Fährt gut damit

Ist es clever oder unverschämt selbstbezogen, wenn man vergünstigte Angebote zum Zugfahren zweckentfremdet?

»Ein Bekannter kauft sich regelmäßig sehr günstige Theaterkarten, aber nicht, um tatsächlich ins Theater zu gehen, sondern um damit umsonst Zug zu fahren. Er brüstet sich, dass er ›etwas für die Kultur tut‹ und günstig zum Shoppen kommt. Ich finde, er soll ein Zugticket kaufen und die günstigen Tickets Theaterfreunden mit wenig Geld lassen. Was meinen Sie?« Maria T., München

Leider tut Ihr Bekannter nicht nur nichts »für die Kultur«, im Gegenteil: Er schadet ihr und der Allgemeinheit. Nicht nur, weil es natürlich nicht schön ist, wenn im Auditorium Plätze leer bleiben. Sondern auch ganz profan finanziell. Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr und von Theater zu Theater, aber grob gesagt bezuschusst der Steuerzahler jede Theaterkarte eines staatlichen Theaters im Schnitt mit etwa hundert Euro. Dieses Geld soll der Kultur zugutekommen und auch denjenigen Kulturgenuss ermöglichen, die sich die unbezuschussten Preise nicht leisten könnten. Für die gibt es Tickets, die einschließlich der Fahrt weniger kosten als die Bahnkarte zum Theater. Aber nicht für Menschen, die nur billig zum Shoppen fahren wollen.

Selbst wenn man das nicht weiß, muss doch jedem klar sein, dass Bahntickets etwas kosten und Theaterkarten etwas kosten. Und dass, wenn eine Theaterkarte einschließlich der Bahnkarte weniger kostet als die Bahnkarte, das einen Grund haben muss. Jeder Euro, den Ihr Bekannter durch seinen Trick gegenüber einem normalen Bahnangebot – ganz zu schweigen vom Theaterticket – spart, muss irgendwo herkommen und fehlt entweder der Bahn oder dem Theater in der Kasse. Wofür dann eben der Rest der Theaterbesucher und Bahnkunden oder am Ende der Steuerzahler aufkommen muss.

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Das leitet über zu dem, was mich persönlich am meisten daran stört: die Haltung, die dahintersteht. Die Bereitschaft, nur weil es legal ist, offensichtlich anders gedachte Angebote für den eigenen Vorteil zu nutzen und sich dabei auch noch gut zu fühlen; freudig zuzugreifen, auch wenn man erkennt, dass es nicht für einen gedacht ist. Das Unschöne an dieser Mentalität ist die Selbstbezogenheit Ihres Bekannten, der sich vor allem am eigenen Gewinn zu orientieren scheint. Und dabei noch stolz auf die eigene Cleverness ist.

Literatur:
Deutscher Bühnenverein. Bundesverband der Theater und Orchester, Theaterstatistik 2012/2013, Summentabelle Zu 8: Verhältniszahlen für Besucher, Einspielergebnisse, Zuschüsse online abrufbar unter: http://www.buehnenverein.de/de/downloads.html

Illustration: Serge Bloch