Geiles Stück

38,1 Prozent aller Objektophilen leben monogam. Dennoch müssen sie ihren Partner oft mit der ganzen Welt teilen. Wie soll das gehen?

Stahl und Eisen. Winkel, Ecken, Streben. Verschraubt, gestützt, montiert. Sind Sie schon scharf? Nein? Hm, dann sind Sie vermutlich nicht objektsexuell.

Objektsexuelle fühlen sich nämlich zu Gegenständen hingezogen. Damit ist jetzt nicht unbedingt derjenige gemeint, der samstags in der Waschstraße liebevoll den Lack seines Wagens poliert oder seine Handtasche nicht auf den Boden stellen will, sondern einen eigenen Stuhl für sie im Lokal vorsieht. Nein, hier geht es um die ganz große Liebe. »Ich lebe eine emotionale, körperliche, partnerschaftliche Liebe zu Gegenständen. Man liebt das Objekt für das, was es ist«, so erklärte sich ein Objektsexueller in einem Interview vor einigen Jahren.

Wissenschaftlich ist das Thema kaum erfasst. Auch genaue Zahlen über die Anzahl von Objektsexuellen gibt es nicht, nur wenige Menschen outen sich und ihr Herzblatt. Mit dabei: die Berliner Mauer, eine Dampflok, eine Hammond-Orgel, aber auch eine Maschine, die Rohre umformt, und ein großes Kissen mit einer Anime-Figur darauf. Eine Frau verliebte sich so in den Eiffelturm, dass sie seinen Namen (»Erika Eiffel«) annahm, als sie ihn am 8. April 2007 heiratete. Damit sie ihren Liebling immer bei sich tragen kann, ließ sie sich ihn groß auf ihr Dekolleté tätowieren.

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Der Traummann einer weiteren Dame ist zwar sehr viel kleiner und doch das Größte für sie: eine Marmorfigur des griechischen Gottes Adonis, den sie für rund 500 Euro gekauft hat, und Hans getauft hat. Hans darf mit ihr abends fernsehen, er steht mit am Tisch, wenn sie isst, und selbstverständlich begleitet er sie auf ihren Spaziergängen.

Es gibt auch Menschen, die sich von der glatten Rinde und den langen Ästen eines Baums sexuell angezogen fühlen. Und denen es das Herz brechen muss, wenn jemand seinen Liebling im Wald einfach anpinkelt. So eine objektophile Beziehung hat einige Vorteile: Man muss sich nicht über den Partner ärgern, der eine Verabredung vergisst oder nachts schnarcht. Der Turm, die Figur, die Maschine: Sie sind immer am gleichen Ort, immer ansprechbar und sie lassen sich herzen, wann immer man Lust darauf hat (außer natürlich die Berliner Mauer). Sie sind stets loyal, geben keine Widerworte, und sofern man sie pfleglich behandelt, sehen sie auch ein Leben lang gleich gut aus.

Klingt ideal, aber Vorsicht! Wer Wert auf eine monogame Beziehung legt, wird bitter enttäuscht. Bei einer Studie an der University of California in Irvine im Jahr 2009 gaben zwar 38,1 Prozent der befragten Objektsexuellen an, eine monogame Beziehung zu führen, aber ein Gebäude wie den Eiffelturm wird man nie ganz für sich haben können. Tausend Mal am Tag wird er fotografiert, Wildfremde stellen sich Mini-Nachbauten auf die Anrichte oder hängen ihn sich an einer Kette um den Hals. So ein Eiffelturm – elegant, rank, groß – lässt sich divenhaft von der ganzen Welt bewundern. Dann doch lieber eine dicke, alte Lok. Also Augen auf bei der Partnerwahl!

Illustration: Eugenia Loli