Ziemlich schräg

Warum trägt die gehobene Gesellschaft in letzter Zeit Hüte, die an Spaghetti und Satellitenschüsseln erinnern?

Prinzessin Beatrice (l.) und ihre Schwester, Prinzessin Eugenie.

Die Braut behielt ihren Mädchennamen, vorher hatte sie mit ihren Freundinnen ihren Junggesellinnenabschied in Portugal gefeiert – wie zu lesen war, mit Sangria, Cocktails, Wein und Sonnenbaden (wer genau guckte, entdeckte den Bikiniabdruck unter dem Tüll des Brautkleids), es schien also eine ganz normale moderne Hochzeit zu sein, als die Reiterin Zara Phillips neulich den Rugbyspieler Mike Tindall heiratete.

Falsch – ein Blick auf die Köpfe der weiblichen Gäste verriet: Adelshochzeit. Leicht erkennbar an der Menge absurder Hüte, die gegen alle Gesetze der Physik vorwiegend an der rechten Kopfseite ankern. Man sah Kartoffelchips mit Pfeifenreinigern und Satellitenschüsseln mit Fliegenfischködern, geschredderte Erntedankgestecke, zerknüllte T-Shirts und überfahrene Hühner, die irgendwie am Ohr festgedübelt sind – Hüte sehen in den besseren Kreisen derzeit alle aus, als ob Lady Gagas Kostümdesigner in der Mittagspause mit der Klebepistole gespielt hätte. Je feierlicher der Anlass, desto lachhafter die Kopfbedeckung, so scheint es. Bestes Beispiel ist das inzwischen legendäre miederfarbene Spaghettimonster in Schleifenform (»Als ob eine gigantische Vagina aus einer Limousine steigt«, so ein Kommentator), mit dem Fergies Tochter Beatrice zur Hochzeit ihres Cousins William erschien.

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Wieso wagen gerade die konservativsten Menschen der Welt bei den öffentlichsten Anlässen den größten Irrsinn? Wieso sieht Camilla dank ihres Hutes immer so aus, als ob ihre Frisur explodiert wäre, warum dreht jetzt sogar die Queen durch, die seit gefühlten Jahrhunderten immer nur hutförmige Hüte getragen hat – und hin und wieder eine Krone –, jetzt aber Dinge auf dem Kopf hat, die links höher sind als rechts?

Einen Hinweis gibt der Modetrend des sogenannten Fascinators, eines möglichst grotesken Haargestecks aus Federn und Schleifen, das neuerdings als Hutersatz durchgeht. Ein Fascinator ist ein abgespeckter und gleichzeitig besonders aufsehenerregender Kopfschmuck, der gar nichts mehr bedecken will, sondern ganz offen schreit: Schau! Mich! An! Wäre man gehässig, könnte man sagen: Endlich sind die Hüte genauso nutzlos wie ihre Trägerinnen. Doch der Sinn ist ganz offensichtlich: Wenn auch sonst jede Mode sofort von der Plebs nachgemacht werden kann, diese besondere Art der Krönung ist nur wenigen Frauen und wenigen Anlässen vorbehalten. Der Fascinator ist das letzte Hurra einer aussterbenden Schicht und weist schon im Namen überdeutlich auf deren einzige Aufgabe hin. Wobei – ein zweiter Name wäre auch noch denkbar. Als alternative Hutbezeichnung schlage ich deshalb vor: Amusator.

Fotos: dpa, ag.getty