Das blaue Reich

Wir stellen Ihnen jede Woche junge, talentierte Fotografen vor. Diesmal: Zhang Xiao hat in den Küstenregionen Chinas beobachtet, wie Fischerdörfer in kurzer Zeit zu Millionen-Metropolen geworden sind.

Name: Zhang Xiao
Geboren:
1981 in Yantai City, China
Fotografische Ausbildung:
keine
Homepage:
www.zhangxiaophoto.com

SZ-Magazin: Haben Sie Fotografie studiert oder sind Sie Autodidakt?
Zhang Xiao: Autodidakt. Ich fotografiere einfach gerne. 2005 habe ich einen Abschluss in Architektur erworben, aber ich wollte nicht als Architekt arbeiten. Also habe ich danach als Fotograf für eine Zeitung gearbeitet, einfach weil es mich interessiert hat. Fünf Jahre später habe ich gekündigt, seitdem bin ich freier Fotograf.  

Was genau ist die Idee Ihres Projektes „Coastline“?
Seit meiner Kindheit habe ich mich nach dem Meer gesehnt. Unser Dorf war zwar nur 40 Kilometer von der Küste entfernt, aber meine Familie konnte sich die Fahrt zur Küste nicht leisten und für ein Kind sind 40 Kilometer ganz schön weit. So war ich als Kind nur ein paar Mal am Strand; meine einzige Erinnerung ist das Mosaik eines Blauwales auf einer Mauer am Ufer. Abgesehen von diesem persönlichen Bezug interessiert mich an dem Thema, dass die Öffnung Chinas vor 30 Jahren in den Küstenregionen begann. Millionen von Menschen strömten aus ihren Heimatorten an die Küste, kleine Fischerdörfer wurden zu Metropolen. Es ist erstaunlich, wie schnell unsere Wirtschaft wächst. Wir sind nicht sicher, ob das gut oder schlecht ist, weil dieses wundersame Wachstum auf Kosten unserer Tradition und Geschichte geht.  

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Wo haben Sie fotografiert?
China hat eine lange Küstenlinie, die sich von der Mündung des Flusses Yalu in der Provinz Liaoning im Norden bis zur Mündung des Flusses Beilun in der Provinz Guangxi im Süden erstreckt. Zusammen sind das 18.000 Kilometer. Ich habe im Prinzip an der gesamten Küste fotografiert, in jeder Provinz und größeren Stadt. Ich bin immer für ein bis zwei Monate in eine bestimmte Gegend gefahren und habe dort vielleicht 100 Filme verbraucht, dann bin ich nach Hause gefahren, um die Filme zu entwickeln und zu scannen.

Wie lange arbeiten Sie an dem Projekt?
Ich bin inzwischen in den meisten Provinzen und Städten gewesen, nur eine Provinz fehlt mir noch. Im Juli 2009 habe ich mit dem Projekt angefangen, bald bin ich fertig.

Ihre Bilder zeigen Facetten des chinesischen Alltags, die man so noch nicht gesehen hat.
Seit sich China vor 30 Jahren geöffnet hat, verändert sich das Land ständig. Die Städte sind wie große Baustellen – besonders in der Küstengegend. Zahlreiche Landbewohner verlassen ihre Herkunftsorte, um dorthin zu gehen. Die Dynamik der Verstädterung beschleunigt dauerhaft das Wachstum, gleichzeitig bleibt das spirituelle Leben der Leute erhalten. Ich glaube, ich zeige ein sehr zeitgemäßes China.

Das Wachstum in China geht mit Umweltverschmutzung einher.
Ja, das ist ein ernstes Problem. Der Preis für den Fortschritt ist hoch. Obwohl das Umweltbewusstsein in der chinesischen Bevölkerung größer wid, sehen viele Leute immer noch nicht, was sie mit ihrem Verhalten für einen Schaden anrichten.  

Welche Fotografen haben Ihre Arbeit inspiriert?
Einige, zum Beispiel Diane Arbus, Boris Mikhailov, Alec Soth und Nadav Kander.  

Kleine Dörfer und riesige Baustellen – an Ihren Fotos fallen vor allem die Gegensätze auf.
Der Grund dafür ist, dass die Spanne zwischen arm und reich in China zu groß ist.
Übersetzung: Thomas von Eichhorn

Fotos: Zhang Xiao