Ein Bild aus den guten alten Zeiten, könnte man meinen, wenn man nicht wüsste, dass die Zeiten vor allem für Michael Jackson gut waren, für sein Spielzeug Bubbles weniger. (Foto: Getty)
Die Probleme alternder Show-Affen ähneln denen von in die Jahre kommenden Schauspielern. Irgendwann sind sie nicht mehr gefragt im Geschäft – und laufen Gefahr, neurotisch und depressiv zu werden.
Wenn ausgemusterte Show-Affen Glück haben, landen sie im Center for Great Apes, einem Altersheim für arbeitslose Affen.
Es liegt fernab der touristischen Zentren Floridas, am Rande des Örtchens Wauchula in der Mitte des Staates zwischen Maisfeldern, Farmen und Orangenplantagen. Wer dort seinen Lebensabend verbringen darf, hat es im Vergleich zu ausrangierten Laboraffen ziemlich gut. Die Tiere fühlen sich offenbar wohl in dem kleinen Zoo: Eine Gruppe von Schimpansen laust sich gegenseitig auf einer Wiese unter Palmen, ein Orang-Utan mit Glatze schlürft Wasser aus einer Pfütze. Der bekannteste Bewohner des Parks liegt in einer Hängematte und verfolgt mit seinen kleinen Augen und stechendem Blick jeden Schritt des Besuchers – es ist Bubbles, der ehemalige Lieblingsaffe von Michael Jackson.
Der inzwischen 29 Jahre alte Ex-Lebensabschnittspartner des Popmusikers lebt seit acht Jahren in Wauchula. Seine Tage verbringt er damit, Musik zu hören, fernzusehen und mit seinem besten Kumpel Ripley zu spielen. Ein paar Ecken weiter teilen sich die Schimpansen-Zwillinge Jonah und Jacob ein Gehege; Jonah war ein Star in Tim Burtons Planet der Affen. Versteckt zwischen Ästen und Jutesäcken hockt Popi, ein Orang-Utan-Weibchen, das schon zusammen mit Danny DeVito und Clint Eastwood in Hollywood-Filmen spielte. Nebenan macht Bam Bam seinem Namen Ehre und haut mit der flachen Hand auf eine Plastiktonne. Bam Bam ist ein stattlicher männlicher Orang-Utan, der drei Jahre lang eine Krankenschwester in der amerikanischen Seifenoper Passions verkörpern musste – mit Schwesternkittel und weißem Häubchen als Kostüm. Solch entwürdigende Jobs hinterlassen ihre Spuren in der Seele, auch bei Affen.
»Viele sind nikotinabhängig, wenn sie bei uns ankommen«, sagt Patti Ragan, die Leiterin des Affenreservats. Sie ist eine freundliche, resolute Frau Anfang fünfzig, und fährt die Besucher in einem Golfwagen durch den Affenwald. »Ein Affe brauchte drei Bier am Tag und war Kettenraucher«, erzählt sie.
Zu Beginn eines Aufenthaltes im Center for Great Apes steht deshalb meist die Entgiftung, erst danach kommt die langsame Gewöhnung an Artgenossen. Die Affen werden in Käfigen nach Wauchula gebracht, zum Teil von den bisherigen Besitzern, zum Teil werden sie von Mitarbeitern des Tierheims abgeholt. Manche Neuankömmlinge leiden unter dem Stockholm-Syndrom – sie haben sich in ihren Geiselnehmer verliebt, der sie lange gefangen hielt, sie fürchten die Freiheit und lehnen jeden Kontakt mit der Außenwelt ab.
Der 1,40 Meter große, 72 Kilogramm schwere Bubbles wirkt beim Anblick von Fremden angespannt. Der Versuch, ein Porträtfoto des Schimpansen zu knipsen, misslingt – sobald man die Kamera zückt, dreht er sich zur Seite. »Fotos mag er nicht, das erinnert ihn an die Paparazzi«, sagt Patti Ragan, die Leiterin des Affenheims. Ansonsten scheint er durch den Umzug nicht nachhaltig verstört worden zu sein. Im Heim lebt er das beschauliche, unspektakuläre Leben eines Florida-Rentners. Seine Hobbys halten ihn bei Laune: Er malt mit Fingerfarben auf Leinwand, hört gern leise Instrumentalmusik, und wenn das Wetter schlecht ist, schaut er im überdachten Teil des Geheges am liebsten alte Fernsehserien wie zum Beispiel Flipper. Er sucht sich die VHS-Kassetten selbst aus einer Pappschachtel heraus, legt sie in den Videorekorder ein und drückt auf »Play«. Wieso ausgerechnet Flipper? »Ich glaube, er mag es wegen der Geräusche, die Delfine machen«, erklärt Patti Ragan.
Etwa tausend Primaten werden laut Center for Great Apes allein in den USA als Haustiere gehalten, in der Entertainment-Industrie beschäftigt oder für Forschungszwecke eingesetzt. Patti Ragan gründete das Zentrum in Wauchula im Jahr 1998, »um den Affen zu ermöglichen, aus der Unterhaltungsbranche auszusteigen«, sie gilt heute als Anwältin der Entertainment-Affen weltweit. Ragan hatte zuvor ihre Zeitarbeitsfirma verkauft und war nach Borneo gegangen, um bei einem Orang-Utan-Projekt mitzuarbeiten. Zurück in den USA zog sie ein krankes Orang-Utan-Baby mit der Flasche auf, das aus einem Zoo stammte – das war der Beginn des Affen-Auffangzentrums. Mittlerweile leben 44 Schimpansen und Orang-Utans in Wauchula, das jüngste Tier ist acht, das älteste 53 Jahre alt. Es gibt auch einen kleinen Friedhof.
Zulauf wird das Altersheim die nächsten Jahre garantiert haben. Für 50 000 bis 70 000 US-Dollar könne man in den USA einen Schimpansen kaufen, für 80 000 einen Orang-Utan, sagt Patti Ragan. Immer noch arbeiten Menschenaffen in der Unterhaltungsindustrie, sie drehen Hollywoodfilme, TV-Serien, Werbespots oder treten in Vergnügungsparks und im Zirkus auf.
Noch schlechter als die Showtiere, die wenigstens von Tiertrainern betreut und artgerecht ernährt werden, haben es die 250 Affen, die in den USA in Privatbesitz sind. Manche dieser Haustiere verbringen Jahre allein in winzigen Käfigen, ohne Beschäftigung, ohne Kontrolle durch Tierschutzbehörden. Wenn Schimpansen nicht in einer Gruppe leben, werden sie ziemlich sicher verhaltensgestört. Jungtiere bleiben in Freiheit normalerweise zehn Jahre mit der Familie zusammen. »Show-Affen sind alle ziemlich neurotisch, weil sie komplett von Menschen aufgezogen wurden«, erklärt Patti Ragan.
Als Jungtier musste Bubbles glitzernde Fantasiekostüme tragen, wurde von Fans belästigt, von Reportern verfolgt.
Auch Bubbles hatte einige Macken, als er 2005 im Center for Great Apes ankam. Kein Wunder: Als Jungtier musste er glitzernde Fantasiekostüme tragen, wurde von Fans belästigt, von Reportern verfolgt. Das Affen-Altersheim muss auf den gestressten Affen wie das genaue Gegenteil dieser knalligen Gaga-Welt gewirkt haben. »Er saß erst mal tagelang da und bewegte sich nicht«, erzählt Patti Ragan, »er traute sich auch nicht, wie die anderen Affen in die Kuppel des Affengeheges hochzuklettern.« Wenn man auf die abstruse Geschichte seines bisherigen Lebens schaut, kann man diese Skepsis verstehen: Michael Jackson hatte den Affen 1985 einer medizinischen Versuchsklinik in Texas abgekauft und bei sich aufgenommen. Der Popstar beherbergte auf seiner Neverland-Ranch einen ganzen Privatzoo mit Giraffen, Flamingos, Tigern, Elefanten und Schlangen. Bubbles wurde zwar vom Hollywood-Tiertrainer Bob Dunn betreut, aber kaum artgerecht gehalten. Das Tier übernachtete in einem Kinderbett in Jacksons Schlafzimmer, saß mit ihm während der Mahlzeiten am Tisch, benutzte angeblich seine Toilette, guckte mit ihm zusammen Filme im hauseigenen Kino und futterte dabei Süßigkeiten. Jacko brachte Bubbles bei, wie man den Moonwalk macht, angeblich hatte der Affe einen eigenen Agenten und einen Bodyguard.
Im Jahr 2003 wurde Bubbles aus Neverland verbannt, er kam zunächst in ein Tierheim in Kalifornien. Jackson hatte Angst, dass Bubbles seinen gerade geborenen Sohn Prince Michael II. angreifen könnte. Solche Probleme mit älter werdenden Affen sind typisch. Private Tierhalter kommen mit Menschenaffen nur ein paar Jahre lang klar, solange die Tiere Babys sind. Wenn die Schimpansen in die Pubertät kommen, werden sie unberechenbar und so stark, dass sie Menschen mit einem Händedruck sämtliche Knochen brechen können. Michael Jackson löste das Problem, indem er Bubbles weggab und in den folgenden Jahren mehrere jüngere Affen adoptierte – zum Beispiel Max und Action Jackson, die dann beide in der Öffentlichkeit für Bubbles gehalten wurden.
»Michael war kein Tierquäler«, sagt Patti Ragan, »er war ein großer Tierfreund und ein wunderbarer Mensch.« Er habe mit ihr oft am Telefon über Bubbles gesprochen und sogar mal eine große Geburtstagsparty für ihn geplant, zu der er Cheeta, den Schimpansen aus dem Film Tarzan, und Lassie, den Collie aus der gleichnamigen Fernsehserie, einladen wollte. Jackson schrieb Bubbles Briefe und schickte Fotos, besuchte ihn aber nie in Florida. Der Schimpanse kam mit den Jahren über die Trennung hinweg. Wenn die Tierpfleger dem Affen Fotos von Jackson zeigten, reagierte er anfangs noch sehr aufgeregt, verlor aber dann nach und nach das Interesse.
Bubbles ist mittlerweile der Chef einer Gruppe von sechs Affen. »Er hat Selbstvertrauen, Macht und sorgt für Frieden in seiner Gruppe«, charakterisiert ihn Patti Ragan. Durch ein Tunnelsystem, dessen Verbindungen sich schließen und öffnen lassen, können sich die Affengruppen gegenseitig besuchen. Wenn Bubbles keine Lust auf Gesellschaft hat, zieht er sich in seinen Raum zum Musikhören oder Malen zurück. Seine abstrakten Bilder waren kürzlich auf der Art Basel Miami ausgestellt, der Verkauf erbrachte einige Tausend Dollar, die das Affenreservat gut brauchen kann.
Als Michael Jackson im Juni 2009 starb, kamen im Center for Great Apes mehr Postkarten und Mails an als sonst, viele davon aus Deutschland – Beileidsbekundungen für Bubbles. Im Testament wurde der Affe nicht erwähnt, deshalb ist er auf Spenden angewiesen – Verpflegung und Unterkunft für die Affen des Zentrums kosten 1,3 Millionen US-Dollar im Jahr. Bubbles gehört offiziell der Vermögensverwaltung MJJ Estate, die den Nachlass von Michael Jackson betreut. In den ersten Jahren zahlte die Familie unregelmäßig für Bubbles’ Betreuung im Heim, in den vergangenen drei Jahren kam kein Geld mehr für ihn. Er wird, so wie alle 43 anderen Affen im Reservat, ausschließlich durch Spenden unterstützt. Wer möchte, kann Bubbles ein Jahr lang adoptieren. Der berühmteste Schimpanse der Welt bedankt sich auf seine Art und Weise für die Unterstützung und die jahrelange Zuneigung seiner Fans. Ab und zu, wenn er richtig gut drauf ist, berichten die Tierpfleger, macht er für einige Sekunden den Moonwalk.
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Center for Great Apes
Wie einen Zoo besuchen kann man das Affenzentrum nicht, aber es gibt die Möglichkeit, nach Anmeldung eine Besichtigungstour zu machen. Im Souvenirshop werden Bubbles-Tassen, T-Shirts und Originalgemälde verkauft. Wer die Non-Profit-Organisation unterstützen will, kann das über die Website tun. 488 Wauchula, Florida 33873
Schlafen
Palmetto Riverside Bed and Breakfast: Mieke und Wim Lippens stammen aus Belgien und haben dort vor ein paar Jahren ihr Unternehmen verkauft, um sich mit dem eigenen Bed & Breakfast einen Lebenstraum zu erfüllen. Von Palmetto ist man schnell in St. Petersburg, Tampa oder am Strand von Anna Maria Island. Bis nach Wauchula sind es 70 Kilometer. DZ ab 140 Euro,1102 Riverside Drive, Palmetto, FL 34221, USA, Tel. 001/941/981-53 31
Illustration: Sebastian van Doninck