Das Beste aus aller Welt

So einiges will der Mensch besiedeln. Eine Wiese in München, Brachland in Brandenburg und ganz gerne auch den Mars. Das geht meist nicht ohne Probleme ab.

Wann endlich wird der erste Mensch auf dem Mars landen, der gerade von einem Roboter namens »Neugier« untersucht wird? Kürzlich las ich ein Interview mit Ulrich Walter, der 1993 mit der Columbia ins All flog: Er sagte, 2033 wäre ein gutes Jahr, Erde und Mars stünden dann günstig zueinander, aber vermutlich seien die Vorbereitungen dann noch nicht weit genug. Also werde es wohl 2050 werden.

Dieser Mars-Besuch ist ja ein etwas gruseliges Projekt, die Reise dauert Jahre, vielleicht kehrt der Reisende nie zurück, und wenn, dann hat er ein enormes Krebsrisiko, wegen der Strahlen. Walter sagte, der erste Mars-Mensch solle so um die 60 sein, er brauche ja nicht viele Muskeln, müsse nur fit sein, und das Krebs-Risiko sei eben für einen älteren Menschen nicht so groß. Vermutlich wird es auf Helmut Schmidt hinauslaufen, denke ich. Oder die Inder? Sie wollen ja auch zum Mars und haben Yogis, die jahrelang aufs Atmen verzichten können, das ist auf dem Mars ganz praktisch. Vielleicht könnten sie auch ohne Raumschiff reisen?

Oder sollten wir es ganz lassen? Ich glaube nicht. Solche Besiedlungsprojekte gehören ja zur Geschichte des Menschen, immer wieder hat er versucht, irgendwelche Gegenden zu besiedeln. Manchmal ist er gescheitert, wie zum Beispiel jetzt in der Mark Brandenburg, wo Menschen versucht haben, einen Flughafen zu bauen, aber das Projekt soll aufgegeben werden, wie man hört, die Mark Brandenburg ist einfach zu unwirtlich. Andere Vorhaben waren grandios erfolgreich. Zum Beispiel beginnt demnächst wieder die alljährliche Besiedlung der Münchner Theresienwiese, eigentlich ein unbewohnbares Gelände, das aber Jahr für Jahr wieder für zwei Wochen von der Menschheit neu erobert wird.

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Übrigens las ich jetzt von einer Arbeit schwedischer Wissenschaftler, die untersucht haben, wie Pilze tote Baumstämme besiedeln, eine faszinierende Geschichte. Wenn man so einen toten Stamm im Wald sieht, ist er ja oft von Pilzen überwuchert, aber das sind nur die Pilze, die man sieht! Die Schweden haben Löcher in 38 Baumstämme gebohrt, haben das Material untersucht und dabei die DNA von jeweils bis zu 398 Pilzarten gefunden.

Die sichtbaren Schwammerl sind also nur eine extrovertierte Minderheit, die weitaus meisten Pilze arbeiten im Dunkeln, und sie arbeiten auf verschiedenste Weise. Es gibt solche, die sozusagen Erstbewohner sind und den Boden für andere bereiten. Manche Pilzarten kommen gleichzeitig an, bekämpfen sich und müssen dann zu einer friedlichen Koexistenz finden. Bestimmte Pilze sind kooperativ, bestimmte andere von kriegerischer Natur. Andere Funghi sind sozusagen schlafend vorhanden, wachen aber erst auf, wenn ihre Zeit gekommen ist. Manche lieben frisches Holz, weitere kommen per Luft oder durch den Boden und machen sich erst an die Arbeit, wenn der Stamm schon hübsch vorgerottet ist. Gäbe es die Pilze nicht, wären unsere Wälder voll von totem Holz. So jedoch endet die Arbeit der Pilze letztlich mit der Vernichtung der eigenen Existenzgrundlage: dem Baum.

Man kann das, wenn man will, als hübsche Metapher für das Leben der Menschen sehen: Wenn unsere Arbeit getan ist, werden wir die Erde aufgegessen haben und zu einem anderen Planeten weiterziehen müssen. Andererseits sind wir ja nun mal keine Pilze, sondern verfügen über Intelligenz, die meisten von uns jedenfalls, na gut: einige wenige. Und, nebenbei gesagt, stellen wir ja selbst auch eine Art von Planeten dar, besiedelt von Milliarden Mikroben, guten Kleinstlebewesen, bösen Kleinstlebewesen, solchen, die wir brauchen, solchen, die wir bekämpfen müssen. Kommt ein Baby zur Welt, wird es zuerst von bestimmten Bakterien aufgesucht, solchen, die die Existenz anderer überhaupt erst ermöglichen – und dann geht es richtig los, das Leben.

Wir sind also Siedler und Besiedelte, Planeten und Eroberer von Planeten zugleich. Und warum sollte nicht, was wir als Weltall empfinden, nur das Innere eines toten Baumstamms sein, der vor einer Weile in einem sehr großen Wald von einem sehr großen Sturm umgerissen wurde?

Illustration: Dirk Schmidt