Auf der Suche nach der Liebe: hoffen

Was macht die Liebe in diesem Land? Zwei Wochen lang reisten wir 3000 Kilometer durch die Republik, klopften an fremde Türen und fragten, wen wir trafen. Der dritte Teil: hoffen.

Der Fremde

Bielefeld, im Zentrum der Stadt, ein Künstlerhaus mit großem Garten. Zilo Demirovic, 48, und seine Frau Petra, 40, betreiben das »Milestones«, Bar, Club, Restaurant. Die Söhne Yassin, 8, und Malik, 5, kommen mittags zum Essen, abends trifft sich hier die ganze Stadt.

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Als der Jugoslawien-Krieg ausbrach, lernte Zilo Demirovic seine Frau in Paderborn kennen. In den schweten Zeiten sind sie unzertrennlich geworden.

Ich habe in Jugoslawien in der ersten Liga Handball gespielt. Im Juni 1991 war ich verletzt und kam als Tourist nach Deutschland. Als plötzlich Krieg in meinem Land ausbrach, konnte ich nicht zurück, sonst wäre ich eingezogen worden. Zum Glück war der Stempel im Pass verwischt, keiner konnte nachvollziehen, wie lange ich schon in Deutschland war. Im November habe ich Petra kennengelernt in einer Kneipe in Paderborn, da konnte ich nur einen Satz Deutsch: »Bist du frei?« Ich hab gehofft, dass sie nicht denkt: Was für ein Idiot. Aber dann ging alles von allein. Sie ist groß, 1,87, ich bin groß, ich habe immer zu ihr rübergeschaut, am nächsten Tag waren wir zusammen.

Dank Petra habe ich schnell Deutsch gelernt und ein Sportstudium angefangen. Sie studierte Modedesign. Wir waren uns von Anfang an sehr nah, haben neun Monate in einem 90-Zentimeter-Bett geschlafen, haben eine Menge zusammen durchgemacht. Mir ging es finanziell nicht gut, im Mai wurde meine Heimatstadt Tuzla bombardiert, bis zum Sommer konnte ich meine Familie in Bosnien nicht erreichen. Petra hat Geld zur Seite gelegt und an meine Eltern geschickt, ich wusste das gar nicht. Erst im Herbst 1995 war ich wieder in Bosnien. Die Häuser waren durchsiebt, die Straßen zerstört.

Als Mann wirst du in Bosnien wie ein Pascha aufgezogen, deine Mutter bringt dir nachts um vier eine heiße Suppe ans Bett, auch wenn du schon längst erwachsen bist. Es ist nicht einfach mit mir, das weiß ich. Als Petra beruflich von Paderborn nach Bielefeld musste, bin ich mit und habe das »Milestones« aufgemacht. Eines Tages bin ich auf die Knie und habe gefragt, ob sie meine Frau werden will. »Ohne Zweifel«, hat sie gesagt. Unsere Hochzeit war die beste Party, die hier im »Milestones« gefeiert wurde. Bis heute teilen wir alles, sogar unsere EC-Karte.

Der Geduldige


Der Geduldige

Die Bäckerei Fidelisbäck in Wangen im Allgäu ist in der ganzen Gegend für ihr Brot bekannt, das »Seele« genannt wird. Daniel Bodenmüller, 27, schabt Teig von einem Knetautomaten. Seine Schicht ist bald zu Ende.

Irgendwann die große Liebe finden, eine Familie gründen: Darauf hofft der Bäcker Daniel Bodenmüler.

Seit 1505 gibt es den Fidelisbäck. Wir sind bekannt für Seelen, ich glaube, sie sind sogar von uns erfunden worden. Die Seele heißt so, weil man sie früher armen Leuten gegeben hat, armen Seelen. Es war das billigste Brot: Mehl, Salz, Wasser, Hefe. An einem Samstag backe ich etwa 3000 davon, in einer Viertelstunde ist der nächste Teig fertig.

Ich wohne außerhalb, in Deuchelried, bin Single und leider auch nicht verliebt. Meine letzte Beziehung hat fast sieben Jahre gedauert. Ein Jahr lang ist es okay, Single zu sein, wenn es länger geht, wird man einsam. Ich hoffe, mal eine Familie zu haben. Eine Zeit lang habe ich eine Freundin gesucht, bis meine Oma gesagt hat, ich soll nicht suchen, dabei finde ich nicht die Richtige. Man lernt sich hier auf Zeltfesten kennen. Aber da fühle ich mich schon alt. Hier ist keiner über 30, der noch nicht verheiratet ist.

Meine Exfreundin hat sofort nach unserer Trennung eine neue Liebe gefunden und ist schwanger geworden, wie sie es sich gewünscht hat. Sie wohnt nur ein paar Häuser weiter, manchmal sehen wir uns. Aber es tut nicht mehr weh. Sie war meine erste lange Beziehung; einmal hatten wir ein halbes Jahr Pause, dann sind wir wieder zusammengekommen. Irgendwann ging es nicht mehr. Wir haben uns ständig gestritten, über belangloses Zeug: ob man leere Milchtüten nur zusammenklappen oder auch ausspülen soll. Ich glaube, sie war insgesamt nicht zufrieden mit der Situation, und dann ging ihr die Liebe aus.

Meine Arbeitszeiten sind auch schwierig. Manchmal muss ich nachts um zwölf aufstehen und mittags schlafen. Über die Aufteilung der Hausarbeiten haben wir auch sehr verschiedene Meinungen gehabt. Aber ich brauche meinen Schlaf. Ein bisschen Achtsamkeit und Kompromissbereitschaft müssen sein. Ich bin seit zwölf Jahren Bäcker. Das war nicht mein Traum, aber jetzt mag ich die Arbeit. Meiner Freundin habe ich immer was mitgebracht, einmal ein Karottenbrot in Herzform. Zusammen zu essen, zu kochen und zu backen – das hat viel mit Liebe zu tun.

Der Kuppler


Der Kuppler

Jost Schwaner, 44, ist Geschäftsführer von ElitePartner.de in Hamburg. Im Büro steht ein Aquarium mit Skalaren darin – Fische, die sich nie trennen und stets monogam leben.

Jost Schwaner vermittelt Partner und ist für die Zukunft bester Dinge.

Drei Millionen Menschen hoffen, über uns einen Partner zu finden. Antworten auf 86 Fragen ergeben ihr Persönlichkeitsprofil. Die Vorschläge, die wir jemandem dann machen können, passen mit größter Wahrscheinlichkeit, etwa 30 Prozent finden so ihren Partner. Es gibt auch Nicht-Vermittelbare: Menschen, die nicht mal ihr Profil fehlerfrei ausfüllen können, zum Beispiel. Wir schauen uns jedes Profil genau an. Wenn sich ein besonders netter Bewerber anmeldet, hört man schon mal Jubel aus der Kundenbetreuung.

Wir haben auch Mitarbeiter, die ihren Partner über uns gefunden haben. Ich selbst würde es genauso angehen, wenn ich nicht schon 27 Jahre eine Beziehung hätte. Um unser Geschäft mache ich mir keine Sorgen – Beziehungen halten nicht mehr so lang, Scheidungen nehmen zu. Aber es wird Neuerungen in unserer Branche geben, in den USA gibt es sogar Genmatching, da können gleich Erbanlagen analysiert werden.

Die Dramatischen


Die Dramatischen

Sie sind zwischen 23 und 26, Schauspielstudenten des Abschlussjahrgangs an der Theaterakademie Hamburg, und spielen »Romeo und Julia« in der Garage des Thalia Theaters in Hamburg.

Die Schauspieler Julius Feldmeier, Sebastian Klein, Julia Goldberg, Felicia Spielberger, Wolfgang Erkwoh (v.l.).

In der Inszenierung sind wir alle Romeos und Julias. So können wir viele Facetten der beiden und der Liebe zeigen. Wie verschieden sich Leute beim ersten Date verhalten: Der eine bringt kein Wort raus, der andere redet wie ein Wasserfall. Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich alle nach Liebe sehnen und jeder weiß, wie es geht. Jeder darf alles. Und so spielen wir das Stück: Es finden ständig neue Paare zusammen, wie auf einer Party, eng umschlungen, am nächsten Tag ist es wieder vorbei. Aber zwei kristallisieren sich heraus, die sagen: Nein, Moment, wir wollen nicht mehr dieses »Heute der, morgen der«. Wir wollen die echte Liebe. Und wir zeigen Sehnsüchte. Zwei möchten zusammen leben, zwei zusammen sterben.

Romeo und Julia sehen sich nur ein paar Stunden in ihrem Leben. Diese Hoffnung auf eine Liebe, die klar, groß und kompromisslos ist, ist immer zeitgemäß. Das fast vollkommene Glück, denn es bleibt keine Zeit, zusammen zu frühstücken. Das eigentliche Drama ist, dass sie nicht zusammen sterben. In unserer Inszenierung sehen sie sich noch, aber zu spät. Er weiß, dass er sterben wird und sie nicht tot ist. Ein tragisches Missverständnis. Aber man sehnt sich nicht nach einem Happy End. Sie müssen sterben, damit es schön bleibt. Man will sie nicht in karierten Hausschuhen sehen.

Die Unbeschwerte


Die Unbeschwerte

Tjioe, 14, lebt in Berlin-Mitte, besucht eine internationale Schule und spielt Fußball in einer Mädchenmannschaft, rechte Innenverteidigung. Als sie erzählt, dass sie schon verliebt war, sagt der Vater: »Ich geh dann mal Händewaschen.«


Tijoe hat einen chinesischen Namen. Er bedeutet: »Kraft des Himmels«. Wie war schon einmal verliebt: »Aber er hat sich plötzlich so verändert«.

Wir waren auf Klassenfahrt in Barcelona, sogar im Fußballstadion von Barça. Wir durften nicht mal den Rasen anfassen, das war grausam. Die letzte Nacht haben wir durchgemacht. Klar haben wir »Wahrheit oder Pflicht« gespielt, voll langweilig. Aber es war cool, dass alle Menschen geschlafen haben, nur wir nicht.

Eigentlich war ich in einer Dreierclique. Seit der Klassenfahrt sind die beiden anderen zusammen. Sie haben Französisch als zweite Sprache und waren in Paris, da hat’s angefangen. Ich muss mich echt daran gewöhnen. Sie sind nicht blöd zu mir, aber es ist halt alles anders jetzt.

In der fünften Klasse war es der Trend, einen Freund zu haben. Fast jedes Mädchen war mit einem Jungen zusammen. Bei der Schuldisko sind sie Arm in Arm gegangen, und danach wurde natürlich geredet: Hast du ihn schon geküsst? Aber man war zusammen Eis essen, im Kino – Fünftklässler halt.

Die Jungs bei uns haben so ein heimliches Punktesystem von null bis zehn für Mädchen. Man hört dann: Das ist ne acht. Aber in ihren Freundschaften sind sie unkompliziert. Ich glaube, sie finden einen besten Freund, und bei dem bleibt es dann. Mädchen haben jeden Monat eine andere beste Freundin. Ich bin Kapitänin der Fußballmannschaft, da geht’s immer hin und her. Mädchen sind anstrengend.

In Ethik nehmen wir gerade die Liebe durch. Wir haben ein Blatt bekommen mit Begriffen wie Treue oder Hoffnung, und sollten die ausstreichen, die nicht zur Liebe gehören. Kinderliebe haben wir alle gestrichen, in unserem Alter. Für uns ist Liebe ja etwas Neues, ein bisschen peinlich. Man wird ständig gefragt: Bist du verknallt? Findest du den süß?

Ich war schon verliebt. Letztes Jahr. Wir waren ein halbes Jahr zusammen. Er ist einen Monat jünger als ich, aber wurde ein Jahr vor mir eingeschult, das macht etwas aus. Er wohnt in einer anderen Stadt. Und mit zwölf Jahren ist eine Fernbeziehung ja auch schwierig. Ich habe Schluss gemacht – online. Das war gemein, aber ich konnte es ihm nicht anders sagen.

Fotos: Armin Smailovic; Illustration: Olaf Breuning