Bewusst essen? Jetzt machen Sie sich mal nicht so einen Kopf!

Eine Polemik gegen die Ernährungsforschung. Und dazu zehn Empfehlungen für sorgenfreie Mahlzeiten (natürlich wissenschaftlich begründet).

Der italienische Maler Arcimboldo lebte im 16. Jahrhundert. Eher unwahrscheinlich, dass er an Trennkost dachte, als er dieses Bild malte.
Es gab eine Zeit, als das Essen noch Spaß machte. Die Älteren werden sich erinnern: Damals prahlten die Joghurts, Softdrinks, Chips und Brotaufstriche im Supermarktregal noch nicht damit, wie cholesterinreduziert, fettarm oder vitamingeschwängert sie seien. Gekauft wurde, wozu man Geld und Lust hatte. Gegessen wurde, was auf den Tisch kam, auch fette Braten, schwere Saucen, Sahnetorten und andere Kalorienbomben.

Es war gegen Ende der Siebzigerjahre, als sich die Wissenschaft des Essens bemächtigte: Heerscharen von Lebensmittelchemikern und Haushalts- und Ernährungswissenschaftlern, die sich an den Universitäten vornehm als Ökotrophologen bezeichnen, zerlegten unser Essen, bis es ungenießbar wurde. Aus Essen wurden Nahrungsmittel, aus Nahrungsmitteln Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate. Daraus bastelten Ernährungswissenschaftler lustige Pyramiden, in die sie Essenssymbole packten. Das sah ja auch ganz nett aus, wenn sie Brot und Getreide, Milch und Wurst, Gemüse und Obst neben- und übereinandertürmten. Doch das Essen wurde weiter zerlegt. Plötzlich wimmelte es auf dem Teller von Transfetten, Acrylamiden, Isoflavonoiden, Polysacchariden, Carotinoiden und Tausenden anderen, bedrohlich klingenden Substanzen, die auf -iden endeten. Die Wissenschaft hat unser Essen in seine molekularen Einzelheiten aufgespalten – und das ist uns nicht gut bekommen.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Zehn Tipps, wie Sie Ihr Essen sorgenfrei genießen können und länger und gesünder leben – wenn Sie Glück haben.

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Ein australischer Soziologe hat den Siegeszug der Ernährungswissenschaften über Nahrung und Konsumenten als Nutritionismus bezeichnet. Wie alle Ismen verheißt der Begriff nichts Gutes. Seither belästigen uns Laien wie professionelle Gesundbeter ungefragt mit Empfehlungen zu gesundem Essen und wollen uns weismachen, dass Brokkoli Krebs verhindert, Algen den Haarausfall stoppen und Olivenöl aus einer bestimmten apulischen Südlage die Koronarien frei pustet.

Es gibt spekulative Theorien, warum Essen nach Blutgruppen, Trennkost, Glyxdiäten oder Low-Carb den effektivsten Gewichtsverlust verspricht. Wer Fatburner nimmt, braucht inzwischen ein pharmazeutisches oder ethnologisches Aufbaustudium – sonst ist nicht zu verstehen, was es mit Appetitzüglern aus Ephedrakraut, Yohimbin oder Sibutramin auf sich hat. Oder was Hoodia genau ist, eine kakteenähnliche Pflanze, der in Afrika seit Generationen nachgesagt wird, dass sie den Hunger besänftige.

Kein Apothekenheftchen ohne Ernährungstipps, kein Ferienhotel ohne Wellnessmenü nach Dr. Saftlmoser oder einem anderen alpenländischen Scharlatan, keine Buchhandlung ohne übergewichtige Regalmeter, die unter der Last der Diätratgeber einzukrachen drohen.

Nachdem jahrelang versucht wurde, uns mit wissenschaftlichen Erkenntnissen den Appetit zu verderben, sollte die Ernährungsforschung endlich zugeben, dass sie kaum weiß, was gesund ist. Tendenziell gilt: Es kann nicht schaden, sich nicht zu fett, nicht zu süß und nicht zu üppig zu ernähren – und mehr Grünzeug als tote Tiere zu essen. Aber nicht einmal das ist richtig belegt, und auch diese Binsenweisheiten aus der Küche garantieren nicht automatisch ein langes, gesundes Leben. Die einzig gesicherte Erkenntnis lautet: Essen ist tödlich – denn alle, die ihr Leben lang gegessen haben, sind irgendwann auch gestorben.

Hier zehn Tipps, wie Sie Ihr Essen sorgenfrei genießen können und länger und gesünder leben – wenn Sie Glück haben.

1. Essen Sie, was Ihnen Spaß macht
Immer wieder das gleiche Schauspiel in der Kantine: Die Menschen häufen sich Bratwurst, Cordon bleu oder Schweinshaxe auf den Teller und genehmigen sich zu der Sättigungsbeilage Nudeln noch eine Portion Pommes extra. Dann meinen sie schuldbewusst, sich rechtfertigen zu müssen: »Ich weiß, es ist nicht gesund.« »Doch, es ist gesund«, sollte man ihnen zurufen. Wenn du Lust darauf hast und dich darauf freust, beim Essen mit den Kollegen nicht über den Ärger im Büro, sondern über das vergangene Wochenende zu reden oder über das Konzert, das du dir anhören willst. Wer hingegen aus Frust isst, in Hektik oder voller Zorn, für den kann ein Eisbein oder die Fleischpflanzl à la Mayer zur gesundheitlichen Bedrohung werden. Ein Soja-Burger oder das Schollenfilet allerdings auch.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum Vitamintabellten Unsinn sind und der Apfel bis heute ein Mysterium ist.

2. Vermeiden Sie Essen mit Nahrungszusätzen
Der Glaube an Nahrungsergänzungsmittel und Vitaminzusätze ist ungebrochen. Was in Obst, Gemüse, Fleisch und Getreide gesund ist, hat in Pulver- und Tablettenform jedoch wenig Nutzen und kann sogar schaden. Seit Jahren ist bekannt, dass durchschnittlich gesunde Menschen, die sich durchschnittlich ernähren, nicht fürchten müssen, mit Vitaminen unterversorgt zu sein. Skorbut, Rachitis oder Beriberi sind keine Bedrohung in Ländern, in denen die Menschen genug zu essen haben.

Inzwischen haben mehrere Studien sogar gezeigt, dass die vermeintlich gesunden Pülverchen die Lebenserwartung verkürzen können. Schon in den Neunzigerjahren hat sich die schädliche Wirkung der Vitaminzusätze angedeutet. »Die Leute glauben, dass durch Vitaminzusätze aus ungesunden Lebensmitteln gesunde werden«, sagt der Ernährungswissenschaftler Volker Pudel von der Universität Göttingen, einer der wenigen seiner Zunft, die man guten Gewissens zitieren kann. Bis zu ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland nehmen Vitaminpräparate oder andere Nahrungsergänzungsmittel. »Wir haben einen Ernährungs-Analphabetismus, deswegen wird jedes Werbeversprechen geglaubt«, sagt Ulrich Oltersdorf von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Karlsruhe.

Glaubt man der Werbung, können die Zusatzpräparate die Arterien elastisch erhalten und vor Verkalkung schützen, Krebs verhindern und die geistige Leistungskraft stärken. Zusätzlich helfen die Vitamine aus der Dose angeblich gegen Ermattung und bauen das Immunsystem auf. Nur: Ihre lebenswichtigen Wirkungen entfalten lediglich Vitamine, die in gewachsenen Nahrungsmitteln enthalten sind und mit diesen aufgenommen werden. Vitaminzusätze erfüllen diese Funktion nicht, egal ob Einzel- oder Multivitaminpräparate, Tabletten, Pulver oder Säfte. »In einem Apfel sind schätzungsweise tausend verschiedene Substanzen enthalten, wir kennen noch nicht alle«, sagt Ulrich Oltersdorf. »Das Vitaminpräparat ist aber nur ein Stoff. Unser Körper braucht das Zusammenspiel aller Stoffe.«

Dass Glaube und Weltanschauung stärker sind als wissenschaftliche Beweise, zeigen die hartnäckigen Mythen rund um die Vitamine. Seit Jahren ist bekannt, dass Vitamine in Überdosis er-hebliche Nebenwirkungen auslösen können. Betacarotin, eine Vorstufe des Vitamins A, erhöht bei Rauchern das Krebsrisiko. Zu viel Vitamin A kann zu Gelbsucht führen, zu viel Vitamin B6 zu Nervenstörungen, Vitamin C im Überfluss begünstigt Nierensteine und Durchfall, eine Überdosis Vitamin E hemmt die Blutgerinnung, zu viel Vitamin D schwächt die Muskeln und lässt innere Organe verkalken. Eine große Übersichtsstudie hat im Frühjahr 2007 sogar ergeben, dass die Vitaminzusatzpräparate Betacarotin, Vitamin A und E nicht nur nichts nützen, sondern das Leben verkürzen können.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Misstrauen Sie Slogans wie »Schokolade macht glücklich«

Ob wissenschaftliche Untersuchungen Vitamingläubige überzeugen können, ist zweifelhaft. Hartnäckig hält sich die Mär, dass Lebensmittel immer weniger Nährstoffe enthalten. Durch die moderne Nahrungsmittelproduktion mit Kunstdünger und Pestiziden seien die Pflanzen ausgelaugt, so die Behauptung. Alles Humbug. Seit fünfzig Jahren untersucht die Deutsche Gesellschaft für Ernährung eine typische Auswahl an Nahrungsmitteln. Seit einem halben Jahrhundert sind die Schwankungen im Nährstoffgehalt so minimal, dass nichts darauf hinweist, dass Lebensmitteln ihre Vitamine abhanden gekommen sind.

3. Misstrauen Sie Slogans wie »Schokolade macht glücklich«
Vor Jahren erschien eine Studie im angesehenen Fachblatt New England Journal of Medicine, die Walnüssen immensen gesundheitlichen Nutzen bescheinigte, indem sie das Infarktrisiko senkten. Der einzige Haken an der Sache: Man hätte 250 bis 300 Gramm Walnüsse täglich zu sich nehmen und fast alle anderen Fette durch Walnüsse ersetzen müssen, um die gefäßschonende Wirkung zu erreichen.

Ähnliches zur Lage des Weines: Es waren erstaunlich oft Forscher aus Bordeaux, dem Chianti oder Nappa Valley, die entdeckt haben wollten, welch segensreiche Schutzwirkung im Wein steckt. Inzwischen gibt selbst die Wissenschaft zu, dass dies nicht stimmt. »Die Botschaft ist klar«, schrieb Rod Jackson von der Universität Auckland 2005 im Fachblatt The Lancet. »In keiner Dosis ist der Nutzen des Alkohols größer als der Schaden.« Die neuseeländischen Mediziner um Jackson entdeckten, dass viele Forscher an die positive Wirkung des Alkohols glauben wollten und darüber wissenschaftliche Standards vernachlässigten. So wurden beim Vergleich von gemäßigten Trinkern und Abstinenzlern auch ehemalige Trinker zu den Abstinenzlern gezählt. Ehemalige Trinker, die aufgehört hatten, weil sie krank geworden waren. Dies erwähnten die Forscher nicht – kein Wunder also, dass die gemäßigten Trinker im Vergleich gesünder waren.

Neben solchen Tricks sind Untersuchungen beliebt, in denen ein Stoff genauer untersucht wird. Gern in einer Dosis, die der zehnfachen Menge entspricht, die üblicherweise verzehrt wird, gern im Tierversuch mit gentechnisch veränderten Mäusen, die besonders empfindlich auf die Substanz reagieren. »Mice tell lies« – Mäuseversuche führen in die Irre, um es freundlich zu übersetzen.

4. Vermeiden sie Nahrungsmittel, die sich als sehr gesund anpreisen
Die Kartoffeln, die auf dem Marktstand oder am Eingang des Supermarktes lose herumliegen, sind stumm. Sie können sich nicht anpreisen ebenso wenig wie der Wirsingkohl, die Karotten, Kohlrabi oder Äpfel. Auf ihnen findet sich kein Etikett, das ihren hohen Vitamin-, Mineral- oder Ballaststoffgehalt verkündet. Ein paar Regale weiter schreit es dem Käufer entgegen: Bonbons, die den Vitaminbedarf einer kompletten Fußballmannschaft decken, Fruchtjoghurt, der alles Wichtige aus einem Liter Milch enthält, Chips, die fett- und salzreduziert sind und trotzdem Unmengen Kalzium, Magnesium und ein paar unaussprechliche Wohltaten beinhalten.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: »Fünf lebenswichtigen Bausteine in Nutella« kann das sein?

Durch diesen Parcours der Selbstanpreisungen kommen Sie ganz einfach: Kaufen Sie nichts, was Sie nicht aussprechen können, was Ihnen unbekannt vorkommt oder was laut Verpackung mehr als drei gesunde Inhaltsstoffe enthält. Angeblich gesunde Zutaten und Inhaltsstoffe braucht ihr Körper nicht, auch nicht »die fünf lebenswichtigen Bausteine in Nutella«.

Lebensmittelchemiker, Produktdesigner und Geschmacksentwickler haben es geschafft, aus Getreide, Gemüse, Fisch, Fleisch und Milch Mischprodukte zu fabrizieren, deren Inhalt nach Bedarf kombiniert werden kann. Sie stammen nicht vom Feld oder aus dem Stall, sondern aus dem Labor. Wer im Supermarkt kauft, hat sich gewöhnt an Obstsäfte ohne Obst, Müsliriegel ohne Getreide und Kaffeesahne ohne Milch. Wenn, wie bei Fischstäbchen oder Fertigsuppen, nicht mehr zu erkennen ist, worum es sich handelt, zeigt die Verpackung, was drin sein soll.

Als Faustregel kann gelten: Je weiter das angebotene Erzeugnis von dem Nahrungsmittel entfernt ist, das es sein soll, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass es industriell bearbeitet ist und Geschmacks-verstärker, Aromastoffe, Konservierungsmittel und einen Mix an Vitaminzusätzen und anderem Unfug enthält. Überlegen Sie, ob Ihre Ururoma vor achtzig Jahren diese Erzeugnisse für etwas Essbares oder eher für ein Produkt der chemischen Industrie gehalten hätte.

5. Kaufen sie auf dem Markt ein statt im Supermarkt und kochen sie selbst
Das sind zwei einfache Empfehlungen, mit denen sich die größten Dummheiten bei der Nahrungssuche vermeiden lassen. Wer selbst kauft und zubereitet, was er zu sich nimmt, der achtet stärker auf Abwechslung, gute Produkte und reiche Auswahl.

6. Halten Sie sich nicht an Diätpläne
Es gibt keine Diät, die hält, was sie verspricht. Außerdem leben nicht die Menschen mit vermeintlichem Idealgewicht am längsten und gesündesten, sondern jene mit leichtem Übergewicht. Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen.Wer trotzdem abnehmen will, kommt um die Erkenntnis nicht herum, dass nur zwei Methoden das Gewicht reduzieren: weniger essen oder mehr Energie verbrauchen. Es ist die gute alte »Friss die Hälfte«- oder, wer es vornehmer will, »Hara Hachi Bu«-Regel. Das ist japanisch, wird von den langlebigen Inselbewohnern Okinawas praktiziert und bedeutet: Iss nur so viel, bis du dich zu etwa 80 Prozent satt fühlst. Alle anderen Diäten und Schlankheitskuren haben sich als unseriös oder unpraktikabel erwiesen – manche sogar als gefährlich, etwa wenn Appetitzügler mit Quellstoffen in der Speiseröhre stecken bleiben oder – weiter unten – zu Darmverschluss führen.

Manche Diäten setzen nur auf Fleisch, andere auf Grünzeug. Beide Extreme sind ungesund. Bisher galt kohlenhydratreiche Kost mit geringen Anteilen von Fett und Eiweiß als gesundheitsfördernd. Seriöse Vergleiche gab es kaum. Eine Studie, 2005 im Journal of the American Medical Association veröffentlicht, hat auch diese Vorstellung über die optimale Verteilung der Nahrungsbestandteile durcheinandergebracht: Die als ungesund geltende Protein-Diät und die Fett-Diät schnitten besser ab als die Kohlenhydrat-Mast.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Dünn heißt nicht gleich gesünder

Wenn übergewichtige Menschen abnehmen wollen, verbessern sie damit nicht zwangsläufig ihre Gesundheit. Finnische Wissenschaftler haben entdeckt, dass allein der Versuch, immer wieder abzunehmen, auf Dauer ungesünder sein kann, als wenn Übergewichtige ihr Gewicht halten oder sogar noch zulegen.

7. Zahlen sie mehr, essen sie weniger
Sie gehören zu einer neuen urbanen Elite. Ihr Lieblingswort ist »nachhaltig«, sie trinken Bionade, versuchen den CO2-Ausstoß zu reduzieren, halten Al Gore für einen bedeutenden Mann und fühlen sich gut. Sie gehören nicht zu den Ignoranten, die mehr für Motoröl als für Olivenöl ausgeben. Vielleicht schwören sie sogar auf Fleur de Sel, ein Meersalz, das im Verdampfungsverfahren an der französischen Atlantikküste gewonnen wird und sieben Euro pro 100 Gramm kosten kann. Um es zu gewinnen, wird Meerwasser mit Sonne und Wind verwöhnt, bis sämige Sole übrig bleibt, deren »Blume« abgeschöpft wird.

Solche Menschen gibt es, wenn auch in der Minderheit. In den USA ist der Begriff »Lohas« für diese neue Klasse der Jungen, Gesundheitsbewussten und Reichen geprägt worden – eine Abkürzung für »Lifestyle of health and sustainability«. Mit müslikauenden Ökozauseln der Achtziger wollen diese Menschen nichts gemein haben, sie setzen auf überlegenes Bewusstsein statt linksdrehende Schrotmühlen.

Es ist zwar mehr als fraglich, ob eine Bio-Limonade aus Unterfranken, Salz von ölverpesteten Stränden und andere Ernährungsmoden, auf ihren Kern reduziert, irgendeinen gesundheitlichen Vorteil bieten. Macht nichts, denn allein das beruhigte Gewissen und die Überzeugung, mit der richtigen Gesinnung etwas für den Weltfrieden, gegen globale Agrarmultis und für das eigene Immunsystem zu tun, setzen ungeahnte Placeboeffekte frei. Eine Placebowirkung kann Beschwerden um bis zu 30 Prozent lindern – oder das Wohlbefinden um 30 Prozent steigern. Ergebnis: Wer glaubt, dass er etwas für seine Gesundheit tut, fühlt sich besser. Wer glaubt, dass er gesund isst, ist auch gesünder.

8. Essen Sie wie ein Allesfresser
Wenn es darauf ankommt, können Wissenschaftler fast jedes Gericht zum Allheilmittel deklarieren. Deshalb: Essen Sie alles und möglichst vielseitig, dann können Sie wenig falsch machen.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Sogar Pizza kann man sich schön forschen: Was Mailänder Wissenschaftler herausfanden

Sogar Pizza kann man sich schön forschen. Mailänder (!) Wissenschaftler haben 1000 Patienten zu ihren Ernährungsgewohnheiten befragt – 500 hatten einen Infarkt, die anderen 500 waren aus anderen Gründen in der Klinik. Dabei kam heraus, dass das Herzinfarktrisiko bereits bei gelegentlichem Pizzaverzehr um 22 Prozent sank, bei regelmäßigem Genuss sogar um 38 Prozent.

Die Fachwelt weiß, dass die Verteilung der Herz-Kreislauf-Leiden in Europa unregelmäßigen Gesetzen folgt. Während in Schottland mehr als 300 von 100000 Einwohnern jedes Jahr einen Infarkt erleiden, sind es in Südfrankreich nur 50. »Französisches Paradox« heißt dieses Phänomen, denn auch die Franzosen ernähren sich cholesterinreich und fettig. Jetzt also das »italienische Rätsel«.

Für Ernährungswissenschaftler war die Pizza-Studie ein gefundenes Fressen. Jorge Gómez-Aracena von der Universität Málaga fand das Ergebnis »nicht überraschend«, schließlich seien in der Pizza – wie auch im spanischen Nationalgericht Gazpacho – viele Tomaten enthalten, in denen hohe Konzentrationen an Lycopenen vorkämen. Diese hätten antioxidative Eigenschaften und würden deshalb vor Herzinfarkt schützen.

Andere Forscher betonten, dass es eher darauf ankomme, wie gegessen wird. Das heitere Mahl in beschwingter Runde, währenddessen in Italien eben häufig Pizza gegessen werde, habe günstigere Auswirkungen auf die Gesundheit als mancher Vitamin- und Rohkostcocktail. Bei einem entspannten Essen sei die Konzentration der Stresshormone niedriger. Kein Wunder, dass sowohl in Frankreich als auch in Italien, wo das Essen einen zentralen Stellenwert im Alltag einnimmt, die Herz-Kreislauf-Erkrankungen seltener seien als in nördlicheren Ländern.

9. Essen Sie nie mit Leuten, die ständig übers Essen reden
Bei diesen Menschen dreht sich alles um das Essen. Allerdings nicht um die Frage nach dem passenden Restaurant für den Abend oder die Speisefolge, sondern um Nährwert, Kalorientabellen und Vitamingehalt. Sie kennen jeden Speisefisch beim Vornamen und sie wissen ganz genau, welchen Anteil an ungesättigten Fettsäuren er enthält und auf welchem Stand die radioaktive Abklingrate böhmischer Pfifferlinge im Jahr 21 nach Tschernobyl gerade ist.

Solche Menschen sind die offensichtlichsten Opfer der Ernährungswissenschaftler und ihrer Epigonen in Industrie und Werbung. Ihr Hauptsymptom: Sie sind besessen vom gesunden Essen – als Orthorexie bezeichnen Ärzte und Psychologen das Beschwerdebild, wenn alle Gedanken nur noch auf eine möglichst gesunde und schadstoffarme Nahrungsauswahl gerichtet sind. Hier hilft nur eins: Gehen Sie solchen Menschen aus dem Weg.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Bleiben Sie bei Ihren Schäufele mit Spätzle, bei Grünkohl mit Pinkel oder Schweinebraten.

10. Ahmen Sie keine fremden Essgewohnheiten nach

Wenn Sie auf der Schwäbischen Alb oder im Münsterland wohnen, müssen Sie nicht die Rituale der Inuit nachahmen und rohes Seehundfleisch verzehren – auch wenn Sie aufgeschnappt haben, dass dieses reichlich Omega-3-Fettsäuren enthält. Sie müssen auch nicht Kefir trinken wie die Bulgaren, Maniok essen wie die Buschmänner oder an einer Yamswurzel herumkauen. Auch wenn Sie in einer Frauenzeitschrift gelesen haben, dass eine Schauspielerin auf diese Ernährungsweise schwört – es bringt nichts. Denn egal, ob die Diät aus Kreta, den transsilvanischen Alpen oder aus dem ewigen Eis stammt: Es kommt nicht darauf an, was gegessen wird – sondern wie.

Bleiben Sie bei Ihren Schäufele mit Spätzle oder bei Grünkohl mit Pinkel. Sie haben sehr viel für Ihre Gesundheit getan, wenn Sie Ihre regionalen Spezialitäten genussvoll wie ein kretischer Hirte, genügsam wie ein Eskimo nach der Robbenjagd oder ausgelassen mit guten Freunden wie am Mittelmeer zu sich nehmen.

Es ist wichtiger, welchen Stellenwert als welchen Nährwert das Essen hat. Was nehmen Franzosen zu sich? Wildschwein, Gänseleber, Baguette, Rillette, Unmengen von Wein – alles Dinge, die nach herkömmlicher Ernährungslehre schwer und fett sind und die Arterien zukleistern müssten. Liegt es womöglich an den Fröschen und Schnecken auf dem französischen Speiseplan, deren Wirkung als Gefäßöffner bislang nur noch nicht ausreichend erforscht wurde?

Nein, es ist vielmehr die Bedeutung, die dem Essen und dem gemeinsamen Mahl zugeteilt wird, die französische Herzen und Adern schont. Es wird zelebriert, gemeinsam am Tisch zu sitzen und Speisefolgen aufzutragen. In vielen Kliniken wird verfette-ten, vereinsamten Menschen mit verkalkten Gefäßen stereotyp »mediterrane Ernährung« empfohlen. Wer sich jeden Tag missmutig ein paar Löffel kalt gepresstes Olivenöl einflößt, der wird davon gewiss keinen gesundheitlichen Nutzen haben. Besser würde auf dem ärztlichen Rezept stehen: »Laden Sie ein paar Freunde zu Schweinebraten, Nudelauflauf oder Eintopf zu sich nach Hause ein.«