Raus aus der Defensive

Axel Hacke hat das verweichlichte Verhalten des Volkswagen-Managements satt. Warum steht man nicht zu der dunklen Seite? Unser Autor fordert Mut zum Angriff.

Ich bin wirklich ärgerlich wegen dieser Volkswagensache. Dieses Fehlerzugeben, Eingestehen, Rücklagenbilden, Managerentlassen, Sichimstaubwälzen, dieses Gezittere und Gebange, bitte, das ist doch unwürdig.

Worum geht es? Die Entwicklung des Fahrzeugwesens geht seit Längerem dahin, Autos autonomer zu machen. Sie können bereits allein einparken, schalten ihre Scheibenwischer selbst ein, wenn es regnet, das Licht geht automatisch an, wenn es dunkel wird. Sie haben Navigationssysteme. Überall liest man, dass schon bald Personenkraftwagen von hier nach dort fahren werden, ohne dass ein Mensch das Lenkrad berührt. Google und Apple sind dabei, Autos zu entwickeln. Das ist die Zukunft.

Und Volkswagen hat Autos gebaut, die so schlau sind, dass sie erkennen können, ob sie gerade von Behörden überprüft werden oder nicht – und die dann entsprechend handeln. Das waren nicht nur einzelne Testwagen, es waren Millionen und Abermillionen! Was soll daran schlimm sein? Warum wird diese Ingenieursleistung nicht anerkannt? Diese Entwicklung liegt hundertprozentig im Trend! Das Auto als intelligentes, sich selbst an die Umweltbedingungen optimal anpassendes System! VW hat gezeigt, dass die deutsche Autoindustrie nicht schläft, wenn amerikanische Software-Konzerne sie ruinieren wollen. Sie ist in der Lage, schlaue, tückische, durchtriebene Kisten auf den Markt zu bringen, die sich wehren, wenn die Aufsichtsämter mit ihnen Schlitten fahren wollen.

Meistgelesen diese Woche:

Man muss daran erinnern, dass die Karriere eines deutschen Automobilingenieurs mit dem Frisieren eines Mofas beginnt, dem Aufbohren eines Vergasers, dem Absägen eines Auspuffs. Hier liegen die Wurzeln unseres Wohlstands: Der Einzelne ist nicht bereit, sich mit den Grenzen der Technik und schon gar nicht der Gesetze abzufinden. Und er ist in Zeiten, in denen auch das Auto selbst geistig so hoch steht, dass man sich irgendwann wird fragen müssen, warum der Fahrer eines 7er-BMWs das Wahlrecht hat und sein Auto nicht, er ist also auch in diesen Zeiten willens, einen Pkw mit derselben Abneigung gegen staatliche Gängelung auszustatten, wie man sie bei ihm selbst findet.

Wer ab und zu den Verkehrsfunk im Radio hört, kennt die aufgeregten Stimmen, mit denen deutsche Verkehrsteilnehmer von polizeilichen Geschwindigkeitsmessungen berichten. Wenn aber die Autos selbst fahren, dann wird man in ihnen hoffentlich eine Software vorfinden, die jede Radarfalle längst kennt und das Tempo passend drosselt, um es gleich danach wieder hochzuschrauben. VW hat sicher schon heute Bordcomputer, die dafür sorgen, dass sich der Wagen nur dort an Tempolimits und Überholverbote hält, wo es nötig ist. Auch wird es mit solchen Mitteln ein Leichtes sein, dass sich der im Halteverbot geparkte Wagen rasch um die Ecke bewegt, wenn das GPS einen sich nähernden Ordnungshüter meldet. Eine automatische Kennzeichenverschleierung in Fällen, in denen der Staat glaubt, mit Videokameras die Gesetzestreue der Verkehrsteilnehmer kontrollieren zu müssen, sollte selbstverständlich sein. Und natürlich ist zu hoffen, dass wenigstens als Extra eine Radfahrer-Erschreckung verfügbar sein wird, bei der Velozipedisten so haargenau passiert werden, dass einerseits Schrammen am Wagen vermieden werden, andererseits der Zweiradler einen hübschen Herzkrampf bekommt, noch dazu eine Lungen-Insuffizienz, wenn er aus einem Extratank mit den beim letzten Abgastest gesparten Rußwolken angehustet wird.

Volkswagen müsste raus aus der Defensive. Winterkorn müsste sagen: Ja, es war Absicht. Wir wollten zeigen, was wir können. Piëch müsste sagen: Wir sind auf Distanz zu den verdammten Blitzern, Strafmandatschreibern und Alkoholtestern. Wir wollten den Autokäufern sagen: Wir kennen Eure dunklen Seiten, und wir haben ein passendes Angebot dafür. Auch das selbst fahrende deutsche Auto wird sich von den Bullen nicht alles bieten lassen. Das hier war nur der Anfang.

Illustration: Dirk Schmidt