Die Gewissensfrage

Steuern über die Tochterfirma im Ausland abwickeln - ist diese Steueroptimierung legal, oder sollte man zahlen, was zu zahlen ist?

»Ich bin Geschäftsführer eines studentischen Ingenieursdienstleisters. Einen Großteil der Aufträge erhalten wir aus dem arabischen Raum, es wäre ein Leichtes, sie steuerfrei über eine dortige Tochterfirma abzuwickeln. Ich fühle mich nun einerseits den Anteilseignern verpflichtet, eine finanziell optimale Lösung à la Apple zu finden. Andererseits habe ich diese Modelle zu Lasten der Allgemeinheit bisher kritisch gesehen. Steueroptimierung ist legal, dürfen wir diesen Weg auch einschlagen?«  Johann R., Kassel

Im Grunde vertrete ich die Auffassung, dass man im Zusammenhang mit Steuern moralisch nicht mehr fordern kann, als das zu zahlen, wozu man verpflichtet ist. Allerdings komme ich bei den Berichten über die Steuervermeidungspraktiken großer Unternehmen ins Grübeln. Mir ist nicht einsichtig, wie es möglich sein kann, dass Firmen ganz legal weniger Steuern zahlen, nur weil sie irgendwo auf der Welt ein Schild an eine Tür schrauben und dort – überspitzt ausgedrückt – eine Bürokraft beschäftigen, die nichts anderes macht, als Papiere über ihren Schreibtisch oder Buchungen über ihren Computer laufen zu lassen.

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Dass dies möglich ist, stellt meines Erachtens – vor allem, wenn es innerhalb der Europäischen Union geschieht – ein eklatantes Versagen der Politik dar. Und das führt zur Frage, ob es richtig ist, dieses Versagen planvoll auszunutzen. Schließlich können die Unternehmen ihre Gewinne nur machen, weil ihnen die Infrastruktur der Staaten für ihre Geschäfte, Mitarbeiter und Kunden zur Verfügung steht. Und diese Infrastruktur wird nun einmal aus Steuermitteln unterhalten.

Ihr Fall nun treibt es plakativ auf die Spitze. Sie schreiben, dass Ihre Firma ein »studentischer Ingenieursdienstleister« ist. Das heißt, während (!) Sie hier eine vom Steuerzahler bezahlte Universität besuchen, überlegen Sie, die Anwendung dessen, was Sie dort lernen, so zu gestalten, dass Sie selbst möglichst wenig Steuern zahlen, sich also an den Kosten für diese Ausbildung möglichst wenig beteiligen.
Das zeigt die Schieflage deutlich. Steuern sparen zu wollen ist verständlich und zunächst auch nicht verwerflich. Bei genauerer Betrachtung muss man jedoch erkennen: Mit der Maxime, durch besondere Konstruktionen weniger oder keine Steuern zu zahlen, als allgemeinem Gesetz lässt sich – wörtlich – kein Staat machen.

Illustration: Serge Bloch