Das Beste aus aller Welt

Anders als der Rest der Menschheit scheint Wladimir Putin vom körperlichen Verfall verschont zu bleiben. Könnte es sein, dass er mit den Genen eines ostafrikanischen Nagetiers behandelt wurde?

Der Silbergraue Erdbohrer, ein dem Nacktmull eng verwandtes und von ihm durch sein dichtes und eben silbergraues Fell unterschiedenes Tier, lebt in den Böden Nordmalawis und verzehrt dort vorhandene Knollen und Wurzeln, was ihm durch seine starken und großen Schneidezähne gut möglich ist. Wer je das Foto eines Silbergrauen Erdbohrers sah, wird dieses Tier nie vergessen, es sieht aus wie eine Kreuzung zwischen Maulwurf, Steinlaus und Nackenrolle, vor allem aber sind da die Zähne, die das Antlitz des Silbergrauen Erdbohrers dominieren.

Das Erstaunliche ist, dass diese Zähne sich, wie ich dem Wissenschaftsteil der Süddeutschen entnahm, ein Leben lang immer wieder erneuern, sie entstehen in den Tiefen des Erdbohrermauls, wandern langsam nach vorne, werden beim Wurzelfraß verbraucht, fallen aus und werden durch von hinten nachdrängende Beißer ersetzt. Damit ist der Erdbohrer eines der äußerst wenigen Säugetiere, die ein Leben lang immer wieder neue Zähne entwickeln. Man fragt sich, warum das so ist. Warum bleibt dem Menschen versagt, was die Schöpfung dem Erdbohrer wie selbstverständlich mit auf den Lebensweg gab?

Den 65- bis 74-jährigen Deutschen fehlen, so las ich, im Durchschnitt 18 Zähne. Sie werden ersetzt durch Brücken oder Implantate. Kieferchirurgen, Zahnärzte, Zahnarztgehilfinnen, Dentallabore, Betäubungsmittelhersteller, Zahnversicherungssachbearbeiter, Bohrmeißelproduzenten, ja, letztlich auch Anlageberater und Abschreibungsspezialisten – eine riesige Branche lebt von einem evolutionären Mangel: dass dem Menschen die Zähne ausfallen. Würden uns die Zähne nach Erdbohrerart nachwachsen, bräche die deutsche Wirtschaft auf der Stelle zusammen, auch Bürstenfabrikanten und die Zahncreme-Industrie müssten sich etwas Neues suchen. Wer pflegt schon Zähne, wenn sie sich permanent von selbst erneuern?

Meistgelesen diese Woche:

Überhaupt ist ja die Frage, warum, was in Erdbohrergebissen geschieht, nicht auch mit anderen Körperteilen möglich sein sollte? Wieso wachsen nicht unsere Haare bis ins hohe Alter nach, weshalb wird nicht jede absterbende Gehirnzelle sofort durch eine neue ersetzt, warum strafft sich unsere Haut nicht täglich neu? Wenn wir schon sterben müssen, könnte uns das nicht im Zustand permanenten Runderneuertseins widerfahren? Die Natur hat die entsprechende Möglichkeit im Programm, aus welchem Grund hat sie diese an den Silbergrauen Erdbohrer verschwendet? Warum leben wir in einem Wirtschaftssystem, das auf unserem physischen Verfall basiert, während der Erdbohrer Morgen für Morgen kräftig zubeißen kann?

Übrigens wird Wladimir Putin nächstes Jahr sechzig Jahre alt. Gerade erst hat er, bei einem Tauchgang im Asowschen Meer, zwei Vasen entdeckt, die der damaligen griechischen Kolonie Phanagoria entstammten, 1500 Jahre lagen sie auf dem Meeresboden, bis Putin kam. Jedenfalls dachte man, dass es so gewesen sei, bis Putins Sprecher zugab, dass man die Amphoren extra für ihn dort hingelegt hatte, frisch geputzt.

Interessant, nicht wahr?, dass ausgerechnet Putin diese uralten Gefäße in blendend-frischem Zustand an die Oberfläche brachte, Putin, von dem es nun heißt, er habe anscheinend eine Botox-Behandlung oder sonstwie geartete Gesichtserfrischungen hinter sich, so falten- und tränensackfrei sehe er aus, Putin, der mit voluminösem Oberkörper halb nackt angelt, Putin auf dem Fahrrad wie einst im Mai, ewig junger Putin …

Könnte es sein, dass man diesem Mann ein Erdbohrer-Gen eingesetzt hat? Oder dass in den Tiefen Russlands immer neue Putins heranwachsen, wie im Erdbohrer-Kiefer frische Zähne gedeihen und nach vorne drängen? Dass man alte, verbrauchte Wladimire wie von selbst durch immer neue ersetzt, dass also Russland bis an sein Ende hin von Putin regiert werden wird, einem auf ewig knapp Sechzigjährigen?

Illustration: Dirk Schmidt