Liebe auf den ersten Schluck

Seit der Musiker Clueso seine Espressomaschine »Europiccola« hat, will er keine andere mehr. Die Bohnen lässt er extra für sie rösten, die Maschine begleitet ihn sogar auf Tour.


Wer: Clueso, alias Thomas Hübner, Sänger, Songwriter, Produzent
Was: Espressomaschine »Europiccola« von La Pavoni, ca. 500 Euro
Warum: Prokrastination, Inspiration

»Ich trinke zu viel Kaffee. Mein Manager Andie kann das gar nicht mit ansehen. Mein alter Schulfreund Tino auch nicht. Er ist aber etwas gnädiger. Damit ich mir nicht weiterhin nebenbei literweise Filterkaffee brühe, hat er vor vier Jahren über Ebay eine Espressomaschine für mich besorgt. Ein italienischer Oldtimer mit Handhebel von La Pavoni. Das Modell heißt ›Europiccola‹. Die Maschine macht verdammt guten Kaffee. Seit ich sie habe, will ich fast gar keinen anderen mehr trinken. Deshalb nehme ich sie immer mit auf Tour. Die Maschine war auch schon einige Male in der Reparatur. Sie wird ja nicht nur bei mir im Studio von allen beim Aus- und Eingehen benutzt. Sie muss auf Tournee auch im Gepäck überleben und wird dann im Backstage von jedem en passant angezapft.

Ich selbst gewinne mehr aus der Maschine als guten Espresso. Es geht nicht länger um pure Suchtbefriedigung. Ich gewinne beim Kaffeemachen Zeit und nehme sie mir auch bewusst. Vor allem, wenn ich beim Texten hänge. Bevor mich das Koffein wachspritzt, entsteht diese kurze Pause, in der ich runterkomme. Ich wechsle den Standort, lasse die festgefahrenen Gedanken im Studio zurück und konzentriere mich an der Maschine auf etwas völlig anderes, vergleichsweise profanes. Wenn ich den Hebel nach unten drücke und der Espresso zähflüssig wie Motoröl aus dem Siebträger rinnt, bricht oft auch meine Blockade auf. Die Gedanken fließen wieder und es laufen neue dazu. Ich trage immer Gedichtbände bei mir, nach denen ich in solch einem Moment greife. Im Moment sind es Baudelaire und Mascha Kaléko. Die Denkweise anderer Schreiber inspiriert mich.

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Den fertigen Espresso kippe ich nicht einfach wie einen Shot hinunter. Ich seziere seinen Geschmack förmlich im Mund. Wenn ich etwas gerne tue oder mag, gebe ich mich dem mit Leib und Seele hin. Das gilt vor allem für meine Musik. Aber grundsätzlich für alle Dinge, die mir viel bedeuten. Ich bin wirklich kein großer Kaffee-Kenner. Was meinen Kaffee angeht, aber schon. Die Bohnen für meinen Espresso bestelle ich bei einer Kaffeerösterei in Eisenach. Ich nehme immer die gleiche Mischung: 70% Arabica, 30% Robusta. Ihr Name ist ›Francesca‹. Es war Liebe auf den ersten Schluck. Sie ist so speziell, ich kann sie unter anderen Mischungen herausriechen. Die Bohnen sind leicht ölig in den Händen. Sie werden nur angeschwitzt. Dadurch sind sie nicht so trocken. ›Full City Roast‹ steht auf der Packung. Der Kaffee schmeckt mild, und trotzdem schön kräftig. ›Francesca‹ harmoniert perfekt mit meiner Maschine. Sie presst das heiße Wasser so durchs Kaffeemehl, dass sich oben in der Tasse eine dichte Crema bildet. Wenn ich etwas Zucker auf den Schaum gebe, liegt er erst ein paar Sekunden auf, ehe langsam durchsickert. Genau so mag ich meinen Espresso. Seit der Betrieb die Bohnen anders röstet, lasse ich dort die alte ›Francesca‹ für mich privat rösten. Nur nenne ich sie jetzt ›Espressonist‹. Wäre auch mal eine Idee: selbst einen Online-Shop damit aufzumachen.

Im alten James Bond ›Live and Let Die‹ macht Roger Moore in einer Szene ›M‹ mit der ›Europiccola‹ einen Cappuccino. Meine Kumpel und ich haben uns tierisch gefreut, als wir das gesehen haben. Abgesehen von Bohne, Geschmack und so weiter, ist das Gerät eben einfach edel. Nicht nur, weil es edel aussieht. Ich mag den ganzen Prozess des Kaffeemachens. Sich mit dem Hebel seinen Espresso rauszudrücken hat Stil. Oft ist die Zeremonie ja fast cooler als der eigentliche Akt. Gut, dass ich mich für keines von beidem entscheiden muss...«

Foto: Clueso