Wie sol das Emden?

Die Mitglieder der Acción Ortográfica Quito korrigieren nachts mit Sprühdosen Rechtschreibfehler in Graffiti. Und in Deutschland? Gibt es die »Hooligans Gegen Satzbau«.

In Quito/Ekuador gibt es drei junge Männer, die nachts mit Sprühdosen voll roter Farbe ausrücken, um Graffiti zu korrigieren: Sie markieren Komma- und Schreibfehler und bessern sie aus. Von Lehrern unterscheidet sie, dass es keine Noten gibt, im Gegenteil: Sie wollen Spaß, und weil Graffiti illegal ist und deshalb auch die Korrektur des Illegalen gegen das Gesetz verstößt, bleiben sie anonym. Die drei nennen sich Agent Punkt, Agent X und Agent Umlaut (auf Spanisch natürlich), und gemeinsam sind sie die Acción Ortográfica Quito.

Mittlerweile haben sich Ableger auch in Madrid und Kolumbien gegründet. Es bildet sich eine Internationale des Korrekturwesens im öffentlichen Raum, was sehr zu begrüßen ist, weil die Agenten mit Humor und Freude an der Sache vorgehen, darauf bestehend, dass es einen Unterschied zwischen richtig und falsch gibt. Und dass es von Bedeutung ist, ob jemand »No quiero verte« schreibt oder »No, quiero verte«, denn das erste heißt »Ich möchte dich nicht sehen«, das zweite »Nein, ich möchte dich sehen«. Ein Komma, sagt ein Agent der Acción Ortográfica, »kann dein Leben ändern«.

Gerade berichtet Leser R. dem Wortstoffhof von einer speziellen Freizeitbeschäftigung: Er ruft rechtsradikale Internetseiten auf und schreibt in den Kommentaren etwa »Ich finde, wir könnten mehr Flüchtlinge aufnehmen in Deutschland« oder »Ich finde den demokratischen Rechtsstaat tippitoppi«. Dann, so R., lehne er sich zurück und schaue, wie der rechte Mob sich aufregt. »Ich weiß, das ist kein sehr feines Hobby, und ich schäme mich auch ein wenig dafür. Allerdings macht es sehr viel Spaß. Nur manchmal …« Manchmal ist es eben so, dass ihm einer namens Manni antwortet: »Wen die IS hier eiunzug nimmt, hängen die Schwulen Antifas zuerst am Baukran,und das ist gut so,bodensatzt der Gesellschaft,und Volksveräter« Worauf R. schreibt: »Hat jemand mal einen Duden für den Manni?« Nun wieder Manni: »Und auf deine rechts schreibung isst geschisen,du aierkop,«

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R. macht darauf aufmerksam, dass es auf Facebook seit einer Weile eine (übrigens der Acción Ortográfica verwandte) Seite namens »HoGeSa – Hooligans Gegen Satzbau« gibt, die im rechten Sumpf Texte ausgräbt und diese öffentlich sorgfältig korrigiert, immer nach dem Motto: »Wir helfen euch, so richtig deutsch zu werden, genau wie ihr es von den MigrantInnen auch verlangt.« Material gibt es im Überfluss. Denn je aufgeregter der Normalnazi wird, desto schwerer fällt ihm der Umgang mit dem Deutschen.

Beispielsweise erkundigt sich einer namens Steffen, ob man zur Wahl in Dresden ein Pegida-Shirt tragen dürfe, worauf ihm Thomas antwortet: »Klar zeige das Du die Wände möchtest!!!!« Bemerkenswert auch folgender Teil eines Kurzaufsatzes über Islamismus: »erst werden frauen unterdrückt, Kinder geschendet und dann kommt der jihat auf alle die für deutsche werthe stehen. wir sind die dichter und denker hier. … deutschland auferstanden aus roinen für deutsche!«

Dazu dann noch ein Auszug aus einem im Sinn fast nicht mehr zu entschlüsselnden Facebook-Eintrag von Stefan: »Des pack doll hinn zurueck wo sehr komma,,, Unsre deutschen frauen anmachen,,,,di werden sehn« Und Herbert: »Unsere Regierung wird erst wach, ..., wenn sie vor die Wahl geschdelld wird, zum Islam zu konfitüren oder Kopp ab!« Dann noch Marcel: »Haha Antifa. ..wir kriegen euch ihr linkes Komponisten pack:« Worauf die Selbstkorrektur folgt: »Sorry meine komonisten.«

Sehr schön auch, schreibt R., sei Johnnys Seufzer zur Lage Europas: » zu was für einem armseeligen land das einst antike griechenland verkommen ist« Muss man das aber nicht als Versuch sehen, der eigenen Dummheit auch sprachlich angemessenen Ausdruck zu verleihen, sie also wortbildlich und grammatisch abzubilden? Insofern: fast ein sprachästhetisches Projekt, lobenswert. Andererseits möchte ich nach so vielen Wörtern, die mehr Fehler als Buchstaben haben, mit Eleonore fragen: »Wie sol das Emden«

Illustration: Dirk Schmidt