenfotos: »Alles Liebe zum Burzeltag«, »sei gaaaanz lieb umärmelt«, »dicka Knutscha« - plötzlich sitzen alle am Sandkastenrand und brabbeln in der Babysprache. Demonstrative Regression, und dann auch noch zur Formel geronnen - wenig lässt mich mehr erschauern. Männer plustern sich lachhaft auf, Frauen machen sich unzurechnungsfähig klein - schwer zu sagen, wer von beiden unerträglicher ist. Ist es tatsächlich so schwer, Nähe und Zuneigung zu äußern, ohne zu nerven? Ohne verbal krachendes Schulterklopfen oder doofes Kuschelgesabbel? Wie seltsam, dass uns Herzlichkeit so peinlich zu sein scheint, dass wir keine Worte dafür finden.