Das Beste aus aller Welt

Das neue Meldegesetz sieht vor, dass der Staat die Adressen seiner Bürger verscherbeln darf. Wäre es nicht konsequenter, gleich den ganzen Bürger günstig an notleidende Firmen abzugeben?

Mit Interesse habe ich gelesen, das neue Meldegesetz sei im Bundestag von nur 27 Abgeordneten während des Fußballspieles Deutschland gegen Italien beschlossen worden; die restlichen 600 Volksvertreter hätten sich vor dem Fernseher befunden. Natürlich wollte ich wissen, welche Gesetzesvorlage zu diesem Zeitpunkt im italienischen Parlament beraten wurde – und, ahaaa! Es handelte sich um einen Antrag der Freunde Berlusconis auf dessen Ernennung zum Nachfolger Jupiters. Die Beschlussfassung scheiterte lediglich daran, dass während des Spiels überhaupt kein Abgeordneter anwesend war.

Nun einige Worte zum Meldegesetz selbst. Wie jeder weiß, sieht es vor, dass unsere Meldeämter (die zweifellos zu den staatlichen Institutionen gehören, die mir am meisten ans Herz gewachsen sind) künftig die Daten der Deutschen zu Zwecken der Werbung und des Adresshandels weiterverkaufen dürfen, es sei denn, man habe dem ausdrücklich widersprochen. Darüber ist die Aufregung nun groß. Viel bürgerfreundlicher wäre es doch gewesen, heißt es, wenn Behörden diese Angaben nur weiterreichen könnten, wenn ihnen dies ausdrücklich erlaubt worden wäre.

Ich aber sage: Es kommt in diesen Zeiten nicht auf Bürgerfreundlichkeit an, sondern darauf, was unserem Staat hilft. Wie wir alle wissen, benötigt er in erster Linie Geld, und kann er sich dieses durch Handel mit unseren Adressen verschaffen – warum sollten wir im Wege stehen? Im Gegenteil, das Geschäft mit dem Einwohner steht erst am Anfang, es muss weiterentwickelt werden. Jeder von uns muss sich fragen, was er außer der Zahlung von Steuern, Zuschlägen, Abgaben, Gebühren, Verwarnungs- und Bußgeldern, Zöllen und Strafgeldern beitragen kann, um dem Staat zu helfen.

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Hier kann uns eine weitere Entwicklung des Meldegesetzes helfen. Nicht nur Daten des Bürgers müssen Staat und Werbungtreibenden zur Verfügung stehen, auch der Bürger selbst. Bund, Länder, Gemeinden müssen ihre Einwohner vermieten. Rent a citizen – das ist die Zukunft.

Es wird also möglich sein, dass morgens ein Abgesandter der Firma X vor unserer Haustür steht, mit zehn Oberhemden (»Ihre Konfektionsgröße kennen wir ja bereits aus den Meldeunterlagen«), auf denen eine Werbebotschaft eingestickt ist – die müssen wir ein Jahr lang tragen, Honorar geht ans Meldeamt. Auch wäre es denkbar, dass wir den Weg zur Arbeit – je nach Geschmack der Publicity-Unternehmen – als wandelnde Coladosen, menschliche Smartphones oder wieso nicht auch als Bierfass oder Schweinswürstl auf zwei Beinen zurückzulegen hätten.

Und wäre es nicht möglich, dass man den einen oder anderen von uns, an einen Fallschirm gebunden und mit einem flatternden Werbebanner vernäht, über großen Städten aus einem Flugzeug heraus einfach abwirft?

Das Konzept der Bürgervermietung ist damit nicht ausgeschöpft. In München beispielsweise denkt man angesichts des großen Andrangs aus dem ganzen Land auf diese Stadt darüber nach, das hiesige Wohnrecht mit einer gewissen Arbeitsleistung zu verknüpfen: Man könnte etwa ein Kontingent von tausend wechselnden Münchnern pro Woche an die Verkehrsgesellschaft verpachten und von ihnen den Tunnel für eine zweite Stammstrecke der S-Bahn ausschachten lassen; die Betroffenen könnten dabei Helme mit der Aufschrift »Ich wühl mich wohl in München« tragen. Und warum nicht die leeren Plätze im Parlament mit 600 Berlinern täglich als »Staatisten« füllen?

Wäre es im Übrigen nicht sinnvoll, die Meldeämter aus Kostengründen ganz abzuschaffen? Der Bürger könnte sich in Zukunft direkt bei den deutschen Werbeagenturen melden, bei der Gelegenheit seine Post dort abholen und nachfragen, was es für ihn zu tun gibt.

Erwähnt sei noch, dass man in Kreisen der Bundesregierung darüber nachdenkt, fußballerische Begegnungen zwischen Deutschland und Italien künftig im Monatsrhythmus zu veranstalten, um das Gesetzgebungsverfahren zu vereinfachen und den Angehörigen des Deutschen Bundestages größere zeitliche Spielräume zu verschaffen.

Illustration: Dirk Schmidt