Ein Kraut geht um die Welt

Der Wundersamen aus den Anden ist gesund, der Anbau umweltfreundlich. Und die Überraschung: Quinoa schmeckt auch noch gut.

Nelly Moreno führt ein beliebtes Unternehmen in Ecuador. Es heißt Amati Foods und hat sich auf Amaranth spezialisiert, eine krautartige Pflanze aus den Anden, wie das noch bekanntere Quinoa. Amaranth und Quinoa nennt man auch Inkareis oder Scheingetreide, Amaranth-Samen sehen aus wie Hirse. Nelly Moreno exportiert die Samen. Es gibt nicht viel, was die Welt von Ecuador kaufen will: Rosen, etwas Erdöl und Obst – und seit wenigen Jahren eben Amaranth und Quinoa. Nelly Moreno stammt aus einer Mischlingsfamilie. Sie selbst spricht kein Englisch und muss sich Bestellungen aus Übersee und den USA von ihrer Tochter übersetzen lassen. Die Geschäfte laufen gut. Die Welt kann gar nicht genug von Amaranth und Quinoa bekommen.

1993 empfahl die NASA Quinoa zur Ernährung, in den folgenden Jahren kam das Korn aus Südamerika in die Ökoläden Europas, vor zwei Jahren begann Adidas, mit einem Energiedrink auf Quinoabasis zu experimentieren, und nun steht Quinoa sogar auf den Speisekarten von teureren Restaurants.

Schon die Zahlen hören sich enorm gesund an: Quinoa hat einen Proteingehalt von 16 bis 24 Prozent. Kein anderes Nahrungsmittel kann ein besseres Verhältnis zwischen Eiweißgehalt und notwendigem Energieeinsatz bei der Produktion vorweisen: Bei Rindfleisch beträgt es 1:50, bei Soja 1:2 und bei Quinoa weniger als 1:1,5. Nachhaltig und umweltfreundlich ist die Pflanze also auch. Dazu noch frei von Gluten, aber mit viel Vitamin B und C, Kalium, Kalzium und Magnesium; wegen seiner Ballaststoffe ist es leicht verdaulich, hilft den Cholesterinspiegel zu senken, wirkt lindernd bei Halsentzündung oder Migräne. Gesünder als Lebertran. Das kann doch nicht schmecken?

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Tut es aber. Johanna Maier, Sterneköchin im österreichischen Filzmoos, schwört auf säuerlich gewürzten Quinoa-Risotto. Michael Kempf vom Berliner Restaurant »Facil« serviert es mit Sauerklee, Estragoncreme, Granatapfel, Schafsjoghurt und mildem Mumbai-Curry. Mit Quinoa-Samen paniert man Hühnerbrüste, macht Müsli, Salat oder Eiscreme. Die Blätter lassen sich wie Gemüse dünsten. Mit Quinoa-Mehl backt man Brot, Bratlinge, Muffins oder Tortillas, mixt ein bierartiges Getränk oder mit etwas Zucker eine Art Milch, die eine ganze Mahlzeit ersetzen kann.

Obwohl die Samen wie Getreide zu Mehl gemahlen werden können, ist Quinoa kein echtes Getreide, sondern eher mit dem Spinat oder Mangold verwandt. Die mannshohe Pflanze mit den violetten Blüten wächst in den Anden in bis zu 4000 Meter Höhe. Sie ist anspruchslos, robust und braucht nur wenig Wasser, aber viel Sonne – Ecuador, das am Äquator liegt, hat deswegen die Quinoa mit dem höchsten Proteingehalt. Weiter südlich in Bolivien werden die Pflanzen nur ein Drittel so hoch, dennoch bauen es viele Bauern inzwischen statt Koka an: Derart gestiegen sind Nachfrage und Preis auf dem Weltmarkt. In Südamerika und Europa ist Quinoa teurer als Fleisch.

Quinoa war tatsächlich einmal der Reis der Inka und ihr Hauptnahrungsmittel, bis die Spanier kamen und es verboten; die Bevölkerung sollte geschwächt werden. Lange wurde Quinoa als Kuhfutter verwendet. Jetzt weitet man die Anbauflächen auf der ganzen Welt zügig aus. Kolumbien fängt jetzt an, Brasilien, ganz Nordafrika, Australien, auch die USA und Kanada. Nelly Moreno ermuntert die Bauern im Hochland von Quito seit Jahren dazu, auf immer mehr Flächen Quinoa und Amaranth anzubauen. An den steilen Hängen der Vulkane sieht man im Juli inzwischen viele kleine lilafarbene Felder. Quinoa, heißt es, steigert auch die Serotonin-Ausschüttung: Es macht einfach glücklich.