Das Beste aus aller Welt

Kokain im Abwasser, Medikamente im Meer und Lachskanonen, die Fische über Staudämme bugsieren: Der Mensch greift immer häufiger ins Ökosystem ein - zum großen Spaß der Tiere, meint unser Kolumnist.

Seltsamerweise vergisst der Mensch immer wieder, dass im Wasser Fische leben; das muss damit zu tun haben, dass mittlerweile die meisten von uns nie einen lebenden Fisch gesehen haben. Sie kennen diese Tiere nur in Stäbchenform, als Inhalt von Dosen oder vakuumierte Räucherware. Deshalb von hier aus noch einmal, für alle und zum Mitschreiben: IM WASSER LEBEN FISCHE!

Es bleibt deshalb nicht ohne Folgen, dass zum Beispiel auch nach Reinigung des Londoner Abwassers noch täglich etwa zwei Kilogramm Kokain aus dem Urin von Hedgefonds-Managern und anderen Finanzathleten in die Themse gespült werden; das irre Kichern der Themseflundern ist allmählich nicht mehr zu überhören. Auch hat man, wie ich dem Fachblatt Environmental Research Letters entnahm, an der Universität Umeå in Schweden festgestellt, dass die im Flusswasser enthaltenen Restbestände des Medikaments Oxazepam, das bei Menschen zur Behandlung von Angststörungen eingesetzt wird, auch Flussbarsche von Furcht befreit. Sie verlassen häufiger ihre Verstecke und leben länger, was vermutlich damit zusammenhängt, dass sie – mutig geworden – mehr Beute machen. Das mag zwar im Sinne der Barsche sein, nicht aber in dem der von ihnen verzehrten Plötzen oder Ukeleien. (Bereits wird ja übrigens von gänzlich perplexen Weißen Haien berichtet, die auf offener See aus dem Hinterhalt von komplett angstfreien Flussbarschen attackiert wurden.)

Der Mensch verseucht aber nicht nur Wasser mit Drogen, er staut es auch mit Dämmen auf, was wiederum dem Lachs zum Nachteil gereicht, der vom Meer aus seine flussaufwärts gelegenen Laichplätze erreichen möchte. Zwar ist das Tier muskulös genug, Stromschnellen und Wasserfälle zu überwinden, ein fünfzig Meter hoher Staudamm aber überfordert auch den stärksten Wanderfisch. Weshalb nun die Firma Whooshh Innovations im US-Staat Washington eine Lachskanone erfunden hat: Über einen Trichter werden die Tiere angesaugt, mit zehn Metern pro Sekunde durch einen 76 Meter langen Schlauch transportiert und dann dreißig Meter weit über einen Damm geschossen; vierzig Tiere pro Minute schafft die Anlage.

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Das ist nun eine Idee, die an jene weit verbreiteten Spaßbäder erinnert, in denen wonnekreischende Bürger durch allerhand Rohrsysteme rasen, eines der Hauptvergnügen jenes modernen Menschen, der einerseits zu faul ist, schwimmen zu lernen, andererseits nicht auf Wasserspaß verzichten möchte. Aber ein Eingriff ins Ökosystem ist es doch auch: Man muss sich ja nur das Gedränge der örtlichen Problembären vorstellen, die sich im Zielbereich der Kanone Lachs auf Lachs in die aufgerissenen Mäuler schießen lassen und danach womöglich noch mit einem Gläschen Themsewasser auf ihr Leben im Schlaraffenland anstoßen. Anders als der Mensch, der sich gewiss keine Eintrittskarte mehr für die Therme Erding kaufen würde, spräche sich herum, dass am Ende der Kamikaze-Sturzflugrutsche Krokodile mit lässig geöffneten Rachen lauerten, hat der Lachs ja keine Chance, seinesgleichen über derlei Gefahren in Kenntnis zu setzen.

Denken wir ans Positive: Wie viele Krötenzäune würden überflüssig, könnte man die Amphibien mit Lurchartillerie über unsere Landstraßen in ihre Laichgebiete expedieren?! (Wobei hier auch an einen Drohnen-Einsatz zu denken wäre.) Könnte man nicht auch Lemmingen den weiten Weg in den Tod ersparen, indem man sie direkt im Aufmarschgebiet mit Schläuchen aufnimmt, in einer Art Hyperloop zu den fernen Abgründen befördert und dort in die ersehnte Tiefe feuert? Wäre es denkbar, dass wir im Sommer unter einer Art Mückenpumpe schlafen, die Stechtiere im Anflug mit leisem Lutschgeräusch ansaugt und sofort wieder nach draußen schießt?

Und was wäre es erst für eine Wahnsinnsfreude, japanische Trawler auf Wal-Jagd unter den jauchzenden Geschossen einer Blauwal-Kanone zu begraben!

Illustration: Dirk Schmidt