Düfte sind die ultimative Essenz der Mode – so sublimiert, dass man sie nicht sehen kann. Nur riechen. Wäre da nicht der Flakon, bei dem mindestens so viel Gestaltungsaufwand betrieben wird wie bei der Mixtur des Dufts. Flakons sind das Ergebnis einer doppelten Übersetzung: Sie übersetzen abstrakte Sinnlichkeit in eine Idee, eine Idee in ein Objekt. Vor allem der Trend der letzten Jahre – Opulenz – bietet hier viel Spielraum. Nehmen wir den relativ neuen Herrenduft »Eros« von Versace, der den sich öffnenden Assoziationsraum – Virilität, antikes Rom, Orgie – schon im Flakon anklingen lässt: Das Mäanderrelief erinnert an die Bodenmosaike römischer Thermen, das blaue Glas an Wasserbecken, in der Mitte prangt ein diabolisches Medusenhaupt.
Die Idee eines Dufts muss leicht verständlich sein, schließlich richten sich Parfums an eine Millionenkundschaft. Nehmen wir Lady Gaga als Beispiel, die sich im letzten Jahr mit »Fame« ein schwarzes Unisex-Eau-de-Parfum kreieren ließ, dessen Flakon aussieht, als halte eine goldene Alien-Kralle eine schwarze Perle. Darunter macht es die weltgrößte Dramaqueen nicht. Und natürlich spricht jedes Flakondesign möglichst passgenau die gewünschte Zielgruppe an. Anders lässt sich die Pelzkappe (kein Witz) auf »White Russian«, dem neuen Duft von George Gina & Lucy nicht deuten: Sie symbolisiert die vermeintliche Sexyness von Oligarchen-Mätressen.
Dabei sind sorgsam designte Flakons eine relativ junge Entwicklung in der mehrere Tausend Jahre alten Parfumgeschichte. Im 18. und 19. Jahr-hundert etwa wurden Parfums in dünnen, reagenzglasartigen Gefäßen verkauft. Der berühmte Bienen-Flakon, in dem Guerlain ab 1853 sein »Eau de Cologne Impériale« verkaufte, war eher ein Luxusobjekt für die Reichsten des Landes denn ein Massenprodukt. Und noch die legendäre Flasche von »Chanel No 5«, das 1921 auf den Markt kam und bis heute das erfolgreichste Parfum ist, war keine extravagante Kreation, sondern das damals gebräuchliche Behältnis für Düfte.
Heute sind Flakons das wichtigste Marketingwerkzeug der Beautyindustrie. Sie sollen zeigen, was man nicht sieht, und greifbar machen, was man nicht anfassen kann. Das Besondere an Parfum ist nämlich, dass es zugleich von einem Zuviel und einem Zuwenig gekennzeichnet ist: Während man von anderen Modeprodukten zumindest behaupten kann, sie wären auch irgendwie nützlich – selbst die höchsten Stilettos sind noch Schuhe –, ist ein Duft ein bloßes Surplus.
Im besten Fall sind Flakons kleine Kunstwerke, die den Charakter eines Duftes kongenial in eine Form gießen. Sehr gelungen sind zum Beispiel die Flaschen der Berliner Parfummarke J. F. Schwarzlose, die der Flakondesigner Lutz Herrmann im vergangenen Jahr wiederbelebte: ein Art-déco-Label in Gold und Schwarz, dazu eine schwere, gedrehte Messingkappe, die aussieht, als wäre sie Teil der Kulisse aus Fritz Langs Metropolis. Sofort hat man das gefährliche Berlin der Zwischenkriegszeit vor Augen, wo sich in rauchverhangenen Separees Kokainisten und Femmes fatales vergnügten. Oder riecht man all das nur, weil die Flakons an jene altmodischen Medizingläser erinnern, in denen sich erlesene, tendenziell gefährliche Substanzen befinden? Fest steht: Das Auge riecht mit. Doch dafür braucht es eher weniger als mehr. Wie beim Parfum eben.
Foto: Thomas Traum