Auf der Suche nach der Liebe: glauben

Was macht die Liebe in diesem Land? Zwei Wochen lang reisten wir 3000 Kilometer durch die Republik, klopften an fremde Türen und fragten, wen wir trafen. Der erste Teil: glauben.

Die Vorsichtigen

Katharina, 18, und Jonas, 18, sind kein Paar. Sie kommen aus einer Kleinstadt bei Hannover, haben gerade Abi gemacht, sind mit Freunden in einem VW-Bus unterwegs nach Frankreich und übernachten auf dem Campingplatz Titisee.


Was macht die Liebe? Die Abiturienten Jonas und Katharina (unten) haben das ganze Leben vor sich. Sich zu verlieben finden sie noch ein bisschen kompliziert.

Meistgelesen diese Woche:

SZ-Magazin: Träumt ihr von der großen Liebe?
Jonas: Eigentlich ja. Aber bisher wurde ich immer nur enttäuscht.
Katharina: Ich auch. Eigentlich glaube ich nicht mehr dran. Vielleicht habe ich noch nie dran geglaubt. Irgendwie sind die Menschen alle austauschbar.

Wann habt ihr das erste Mal gedacht: Ich bin verliebt?
Katharina:
Das ist noch nicht so lange her. Aber es war keine richtige Beziehung. Er wollte nicht mit mir zusammen sein. Er ist schon 22 und hatte immer nur lockere Sachen. Ich glaube, heute ist es schwierig, jemanden für die richtige Liebe zu finden.

Was ist denn so kompliziert an der Liebe?
Jonas:
Ich war meistens unglücklich verliebt. Momentan denke ich: puh, schwierig alles. Die beiden Freunde, mit denen wir unterwegs sind, sind ein Paar und streiten gerade fürchterlich.

Gibt es viele Paare in eurem Freundeskreis?
Jonas:
In meinem nicht.
Katharina: Bei mir haben sich gerade viele getrennt.

Wie lernt man sich in eurem Alter kennen? Über Facebook?
Jonas:
Ich bin nicht auf Facebook und ich komme sehr gut zurecht.
Katharina: Ich vermisse Facebook. Wir chatten auf der Reise analog: Wir haben ein Tagebuch, das immer hin- und hergereicht wird, und wir schreiben abwechselnd rein.

Denkt ihr ans Heiraten?
Jonas:
Heiraten spielt eigentlich keine Rolle.
Katharina: Ich möchte auf keinen Fall Kinder haben. Ich kann mit Kindern gar nichts anfangen.

Sind deine Eltern noch zusammen?
Katharina:
Ja. Aber so, wie sie zusammenleben, wünsche ich es mir später nicht.

Wie stellt ihr euch das Leben in zehn Jahren vor?
Jonas: Mein Traum wäre es, mit meiner Band erfolgreich zu sein, so, dass ich davon leben könnte.
Katharina: Ich habe keine großen Erwartungen. Ich möchte etwas finden, was mir Spaß macht. In Richtung Kunst.

Die Ewigen

Die Ewigen


Walburga und Franz Graf mit Eselfamilie in ihrem Heimatort Ewigkeit. Sie haben viel zusammen durchgestanden.

Im Allgäu: weite Felder, blitzblanker blauer Himmel, Kühe, Mähdrescher am Straßenrand. Plötzlich taucht ein Weiler auf, nur vier, fünf Bauernhäuser. Das Ortsschild: »Ewigkeit«. Franz Graf, 72, lenkt einen Rasenmäher über die Wiese, während seine Frau Walburga, 60, den Hof fegt. Und erzählt.

Wir haben uns vor 42 Jahren kennengelernt, auf einem Kinderfest in Leutkirch. Wir haben schnell geheiratet und vier Söhne bekommen. Zwei leben hier auf dem Hof, die anderen in den Nachbardörfern. Früher hatten wir Milchvieh und Getreide und mussten nebenher arbeiten, weil sich der Hof nicht gelohnt hat. Heute haben wir noch Esel, Schafe, Hühner. In Ewigkeit hat es fünf Höfe gegeben, jetzt gibt es keinen mehr. Die Leute hier sind alle so lang verheiratet wie wir, so um die 40 Jahre – nein, stimmt nicht, die Gambarts sind ja erst 25 Jahre verheiratet …

Einer unserer Söhne hat sich gerade getrennt, einer ist verliebt, einer verheiratet. Selbst bei uns in Ewigkeit heiraten die Leute nicht mehr so schnell. Wir zwei waren uns auch mal unsicher, dachten, es passt nicht so. Der Vater hat gesagt: Walburga, du bleibst, das bekommt ihr hin. In einer guten Ehe muss man verzeihen können, das Gebet ist wichtig. Wir sind sehr gläubig, das hilft in der Liebe. So eine Liebe ist ein Heil, ein großes Glück. Wir können noch sagen: Schön, dass es dich gibt. Meistens gehen wir Hand in Hand, wie beim Wallfahren neulich.

Wir haben immer in diesem Haus gelebt, sogar mit zehn Personen, als die Söhne noch da waren, die Schwester und die Eltern haben hier auch gewohnt. Wir schlafen jede Nacht in einem Bett – es sei denn, Franz schnarcht. Einmal waren wir sechs Wochen getrennt, eine Kur, das ist uns lang vorgekommen. Wir haben uns Briefe geschrieben und jeden Tag telefoniert.

Jeder weiß vom anderen, was er denkt. Und wir machen einander Freuden. Die ersten Schlüsselblumen des Jahres bringt der Franz mir immer. Nur einen Heiratsantrag habe ich nie bekommen, und auch keinen Maibaum. Einen Maibaum hätte ich wirklich gern gehabt. Das macht man hier, vor der Hochzeit. Man stellt seinem Mädchen nachts einen Maibaum vor die Tür.

Franz: Willst du einen haben, ja? Dann mache ich dir einen! Weißt du was, ich mache dir den zur goldenen Hochzeit – mit langen goldenen Bändern dran!

Die Seligen


Die Seligen


Weimar. Vor einem klassizistischen Haus stehen Lastwagen, Leuchten, ein Kran. Ein Kinofilm wird gedreht, »Schilf«. An einem Biertisch sitzt der Schauspieler Ole Puppe, 41, mit schwarzer Sonnenbrille, und schreibt eine Postkarte.


Die Schauspieler Bernadette Heerwagen und Ole Puppe sind frisch verliebt.

SZ-Magazin: Schreiben Sie an Ihre Liebe?
Ole Puppe: Nein, an meine Mutter. Meine Liebe arbeitet hier, in diesem Haus, in dem der Film gedreht wird.

Wer ist Ihre Liebe?
Bernadette Heerwagen. Sie spielt die weibliche Hauptrolle.

Haben Sie sich beim Dreh kennengelernt?

Nein. Wir wurden verkuppelt.

Und das hat geklappt?
Zuerst gar nicht, dann hat es umso mehr eingeschlagen. Wir beide hatten länger keine ernste Beziehung. Ich dachte ehrlich, das war es, da kommt nichts mehr, hatte gar keine Lust mehr, mich zu verlieben. Ich hatte mir schon Klöster angeguckt. Und dann das!

Sie glauben also wieder an die große Liebe?
Absolut. Das ist sie. Alles davor war wichtig, aber das jetzt ist die Erfüllung.

Ein Rezept für die Liebe?
Sich vom Opfersein verabschieden.

Und jetzt? Wollen Sie heiraten? Kinder?
Na klar. Alles. Das volle Programm. Ich habe lang genug herumprobiert, ich werde jetzt nicht mehr warten, bis Zweifel aufkommen.

Bernadette Heerwagen kommt dazu: Hallo!
Ole: Vorsicht, du wirst aufgenommen. Sag mal: Ich glaube nicht an die Liebe!
Bernadette: Ich glaube nicht an die Liebe. Ich glaube nur an dich.

Der Freigeist


Der Freigeist


Baltazar Castor, 36, aus Kopenhagen, lebt seit 1997 in Berlin. Er kommt auf Rollschuhen ins Café. Damit ist er schneller als Fahrradfahrer, kann jede Treppe hochlaufen; sie sind ein Teil von ihm. Auf dem Asphalt durch die Stadt zu sausen, sagt er, ist das ultimative Glücksgefühl für ihn.


Rollschuhe an den Füßen, Schuhe in der Hand. Baltazar Castor in Berlin.

Letztes Jahr, mit 35, hatte ich eine Alterskrise, vielleicht weil die Hälfte von 70 schon rum war. Ein Freund hat gesagt, du bist deprimiert, weil du denkst: So wie es jetzt ist, wird es immer sein. Aber das ist natürlich nicht so. Und jetzt, mit 36, ist es tatsächlich besser.

Ich habe gerade eine Beziehung hinter mir, die zwei Jahre lief. Ich empfinde dem Mann gegenüber noch Liebe, erwarte aber keine Gegenliebe mehr. Das ist neu. Ich glaube an Liebe ohne Erwartung. Liebe ohne Beziehung. Vielleicht ohne Regeln. Damit meine ich nicht Etikette. Ich hasse Höflichkeit, aber Etikette finde ich gut. Vielleicht meine ich auch Grenzen. Grenzen sind da, um überschritten zu werden. Wir haben versucht, eine offene Beziehung zu führen. Schon wieder eine Regel. Das klappt so nicht.

Ich mache jetzt die Erfahrung: Getrennt zu sein heißt nicht, dass die Liebe vorbei ist. Ich versuche, mein Herz zu öffnen. Ich hoffe, jemanden lieben zu können, ohne dass es mir vor allem um mich selbst geht.

Das ist ja das Schwierigste auf der weiten Welt: eine Liebe zu leben, frei von allem. Es gibt immer ein Ich, ein Du und die Liebe. Was könnte man an Möglichkeiten noch rausholen aus diesen drei Elementen?

Das erste Mal verliebt war ich mit 17 oder 18. In eine Frau, die hatte einen Freund, der war 30, ich fand ihn auch sexy. Heute würde ich mich nicht mehr als bisexuell bezeichnen, sondern als sexuell. Die Schubladen – homosexuell oder heterosexuell oder bisexuell – finde ich blödsinnig. Zum Glück ist Berlin eine freie Stadt.

Fotos: Armin Smailovic; Illustration: Olaf Breuning