Das Beste aus aller Welt

Man müsse Wolken mehr in unseren Alltag integrieren, sagt ein britischer Wolken-Liebhaber. Aber was ist, wenn sie eines Tages über unseren Sofas abregnen?

Wolken haben wir genug gehabt in diesem Jahr, am liebsten möchten wir für Restzwotausenddreizehn keine einzige mehr sehen. Jedoch scheint es, als würden die Wolken immer noch bedrohlicher, ja, aggressiver. Aus Prineville im US-Bundesstaat Oregon wird Folgendes gemeldet: Dort befindet sich ein großes Datenzentrum der Firma Facebook. Es beherbergt eine sogenannte Cloud, das ist eine Wolke aus Daten, was bitte schön als Metapher zu verstehen ist, in Wahrheit sind es halt Computer. Solche Clouds gibt es mittlerweile überall auf der Welt, man muss dann seine Daten nicht mehr auf dem Firmencomputer oder daheim speichern, sondern kann sie in die Clouds, große Speicher überall auf der Welt, auslagern. Das ist kostengünstiger und vor allem spart es den amerikanischen und britischen Geheimdiensten das ewige Rumgesuche nach unseren Geheimnissen. Hier haben sie alles schön beieinander.

Zurück nach Prineville. Dieses Datenzentrum wird mit einer sehr modernen Klimaanlage gekühlt, die aber eines Tages (die Sache passierte vor zwei Jahren, wurde aber jetzt erst bekannt) defekt war, so dass heiße Luft, die eigentlich nach draußen gepustet werden sollte, immer wieder im Kreislauf durch die Anlage gejagt wurde, sich dabei mit Feuchtigkeit anreicherte – was am Ende dazu führte, dass sich im Gebäude eine Wolke bildete, eine Wolke in der Cloud also. Und es regnete. Im Haus. Auf die Rechner.

Mich erinnert das an verschiedene Artikel, die ich in den vergangenen Jahren über die Klimaveränderung las. In diesen Artikeln war immer davon die Rede, dass man von allen meteorologischen Gegebenheiten am wenigsten die Wolken verstehe, ihr Entstehen, ihr Verhalten, ihre Auswirkungen. Nach dem Ereignis von Prineville kann man das nur bestätigen.

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Eines Tages könnte es mit den Wolken so weit kommen, dass über dem Wohnzimmersessel, in dem sitzend ich in den Regen vor dem Fenster starre, eine Zimmerwolke erscheint, das Lampenlicht verdeckend, und es regnet auf mich, mein Starren, meinen Sessel hinab. Wird man nirgendwo sicher sein vor den Wolken? Wird der Klimawandel möglicherweise auch vor unseren Häusern nicht mehr haltmachen? So dass es auch in ihnen immer heißer werden könnte, dass dort Gewitter toben werden, Stürme unsere sorgfältig gedeckten Tische zerzausen könnten und Hagel unsere Couchtische zerschmettern?

Andererseits möchte ich nun aber darauf aufmerksam machen, dass es in England seit beinahe zehn Jahren die Vereinigung der Wolkenfreunde gibt, The Cloud Appreciation Society, die es sich angelegen sein lässt, Schönheit und Poesie der Wolken zu preisen und die Banalität eines ewig blauen Himmels zu verdammen.

Tatsächlich ist ja den Wolken etwas Faszinierendes zu eigen: »Körper ohne Oberfläche«, hat sie Leonardo da Vinci genannt. Ihre Flüchtigkeit, ihre Veränderlichkeit, ihre manchmal wunderbaren Formen, ihre Symbolträchtigkeit als Übergangsstruktur zwischen Himmel und Erde, die Schönheit eines sommerlichen Cumulushaufens, die Dramatik einer Gewitterwolke, die Kostenlosigkeit ihrer Betrachtung – warum nehmen wir das so wenig wahr?

Man müsse, sagt Gavin Pretor-Pinney, Gründer des Wolkenfreunde-Vereins, die Betrachtung der Wolken in seinen Alltag integrieren. Wenn er zufällig eine Wolke in Schweineform sehe, bleibe er stehen, schaue sie an, lasse sie ziehen. »Das ist wie eine meteorologische Meditation, sehr Zen.« Ja, es spricht viel dafür, sich dann und wann von der Cloud ab- und den Wolken zuzuwenden, sich zu entspannen, ins Unvermeidliche zu schicken und die Wolken einfach zu mögen, wenn sie schon mal da sind. Wobei ich anmerken möchte, dass die schönsten Wolken jene sind, deren klare Struktur sich – von der Sonne beschienen – vor blauem Himmel abhebt, aber das heute nur am Rande, wirklich nur sehr und ganz am Rande.

Illustration: Dirk Schmidt