Im Internet kursiert eine Liste, 9 Things That Will Disappear In Our Lifetime, 9 Dinge, deren Verschwinden wir noch erleben werden: das Postamt, der Scheck, die Zeitung (hey, was soll das denn?!), das Buch (wahnsinnig geworden, was?), das Festnetztelefon, die Musik (illegales Kopieren und Kartelle von Radios und Musikindustrie verhindern, dass neue Musik entsteht), das Fernsehen (Wetten, dass..? ist schon am Ende), der Besitz von »Dingen« (Filme, Musik, Bilder, alles existiert nur noch im Internet, nicht mehr im Regal), die Privatsphäre – das wären die neun.
Das mag man finden, wie man will, fest steht, dass schon in meinem Lebensverlauf vieles verschwand, was früher selbstverständlich war. Die Telefonzelle. Der Milchmann. Die Schreibmaschine. Oder hier, eine Sache, die viel weiter zurückgeht, ich las das auf der Internetseite des Magazins Popular Science: Wir haben kein Fell mehr, unsere Haut ist, von der Hugh Jackmans abgesehen, weitgehend blank – aber dennoch bekommen wir eine Gänsehaut, wenn es kalt wird oder wir Angst haben. Es sträuben sich Haare, die nicht mehr existieren, ist das nicht interessant?
Wenn sich die Haare eines Frühmenschen aufstellten, entstanden zwischen ihnen Lufträume, die den Frühmenschen wärmten. Und er wirkte, wurde er bedroht, größer, das muss Feinde beeindruckt haben. Noch heute stellt sich das Fell des Bären auf, schreitet er zum Angriff, so ist es auch bei uns noch, nur dass unsere Haut dann der einer gerupften Gans ähnelt, nun ja, das schüchtert keinen mehr ein, und es wärmt auch nicht. Es ist uns eben geblieben.
Apropos Bär: In Malone im Staat New York wurde ein Mann verhaftet, der seine Ex-Freundin zu ermorden beabsichtigte: Er wollte einen Bären töten, sich in dessen Fell hüllen, als Bär verkleidet die Frau mit den Bärenpratzen erwürgen, wenn sie auf dem Weg zum Mülleimer war, und dann auf Bärentatzen im Wald verschwinden. Der Täter scheiterte aber schon daran, einen geeigneten Bären zu finden, fasste einen anderen Plan (ein ehemaliger Stockcar-Rennfahrer sollte die Frau totfahren, verriet den Auftraggeber aber) und wurde verhaftet.
Das Beispiel zeigt, dass zwar verschiedenste Dinge aus unserem Leben verschwinden werden, die Dummheit uns aber bleiben wird, Gott sei Dank, möchte man sagen, denn Dummheit ist bisweilen unendlich komisch, und wir können zwar auf Postämter verzichten, aber nicht aufs Komische.
Hier ein weiteres Beispiel: Im Städtchen Pleasant Prairie in Wisconsin erwischte die Polizei den 48 Jahre alten Robbie S., der sich um die Gunst einer 26-jährigen Austauschstudentin bemühte, die in seinem Haus lebte. Sein Plan war, die Frau maskiert zu überfallen, in der Garage zu fesseln, zu verschwinden – um dann als Robbie S. himself zu erscheinen und mit unwiderstehlicher Geste die Angebetete zu befreien. Leider wehrte sich die Frau so, dass Masken-Robbie fliehen musste. Bald wurde er gefasst.
Was haben wir in Deutschland zum Thema »Dummheit und Verbrechen« zu bieten? In München wurde ein Mann verurteilt, der eine Bank überfiel. Er stellte sich in die Schlange vor dem Schalter, verlangte, als er an der Reihe war, von der Kassiererin »alles Geld, das Sie haben«. Die Frau bat ihn um seine Kontonummer, worauf er sagte, dies sei ein Überfall, worauf wiederum die Kassiererin entgegnete, sie habe ihn nicht verstanden. Resigniert drehte sich der Mann um und ging, um bald verhaftet zu werden.
Leider kann man nicht sagen, dass der Banküberfall aus unserem Leben verschwunden ist. Aber täuscht denn der Eindruck, dass er bisweilen nur noch als Schatten seiner selbst existiert, angesichts umfassender Sicherheitseinrichtungen und geringer Geldvorräte in den Filialen? Welcher intelligente Mensch mag auch unsere Krisenbanken noch mit großem Remmidemmi überfallen? (Am Ende geht man mit Griechen-Anleihen nach Hause, und die Bank ist froh, dass ein Dummkopf sie endlich geklaut hat.)
Was zur Überlegung führt, ob man nach den Erlebnissen der vergangenen Jahre und dieser Tage nicht der eingangs erwähnten Liste einen zehnten Punkt hinzufügen möchte, dessen Verschwinden wir nie erleben werden, aber gern erleben würden: die Banken.
Illustration: Dirk Schmidt