»Alles kann schiefgehen«

Ob beim Fußball-Champions-League-Finale, Formel-1-Rennen oder im Flugzeug: Attila Dogudan liefert jedes Jahr bis zu hundert Millionen Mahlzeiten aus. Ein Gespräch mit dem erfolgreichsten Caterer der Welt.

SZ-Magazin: Herr Dogudan, ohne Niki Lauda wären Sie nicht da, wo Sie heute sind, stimmt das?
Attila Dogudan:
Nur zum Teil. Zu der Zeit, als Niki Lauda seine Lauda Air gründete, war er Stammgast in meinem Wiener Delikatessenladen, der anfangs nicht besonders gut lief. Irgendwann fragte er, ob er das gleiche Essen wie im Restaurant auch im Flieger haben könnte. So hat das Airline-Catering begonnen.

Sie sind erst mal zwei Wochen nonstop mit Lauda Air geflogen, um zu erfahren, wie man Bordmenüs gut macht?
Stimmt. Ich musste ja zuerst herausfinden, was beim Essen alles falsch läuft, zum Beispiel dass Brötchen nicht aufgebacken und Wiener lauwarm serviert wurden.

Hat sich wohl gelohnt. Heute kochen Sie Bordmenüs für 60 Fluglinien, darunter so riesige wie Emirates und Turkish Airlines.
Niemand fliegt nur wegen des Essens, aber gutes Essen ist das billigste und emotional beste Marketing-Instrument, das eine Fluglinie hat. Ich kann Fluglinien nicht verstehen, die ihre Kunden, besonders in der Economyclass, so schlecht behandeln. Wegen der Ersparnis von ein paar Cent oder Euro. Es ist doch interessant festzustellen, dass in der Geschichte der Fliegerei noch keine Fluglinie ihr Geschäftsergebnis verbessern konnte, die Essen gestrichen hat.

Verdanken Sie Niki Lauda auch, dass Sie heute 17 von 20 Formel-1-Rennen mit Essen versorgen?
1992 war beim Formel-1-Rennen in Budapest der Caterer ausgefallen und wir in Wien waren nah dran. Niki war behilflich, aber nicht Initiator. Es sind immer Zufälle, die einem solche Möglichkeiten eröffnen.

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Wie viele Mahlzeiten verkaufen Sie jährlich?
Ich schätze, zwischen 60 und 70 Millionen, vielleicht sind es sogar hundert.

Und die schmecken wirklich alle?
Ja, hoffe ich zumindest. Mein Unternehmen DO & CO steht für beste Qualität und Dienstleistung, egal wo und für wie viele Menschen das Essen serviert wird. Kochen ist auch bei großen Mengen kein Fließbandjob, man schmeckt die Leidenschaft heraus, das ist eine Tatsache. Unsere Kunden erwarten von uns weltweit einen gleich hohen Standard, deswegen kommen sie ja zu uns. Wir haben in 25 Städten wie New York, London und Istanbul Küchen – mit über 7000 Mitarbeitern weltweit. Ich mag solche Zahlen aber nicht. Mir geht es grundsätzlich um Qualität, da würde ich niemals um eines höheren Umsatzes willen Abstriche machen.

Formel 1 und Bordmenüs sind bei Weitem noch nicht alles. Sie beliefern auch noch seit 2004 die Fußball-Europameisterschaften, dieses Jahr in London das Champions-League-Finale, das ATP-Tennisturnier in Madrid, das Reitturnier in Aachen. Gibt es überhaupt noch größere Caterer?
Ja. In der Airline- und Kantinenindustrie. Wir sind aber einer der wenigen im absoluten Premiumsegment und gleichzeitig der kleinste unter den Weltgrößten.

Und trotzdem richten Sie auch noch meine Gartenparty aus. Oder habe ich zu wenig Freunde?
Überhaupt nicht. Wir richten an unseren Standorten täglich zwischen zehn und 20 Partys mit 20 bis 50 Gästen aus. Der Grund, warum wir das Catering für Champions-League-Finale übernehmen durften, ist ja, weil wir für 11 000 Menschen genauso verlässlich gut kochen wie für 20 Gäste.

Ab wie viel Euro kommen Sie zu mir nach Hause?
Kann man so nicht sagen. Sie können sich gern nur die Speisen liefern lassen und
diese dann selbst servieren, dann geht es schon um 50 bis 60 Euro pro Person. Wenn Sie volles Programm möchten, das heißt mit Personal, Geschirr, Tischen, Blumen etc., geht es ab hundert Euro los. Wohl genauso viel oder wenig wie bei Käfer oder Dallmayr. Sie können bei uns viele Zusatzleistungen buchen: von Idee, Konzept, Design durch hauseigene Architekten bis zu Details wie Dekoration, Blumen, Künstlern. Unsere Kunden lieben One-stop-Shopping und haben gern nur einen Gesamtverantwortlichen, der auch während der Veranstaltung Regie führen kann.

Für eine Dekoration wie aus dem alten Rom könnten Sie auch sorgen?
Natürlich. Sogar mit Originalspeisen dieser Zeit. Wir machen grundsätzlich alles, was Sie glücklich macht. Aber wir sagen auch jedem Gastgeber geradeheraus, wenn wir etwas für nicht richtig halten.

Was ist denn ein typischer Fehler als Gastgeber?

Nicht authentisch zu bleiben. Wenn Sie wirklich Spaß haben an Verkleidung, dürfen Sie sich ruhig verkleiden, aber machen Sie nichts, was Ihnen nicht entspricht.

Sie haben das weltberühmte »Café Demel« gekauft, Sie führen Restaurants, ein »DO & CO-Hotel« in Wien und bald auch in Istanbul. Ist das nicht ein ganz anderes Geschäft als Bordmenüs zu kochen?

Wir wollen immer »best in class« sein, wir bewegen uns aber nicht nur im Luxussegment. In Österreich haben wir gerade eine neue Gourmet-Linie entwickelt, die HENRY heißt und für gesundes Essen steht. Eine andere Art des schnellen Essens, eben kein Fast Food im klassischen Sinn, sondern gutes Essen aus aller Welt; kalte und warme Speisen, Desserts, Sandwiches, Salate, Suppen; täglich frisch zubereitet und ohne jegliche Zusatzstoffe oder Konservierungsmittel.

Sie haben 50 Tochterunternehmen. Mischen Sie sich noch ein, wenn das Buffet für ein Formel-1-Rennen zusammengestellt wird, oder delegieren Sie das?
Wir haben mittlerweile ein sehr gutes Team, das sehr motiviert und kreativ arbeitet. Bei der Endabnahme bin ich manchmal noch dabei, als eine Art letzte Qualitätskontrolle, bevor das Essen dann auf die Gäste losgelassen wird.

»Heutzutage geht kaum jemand in ein Restaurant, weil großer Hunger die Triebfeder wäre.«

Entscheiden Sie allein, für welchen Event Sie einen Auftag übernehmen?
Überhaupt nicht, das macht die Eventcrew selbstständig. Die Frage ist ja außerdem nicht, ob uns ein Kunde passt, sondern eher umgekehrt. Uns ist keiner zu klein und keiner zu groß.

Wie viel Zeit verbringen Sie im Flugzeug?
Ich schätze, 800 bis 900 Stunden im Jahr, so viel wie ein Berufspilot.

Haben Sie eine Lieblingsfluglinie?
Ich fliege alles kreuz und quer, auch viel in der Economy. Nur wer viel fliegt, weiß, wie das Essen und der Service dann tatsächlich beim Passagier ankommen. Unser Job ist nicht vom Schreibtisch fernsteuerbar.

Sie kennen die ganze Welt. Gibt es ein Gericht, das allen schmeckt?
Fast allen Menschen schmeckt italienische Pasta oder ein Wiener Apfelstrudel. Entscheidend ist etwas anderes. Man muss immer zuerst die Gäste analysieren: Woher kommen sie, was ist für sie etwas Besonderes, was essen sie nicht jeden Tag? Eine Pasta ist in Italien nichts Besonderes, aber beliebt in Asien, umgekehrt wird man in Japan mit noch so gutem Sushi keinen großen Eindruck hinterlassen, während es in Europa sehr geschätzt wird.

Essen die Leute auch noch Schnitzel bei Ihnen oder wollen alle nur noch leicht und gesund essen?
Schnitzel sind ein Dauerbrenner, werden aber seltener bestellt, wegen der höheren Kalorien. Dafür gibt es mehr mediterrane Küche, Tapas und frischen Fisch und asiatisches Essen wie Gemüse aus dem Wok.

Stellen Sie vermehrt südländische und asiatische Köche ein?
Wir stellen Köche ein, die mit dem Herzen kochen, das ist das Wichtigste, egal woher sie kommen. Aber natürlich stellt man keinen Pizzabäcker an den Wok. Die Thai-Köchin am Buffet oder hier im »DO & CO-Restaurant« am Stephansplatz kocht so, wie in Bangkok auf der Straße gekocht wird. Die Straßenküche ist ohnehin die beste. Selbst bei Formel-1-Rennen sind die Zeiten längst vorbei, wo Hummer und Kaviar Eindruck machen konnten. Es geht um gute Ideen und Perfektion im Detail. Essen ist Unterhaltung, heutzutage geht kaum jemand in ein Restaurant oder zu einer Veranstaltung, weil großer Hunger die Triebfeder wäre.

Was ist der Unterschied zwischen Party- und Eventcatering?
Zur Party geht man, weil man Spaß haben möchte. Ein Event ist ein inszeniertes Theater, um eine Botschaft zu vermitteln, wie die Vorstellung eines neuen Autos. Und wir sind die Erfüllungsgehilfen, die alles tun, damit die Botschaft über die Medien gut an den Mann kommt. Die Menschen gehen zu Events, weil sie in der Zeitung stehen wollen. Eventveranstalter denken zuerst an die Medien, dann an die Gäste.

Was kann beim Catering alles schiefgehen?
Fast alles. Es gibt kaum etwas, was nicht schiefgehen kann. Aber man lernt im Leben ausschließlich durchs Verlieren. Der absolute Supergau wäre natürlich für jeden Caterer eine Lebensmittelvergiftung, davon blieben wir allerdings Gott sei Dank verschont. Die zweitschlimmste Panne: Das Essen kommt nicht rechtzeitig an. Ist uns mal vor zwanzig Jahren bei einem Fest in der Wachau passiert, der Lkw hat die Brücke verpasst und stand auf der falschen Seite der Donau in Sichtweite. Die Party fand in einem wunderschönen Schloss statt. Wir haben dann einen Einmarsch der Köche inszeniert, das hat uns über die Zeit gerettet und alle haben geklatscht. In unserem Job müssen Sie immer improvisieren können. Ein gutes Fest ist ohnehin nur bis zu einem gewissen Punkt planbar, der Rest muss entstehen. Wenn Gastgeber nicht gut beraten werden, kann es leicht passieren, dass sie sich verzetteln, zum Beispiel mit zu langen Reden. Es gibt wohl nichts Langweiligeres.

Schon mal ein Partyzelt abgefackelt?
Kein ganzes, aber ein Zeltdach in der Küche schon. Alle zehn Jahre vergisst jemand eine Pfanne mit heißem Öl auf dem Gasherd. Dann passiert eben so etwas. Wir sind auch nur Menschen und machen Fehler.

Bei welchen Prominenten-Hochzeiten haben Sie das Catering gemacht?
Ist nicht wichtig. Wenn Alicia Keys bei uns im Restaurant isst, dann bleibt sie privat, und das war’s. Die Medien bekommen von uns keine Informationen. Wirkliche Prominente schätzen es sehr, dass sie bei uns ungestört sind.

Über Sie persönlich weiß man wenigstens, dass Sie als Kind mit Ihren Eltern aus Istanbul nach Wien gezogen sind, dass Sie ein Ferienhaus auf Ibiza besitzen, dass Frau und Söhne in Barcelona leben und Sie sich eine Yacht mit Niki Lauda teilen.

Stimmt, aber bei der Yacht handelt es sich um ein Schlauchboot. Wir sind vor Jahren von Wien nach Barcelona gezogen, weil ich wollte, dass meine Söhne mehrsprachig aufwachsen und eine internationale Ausbildung bekommen. Danach haben sie in England studiert. Marius arbeitet jetzt im Formel-1-Catering, Attila Mark kümmert sich um HENRY, unsere neue Gourmet-Shop-Kette. Alle leben überall, und zu Weihnachten treffen wir uns dann in Barcelona.

Sie sind berühmt für gutes Essen, können aber selbst nicht kochen, richtig?
Ja, ich habe nach wie vor keine Ahnung vom Kochen, und das ist auch gut so, weil ich unser Essen so beurteile wie Sie, nämlich als Konsument. Okay, ein Steak kann ich anbraten, aber ich bekomme keine einzige komplizierte Sauce hin. Verkostungen sind bei uns in der Regel mit Nicht-Fachleuten besetzt.

Sie sagten einmal, Sie wollten der Louis Vuitton der Caterer werden? Warum?
Sehen Sie, ich ziehe besonders vor Bernard Arnault und seinem Unternehmen Louis Vuitton den Hut. Ich sehe solche Namen als Synonym für nachhaltige Qualität über Generationen. Leider definiert sich unsere Industrie noch viel zu viel über den Preis und ist damit noch weit entfernt von einer Welt der Marken. Die Gesellschaft hat noch keine ausreichende Sensibilität für Qualität und dafür, wie viel gutes Essen kosten muss. Alle wollen Freilandhühner, aber nur wenige sind bereit, dafür auch einen fairen Preis zu bezahlen. Wenn es möglich ist, eine Handtasche für mehrere Tausend Euro zu verkaufen, dann muss auch eine tolle Schokolade für zehn Euro an den Mann zu bringen sein.

ATTILA DOGUDAN,
1959 in Istanbul geboren, als Kind nach Wien gezogen. Sein 1981 in Wien gegründetes Unternehmen DO & CO ist inzwischen eine Aktiengesellschaft und hat Niederlassungen in New York, London, Barcelona, Istanbul und München. Neben dem Catering der Formel 1 und zahlreicher anderer Sportveranstaltungen führt Dogudan, mit einem Umsatz von über 550 Millionen Euro, auch Hotels, Restaurants und das Wiener Traditionshaus »Café Demel«.

Illustration: Damien Florébert Cuypers