Zu sehr gelebt

Am Sonntag ist Maria Kwiatkowsky in ihrer letzten Fernsehrolle zu sehen: im Polizeiruf. Die Schauspielerin starb im Juli 2011, sie wurde nur 26 Jahre alt. Freunde und Kollegen erzählen von ihrem rasend kurzen Leben.

Mex Schlüpfer, Schauspieler und Freund
Maria war kein Hamster, sie war'n Pitbull. Nen janz lieber Pitbull.

Maris Pfeiffer, Fernsehregisseurin
Ich dachte mir gleich, die Schauspielerei ist das Tollste für Maria, weil sie sie in ihren Wahnsinn integrieren kann.

Kathi Angerer, Schauspielerin
Maria war extrem offen, pur, dadurch vielleicht schutzlos. Sie hat sich sehr preisgegeben.

Meistgelesen diese Woche:

Ivan Panteleev, Theaterregisseur
Sie hat in einer anderen Geschwindigkeit gelebt, deshalb vielleicht auch nur so kurz. Jeder läuft die Strecke in seiner Geschwindigkeit.

Daniel Regenberg, Musiker und Marias Freund
»Was, die? Die sieht doch aus wie ein Typ!« hat mein Mitbewohner gemeint, aber ich wusste sofort: »Die isses!« Maria war das größte Glück meines Lebens, trotz des Endes.

I. Akt: Aufstieg

Maria Kwiatkowsky wird 1985 in Ostberlin geboren. Sie ist Einzelkind, ihre Mutter alleinerziehend, zu ihrem Vater hat Maria wenig Kontakt. Noch in ihrer Schulzeit, mit 15, fängt sie beim Jugendtheater der Berliner Volksbühne an.

Sabine Zielke, Dramaturgin, Volksbühne
Sie ist mir sofort als extrem begabt aufgefallen. Durch ihre Direktheit, ihr Vermögen, in Erscheinung zu treten. Sie war ja ein sehr zarter Mensch, aber hatte doch unglaubliche Kraft.

Aus Marias Vita bei ihrer Schauspielagentur Pegasus
Größe: 165, Augenfarbe: braun, Haarfarbe: dunkelblond.

Kathi Angerer, Schauspielerin
Ich habe Maria das erste Mal getroffen, als sie 15 war. Ich kannte den Freund ihrer Mutter, einen Musikproduzenten, mit dem ich zusammengearbeitet habe. Wir saßen in der Küche, und Maria kam aus der Schule. Sie wollte unbedingt zum Theater. Ich habe versucht, sie ein bisschen zu erden: Sie soll nicht alles hinschmeißen, sondern Abitur machen. Das hat sie getan, aber nach dem Abi gleich En Garde gedreht.

Im Kinofilm »En Garde« (2003) spielt Maria eine sensible Jugendliche, die nach dem Tod der Großmutter von ihrer lieblosen Mutter ins Heim gegeben wird. In einer Schlüsselszene legt sie dort Feuer. Für ihre Rolle erhält sie den Silbernen Leoparden bei den Filmfestspielen in Locarno.

Ayse Polat, Regisseurin von En Garde
Nach der Preisverleihung hat Maria mir erzählt, dass sie das gar nicht richtig genießen kann, weil sie sich nicht gut genug findet. Sie hatte damals große Selbstzweifel, obwohl mir nach ihrem ersten Vorsprechen sofort klar war, dass nur sie die Rolle bekommt. Sie hatte eine unglaubliche Präsenz, gleichzeitig konnte sie auch die leisen Töne.

Tina Pfurr, Schauspielerin und Freundin
Maria hat man gehört, bevor man sie gesehen hat. Sie hatte diese unglaublich schrille, quietschende Stimme. Auf der Schauspielschule Ernst Busch haben sie sie abgelehnt. Die meinten, sie solle sich ihre Nase operieren lassen, mit ihrer Stimme passe was nicht.

Kathi Angerer, Schauspielerin
Ich glaube, an der Ernst-Busch-Schule haben sie gespürt, dass man Maria nicht so formen kann, wie man das dort gern tut. Maria hat ständig Dinge infrage gestellt, war so freiheitsliebend, das ist in dem System nicht gefragt.

2004 bekommt Maria ihre zweite Hauptrolle. Im ARD-Film »Liebe Amelie« spielt sie ein manisch-depressives Mädchen, dessen Mutter die Erkrankung nicht wahrhaben will. Dafür bekommt sie den Förderpreis Deutscher Film in der Kategorie »Beste Nachwuchsschauspielerin«.

Maris Pfeiffer, Regisseurin Liebe Amelie
Beim Dreh wirkte sie total gelöst. Sie hat toll gespielt, und es hat ihr überhaupt keine Mühe bereitet. In den Pausen hat sie Kreuzworträtsel gelöst. Manchmal, wenn wir gerade eine Szene abgedreht hatten, meinte sie: »Jetzt hab ichs!« Sie hat also während des Drehs über das Rätsel nachgedacht. Mir war da noch nicht klar, wie gefährdet sie war.

II. Akt: Krise

Daniel Regenberg, Musiker und Marias Freund
Das mit dem Kindergarten ist passiert, zwei Wochen nachdem wir uns kennengelernt haben, im November 2005. Am Samstag hat sie die Kita abgefackelt, und am Sonntag wollten wir uns eigentlich treffen, aber sie ist nicht gekommen. Ich war total beleidigt und hab ihr ne SMS geschrieben: »Das wars dann wohl.« Sie hat am Montag geantwortet: »Sei nicht sauer, stecke tief in der Tinte, kauf dir die B. Z.«

B. Z. vom 14.11.2005
Brandstiftung in Berlin:
ARD-Schauspielerin dreht durch und brennt Kindergarten ab. – Es geschah nachts um 2.40 Uhr, als Anwohner ein Feuer in einer Kita im Stadtteil Prenzlauer Berg bemerkten und die Feuerwehr riefen. Als diese eintraf, bemerkten die Retter eine Frau auf dem Dach der Kita. Sie wurde sofort mit einer Drehleiter gerettet … Die Kita wurde fast völlig zerstört.

Sie hatte so was Lockeres - um ihre Zerbrechlichkeit zu kaschieren

Maria Kwiatkowsky in dem Fernsehfilm »Liebe Amelie« von 2004.

Ayse Polat, Regisseurin En Garde
Ich war froh, dass die von der B.Z. meinen Film nicht gesehen hatten, da brennt sie ja auch das Kinderheim ab. Gleichzeitig hat es mich natürlich sehr erschreckt, weil der Film sie offenbar viel mehr mitgenommen hatte, als ich dachte. Während des Drehs hat sie so professionell gewirkt, so cool. Aber Maria hatte immer so was Lockeres, um damit ihre innere Zerbrechlichkeit zu kaschieren.

Moritz Heusinger, Marias Anwalt
Maria wurde damals von Kirsten Heisig verurteilt, der berühmten Berliner Jugendrichterin, die sich 2010 das Leben genommen hat. Zwei Jahre auf Bewährung wegen verminderter Schuldfähigkeit, als Auflage eine Therapie. Es wurde viel spekuliert in dem Strafverfahren, warum eine Kita. Der Gutachter wollte immer hören: weil ihre Mutter Kindergärtnerin war. Aber Maria hat gesagt, das war reiner Zufall, sie hat vorher schon gezündelt, bei einem Lastwagen die Plane oder Müll. Was ihr Verhängnis war: Das Land Berlin hat darauf bestanden, dass Maria den nicht versicherten Teil des Brandschadens bezahlt, über 300 000 Euro! Das macht allein mehr als 20 000 Euro Zinsen im Jahr, ohne dass getilgt wird.

Kathi Angerer, Schauspielerin
Das Urteil hat sie vollkommen demoralisiert. Sie wurde in den Himmel gehoben, bekam Preise, Gagen, aber musste das Geld gleich wieder abgeben. Ich weiß nicht, wie lange sie gebraucht hätte, um das zu bezahlen, trotz ihres Talents. So macht man jemanden kaputt. Da hat sie angefangen, mit allem zu spielen.

Melanie Lüninghöner, Schauspielerin und Freundin
Kurz nach dem Prozess ist Maria nach Freiburg gezogen. Wir haben uns am Theater kennengelernt und sind ziemlich schnell zusammengezogen. Ich glaube, Maria war froh, aus Berlin erst einmal weg zu sein, obwohl ihr Freiburg nicht gefallen hat. So eine schöne Stadt mit schöner Natur, und alle sind gesund, das hat sie ein bisschen verrückt gemacht. Richtig zu Hause gefühlt hat sie sich nur im Theater.

Viola Hasselberg, Dramaturgin, Theater Freiburg
Wir kannten die Geschichte mit dem Kindergarten, aber ein Kollege hatte so von ihr geschwärmt, dass wir sie zum Vorsprechen eingeladen und ihr gleich ein Angebot für zwei Jahre gemacht haben. Ihre Wut hat einen gepackt, weil sie echt war. Gleichzeitig hatte sie was Warmes, ihr erstes Stück hier war Pippi Langstrumpf, und die 900 Kinder im Saal hat sie jedes Mal für sich eingenommen.

Ivan Panteleev, Theaterregisseur
Maria war in Freiburg, in dieser Provinz, der erste Komplize, den ich hatte. Sie war süchtig nach Kreativität, man musste sie nicht antreiben zur Arbeit, sondern eher im Gegenteil, man musste sie runterbringen. Sie war witzig, aber kein Witzbold. Ein Traum für jeden Regisseur: ein Schauspieler, der mit dem Körper denkt, nicht mit dem Kopf. In Gesprächen hab ich öfter weiße Flecken in ihrer Allgemeinbildung bemerkt, aber gleichzeitig hatte sie ein unheimliches Denkvermögen. In gewisser Weise war sie eine Intellektuelle. Ein Mensch, der selbstständig Gedanken formuliert hat. Ein denkender Mensch.

2010 mit Christoph Letkowski an der Berliner Volksbühne in Werner Schroeters Inszenierung »Quai West«.

Akt III: Rückkehr

Sabine Zielke, Dramaturgin, Volksbühne
Maria war bei uns in der Volksbühne seit 2010 festes Ensemblemitglied. Sie ist öfter zu spät zu den Proben gekommen, aber ich fand das nicht problematisch. Wenn man einen Menschen so erleben will auf der Bühne wie Maria, dann ist das ein kleiner Preis, den man dafür zahlen muss. Das ist Rock ’n’ Roll, das kenne ich von Mex genauso wie von ihr.

Mex Schlüpfer, Schauspieler und Freund
Diese kleenen Tanzschrittchen und diese Quitschkowsky-Stimme – die ist hier rinjehoppst gekommen und hat erst mal das janze Theater uff Spur jebracht. Was uns beede verbindet – wir sind zwei Vollspinner. Ich weiß noch, wo ich das erste Mal bei ihr zu Hause war, da hingen lauter Bilder an der Wand, und ich hab jesagt: Die sind aber jut dafür, dass du nich malen kannst. Vor nem Auftritt meint sie dann zu mir: Ich will dir ’nen Bild malen. Mein ich: Freut mich, super. Dann sie: Mex, wat soll denn druff sein? Mein ich: Ne Chappi-Büchse oder was weiß ich wat. Ich denk mir, aber hab’s nich jesagt: Mond. Sie guckt mich an und sagt: Mond. Und ich sach: Hör uff mit die Scheiße. Drei Tage später hab ich nen Mond von ihr bekommen, der hängt nu über meinem Bett.

Uwe Preuss, Schauspieler
In Werner Schroeters letzter Inszenierung an der Volksbühne Quai West haben wir zusammengearbeitet. Sie hat Claire gespielt, eine schlaflose Figur. Die Nervosität hat sie hergestellt, indem sie in der gesamten Probezeit in einem Schuh gearbeitet hat. Mit dem schuhlosen Fuß tippelte sie auf den Boden, über drei, vier Stunden, das hat mich sehr beeindruckt. Ständig hat sie Dinge erfunden. Texte, Melodien, Bilder. Ihr Kopf hat immer gearbeitet.

Melanie Lüninghöner, Schauspielerin und Freundin
Ich hatte das Gefühl, dass die Leute an der Volksbühne Grenzen austesten. Dadurch ist es ein fantastisches Theater, aber eben auch extrem. Und ich hab mich immer gefragt, ob die gut aufeinander aufpassen.

Neben ihrem Engagement an der Volksbühne entwickelt Maria Paff Meisi, einen schnauzbärtigen Macho, überzeichnet und komisch wie Helge Schneider. Die Figur wird ihr Alter Ego, mit dem sie in »Torstraße intim« auftritt, eine Art postmoderne Sitcom über Sex und Philosophie. Die Serie kann man im Internet ansehen, geschrieben und gedreht hat Marias Freund Daniel, mit dabei sind Annika Pinske und Tina Pfurr.

Selbstzerstörung und Depression: ein gefundenes Fressen

Maria in der Rolle der von ihr selbst erfundenen Figur Paff Meisi aus der Internet-Sitcom »Torstraße intim«.

Melanie Lüninghöner, Schauspielerin und Freundin
Torstraße intim, das war ihr Baby mit Daniel und Paff Meisi ihre beste Rolle. Sie hat sie ständig weiterentwickelt, Videos gedreht und auf Youtube gestellt und Paff-Meisi-Shows am Theater gespielt. Am Abend, an dem sie die Goldene Kamera als beste Nachwuchsdarstellerin bekommen hat, hatte sie ihr erstes Livekonzert als Paff Meisi. Sie hat sich den Preis abgeholt und ist sofort gefahren. Paff Meisi war ihr wichtiger.

Maria Kwiatkowsky bei der Verleihung der Goldenen Kamera
Ja, danke, Alter. Is super, richtig geil. Was soll ich sagen, is'n Supertach heute. Ich mein, eine Stylistin macht mir die Haare, und jetzt bin ich hier und krieg diesen Preis, das ist toll, aber ich muss leider sofort gehen und kann nicht mit euch Champagner trinken, oder wie man das so macht. Danke schön, mir fehlen die Worte.

Daniel Regenberg, Musiker und Marias Freund
Maria hat nie Hierarchien aufgebaut. Den Castorf (Intendant der Volksbühne, Anm. d. Red.) hat sie genauso behandelt wie den Putzmann. Und als einmal Bernd Eichinger auf ihrem Handy angerufen hat, um ihr ein Angebot für eine Rolle zu machen, hat sie ihn abgewimmelt, weil sie sich gerade unterhalten hat und seine Stimme so scheiße klang.

Maria Kwiatkowsky als Paff Meisi
I have a traffic jam in my trousers – big balls!

Annika Pinske, Regisseurin und Freundin
Maria war so ein richtiges Prenzlauer-Berg-Kind, die kannte jede Dachluke. Ich weiß noch, wie wir einmal in der Friedrichstraße auf einem Dach saßen, nachts, allein, und irgendwann runtergepinkelt haben.

Kathi Angerer, Schauspielerin
Ich habe mich manchmal gefragt, was aus ihr wird, wenn sie 40 oder 50 ist. Das fühlte sich immer ausgeschlossen an.

Mex Schlüpfer, Schauspieler und Freund
Immer nach dem Motto: Is sie zu stark, bist du zu schwach. Man musste auch mit ihr umgehen können. Ich mein, da holen sich manche nen Pitbull und können nich damit umgehen.

Daniel Regenberg, Musiker und Marias Freund
Maria konnte so süß sein. Einmal wollte sie mich mit Frühstück auf dem Dach überraschen. Sie hat im Treppenhaus geheime Fährten gelegt, damit ich aufs Dach finde, aber niemand sonst aus dem Haus. Oben gab es Weintrauben und Puffbrause, sogar eine Matratze hat sie hochgeschleppt.

In Filmproduktionen wird Maria weiterhin vor allem als psychisch labiles Mädchen besetzt. 2009 spielt sie in der Folge »Bauchgefühl« der TV-Reihe »Bloch« eine magersüchtige Jugendliche und transportiert die Not des Mädchens so glaubwürdig, dass es in einer Kritik heißt: »Für Zuschauer mit großer Empathie-Bereitschaft kann dieser Film zur Tortur werden.«

Franziska Meletzky, Regisseurin Bauchgefühl
Dieter Pfaff meinte damals: Ich habe einen Freak erwartet und bin einer großen Künstlerin begegnet. Sie und Pfaff waren süß miteinander. Wenn Pause war, drehte sie sich rum, klein, wie sie war, und sagte: »Komm, Pfaffi«, und er ging mit. Wenn sie an ihrem Können zweifelte, hat Dieter ihr Kraft gegeben. Sehr berührend, dieses ungleiche Paar.

Annika Pinske, Regisseurin und Freundin
Ich hätte Maria nicht als Magersüchtige besetzt. Als sie Bloch gedreht hat, hat sie nur noch Joghurt gegessen. Drogensüchtige, Suizidgefährdete: Sie spielte immer extreme Rollen. Natürlich ist das ein Dilemma.

Viola Hasselberg, Dramaturgin, Theater Freiburg
Diese Mischung aus Selbstzerstörung und Depression ist ein gefundenes Fressen für einen Regisseur, und ich glaube, dass es etwas mit einem macht, wenn man immer in solchen Rollen besetzt wird.

Akt IV: Chaos

Daniel Regenberg, Musiker und Marias Freund
Als Maria und ich mal im Zoo waren, haben wir so kleine Äffchen gesehen, Kapuzineräffchen. Der eine hat eine Nuss gegessen. Dann hat er hochgeguckt und dabei vergessen, dass er die Nuss gerade isst, sie ist ihm hingefallen, und er ist erschrocken. Da meinte Maria: »Mann, die sind ja wie ich!« Sie hatte ein merkwürdiges Gehirn, eine andere kognitive Struktur. Sie konnte Dinge nur vom Zuschauen lernen. Als wir mal in einer Tangobar waren, hat sie ein älterer Herr aufgefordert. Maria hatte noch nie vorher Tango getanzt, konnte es aber sofort. Sie musste auch die Texte für ihre Rollen nur zweimal lesen. Gleichzeitig konnte sie sich nicht daran erinnern, was gestern war.

Annika Pinske, Regisseurin und Freundin
Es gab Phasen, wo sie sich Blumen gekauft hat, um häuslich zu sein, aber alle wussten, die werden nicht lange überleben. Sie wollte die Blumen gießen, wie man das halt so macht. Sie hatte diesen Wunsch nach Normalität und war verzweifelt, das nicht zu können.

Franziska Meletzky, Regisseurin Bauchgefühl
Sie hat mir erzählt, dass ihr Freund Daniel ihr am Anfang der Beziehung gesagt hat: »Maria, wenn ich dich anrufe, musst du mich auch irgendwann mal zurückrufen. Das geht so in Beziehungen.« Ich dachte, sie hat ganz viel nachzuholen, was soziales Miteinander betrifft. Im Nachhinein habe ich mir geschworen: Wenn ich so was noch mal spüre, werde ich mich intensiver kümmern. Vielleicht ist das aber auch alles Don Quichotte.

Daniel Regenberg, Musiker und Marias Freund
Es muss verdammt anstrengend gewesen sein, Maria zu sein.

Uwe Preuss, Schauspieler
Ich habe mit Maria im Frühjahr 2011 den Rostocker Polizeiruf gedreht. Sie spielt eine Sozialarbeiterin, die andere wieder auf die Spur bringen soll. Das ist im Rückblick irgendwie tragisch.

Annika Pinske, Regisseurin und Freundin
Ich habe sie das letzte Mal im Juni gesehen, einen Monat bevor sie gestorben ist. Da war sie schon so flirrig, so weit weg, es war unmöglich, mit ihr zu reden. Wir haben alle Strategien probiert, ihr zu helfen, auch Distanz. Aber sie hat sowieso nie angerufen. Ich hab gedacht, es wäre ihr egal, hätte ich die Freundschaft zu ihr gekündigt.

Ihren letzten Film dreht Maria im Juni 2011: »Die Erfindung der Liebe« mit Mario Adorf, Samuel Finzi, Sunnyi Melles. Maria spielt eine schamlose, verführerische und sehr mutwillige junge Frau. Der Film wird nicht zu Ende gedreht.

Lola Randl, Regisseurin Die Erfindung der Liebe
Die Rolle der Emily ist bei vielen, die das Drehbuch lasen, auf Unverständnis gestoßen. Weil diese Emily das Glück so mutwillig aufs Spiel setzt. Nur Maria hat das nicht schockiert. Man musste ihr nichts erklären, sie spielte einfach los, und alles übertrug sich in aller Komplexität. Sie hat immer in der Zukunft von dem Film gesprochen, von der Premiere, auf die sie sich freut.

Sie hat vieles ausprobiert und auch nie ein Geheimnis draus gemacht

Daniel Regenberg, Musiker und Marias Freund
Sie hat mir am Ende viel vorgespielt, aber den anderen noch mehr. Selbst die guten Freunde haben sich abgewendet. Man kann ihnen keinen Vorwurf machen, weil Maria sie weggestoßen hat. Sie hat sich selbst in die Einsamkeit manövriert. Drei Jahre haben wir zusammengelebt, aber ich konnte irgendwann nicht mehr. Sie ist dann ausgezogen. Es ist unendlich traurig.

Lola Randl, Regisseurin Die Erfindung der Liebe
Ich kann nicht sagen, wie viel Maria geschlafen hat. Sie kam nie zur Ruhe. Sie ist mir ständig entwischt, innerlich. Maria war wie ein Hund, der sich gleich auf den Rücken wirft, einer, der noch Welpenschutz hat. Auch wenn sie mittendrin war, steckten eine gewisse Traurigkeit und Einsamkeit in ihr.

Uwe Preuss, Schauspieler
Ich erinnere mich an die Hilferufe über Facebook, mitten in der Nacht: »Komm doch vorbei, setz dich in den Flieger, ich langweile mich zu Tode, ich drehe erst um 7 Uhr morgens wieder.«

Sabine Zielke, Dramaturgin an der Volksbühne
Alle haben versucht, ihr zu helfen, bei Castorf angefangen. Wir wussten, was wir an ihr haben, muss ich mal sagen, im Gegensatz zu dem, was manchmal geschrieben wird.

Annika Pinske, Regisseurin und Freundin
Außer ihrer Mutter und Daniel und Tina (Tina Pfurr, Anm. d. Red.) kann niemand behaupten, sie richtig gekannt zu haben.

Maris Pfeiffer, Regisseurin Liebe Amelie
Maria hat mich an Frank Giering erinnert, auch ein toller Schauspieler. Der hat sich zu Tode gesoffen.

Uwe Preuss, Schauspieler
Sie hat vieles ausprobiert und auch nie ein Geheimnis draus gemacht.

Kathi Angerer, Schauspielerin
Es passiert immer im Sommer, bei Frank Giering war das genauso. Wenn die Spielzeit fast vorbei ist, ist man so fertig. Da gibt es den Moment, in dem man sich zu viel zumutet, weil man es nicht einschätzen kann.

Akt V: Tod

Welt, 09.07.2011
Schauspielerin Maria Kwiatkowsky im Alter von 26 Jahren gestorben – Vor ein paar Tagen stand sie noch mit Mario Adorf vor der Kamera. Nun ist die Berliner Schauspielerin Maria Kwiatkowsky im Alter von 26 Jahren gestorben. Der Tod wurde möglicherweise durch eine Überdosis Drogen verursacht.

Daniel Regenberg, Musiker und Marias Freund
Marias Mutter möchte nicht, dass über die Todesursache in der Öffentlichkeit spekuliert wird. Ich auch nicht.

Kathi Angerer, Schauspielerin
Es war an einem Dienstag, wir hatten noch eine Probe vor der Vorstellung an der Volksbühne und warteten auf Maria, aber sie kam nicht. Ihr Freund, Daniel, ging zu ihr und klingelte. Niemand machte auf. Ich wurde merkwürdig unruhig, denn Maria hatte extra am Tag vorher angerufen und darum gebeten, die Vorstellung spielen zu können. Eigentlich war sie umbesetzt worden, weil sie den Film gedreht hat. Am Mittwoch hat mich Frank Castorf angerufen und erzählt, was passiert ist. Es hat mich extrem beschäftigt, dass sie allein war und versucht hat, das nicht zu sein.

Lola Randl, Regisseurin Die Erfindung der Liebe
Sie hätte nachmittags mit dem Zug in Köln ankommen müssen. Sie war nicht drin. Wir haben telefoniert und erfahren, dass sie am Abend vorher schon nicht an der Volksbühne war. Dann ist ihre Mutter in die Wohnung gegangen, da lag sie. Als wir das dem Team gesagt haben, standen alle zwei Stunden unter Schock auf dem Parkplatz.

Mex Schlüpfer, Schauspieler und Freund
Seit Maria nich mehr da is, macht das alles nich mehr so viel Spaß, is das alles son bisschen Clausthaler.

Daniel Regenberg, Marias Freund
Es gibt diesen Spruch: »If you kill my demons you kill my angels.« Und ein bisschen ist es auch so.

Epilog

Annika Pinske, Regisseurin und Freundin
Die Beerdigung war wahnsinnig schön. So viel Ekstase, so etwas habe ich noch nie erlebt. Wir haben uns morgens in der Volksbühne getroffen, 150 Leute, alle standen auf der großen Bühne und haben gesungen und Gedichte von Maria vorgelesen. Wie lange das ging, weiß ich nicht mehr, aber als wir wieder raus sind, schien plötzlich die Sonne, den ganzen Morgen hatte es geregnet, jetzt war es superwarm, als hätten wir eine Jahreszeit übersprungen. Auf dem Weg zum Friedhof hat Mex Schlüpfer auf seinen selbst gebauten Instrumenten gespielt, irgendwer hat Marias Namen gerufen, und dann haben alle Marias Namen gerufen. Am Grab wurde es auf einmal ruhig, irgendwer hat eine Gitarre genommen und die Akkorde von Total Eclipse of the Heart gespielt, das war Marias Partykracher. Abends saßen wir im »Münzclub«, bei offenem Fenster, es hat gewittert und bei jedem Donner haben wir MARIA gerufen und Sekt auf die Straße geschüttet. Es war reinigend.

Nach Marias Tod widmete ihr Mex Schlüpfer ein Lied: »Ich singe jetzt auf Wiedersehen / Denn du wirst jetzt als Stern aufgehen / Du gehst jetzt im Dauerlauf / als schönster Stern am Himmel auf / Für den langen Wolkenritt / geb ich dir mein Liedchen mit / Siehst du einen Stern mit nem Schweif am Himmel / Dann ist das Paff Meisi mit nem Kometenpimmel«

Hier finden Sie die Polizeiruf 110-Folge "Einer trage des anderen Last", in der Maria Kwiatkowsky am Sonntag zu sehen war.

Fotos: Maria Kwiatkowsky, WDR, Picturesberlin/ Sabine Brinker