»Ich bekämpfe Männer nicht«

Die Schauspielerin Monica Bellucci ist das älteste Bond-Girl der Geschichte. An Rollen, in denen sie benutzt und angegriffen wird, hat sie sich längst gewöhnt.

SZ-Magazin: Der französische Regisseur Jean-Luc Godard hat mal gesagt, für einen guten Film brauche man eine Waffe und eine Frau. Wie sehen Sie das?
Monica Bellucci: Heutzutage kommen viele Filme ohne Frau aus. Ohne Waffen seltener. Aber für einen »Bond« trifft das natürlich zu: Ohne Waffen und Frauen wäre so ein Film nicht denkbar. Die Frauen machen einen Teil der Marke aus. Die weibliche Seite in »James Bond« ist ein ikonografisches Element der »Bond«-Filme.

Wie hat der Regisseur Sam Mendes Ihnen die Rolle als ältestes Bond-Girl der Geschichte beschrieben?
Mein Agent rief an, um mir zu sagen: Sam Mendes möchte dich treffen. Da habe ich mich natürlich gefragt, was soll ich in einem »Bond«-Film, mit fünfzig Jahren? Ich erinnerte mich nicht, jemals eine erwachsene Frau in James Bonds Armen gesehen zu haben. Und genau das wolle er ändern, hat Sam Mendes bei unserer ersten Begegnung gesagt.

Sie sind allerdings eine außergewöhnlich gut erhaltene 50-Jährige.
Trotzdem: Ohne jetzt zu viel vorwegzunehmen, kann man sagen, dass es ein ungewöhnlicher Anblick ist, James Bond mit einer älteren Frau beim Sex zu sehen. Sie hat Falten, sie ist nicht mehr perfekt, sie verfügt nicht mehr über die Schönheit der Jugend – aber der Film gesteht ihr zu, dass sie trotzdem weiblich und sinnlich und verführerisch ist. Das ist revolutionär.

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So hoch würden Sie das hängen?
Das kratzt auf jeden Fall am bisherigen Weltbild, das James Bond vermittelt hat. Und das macht es zu einem gesellschaftspolitischen Thema.

Haben Sie es denn als einen politischen Akt empfunden, diese Frau zu spielen?
Erst war ich mir dessen nicht so bewusst. Aber beim Drehen merkte ich, wie Sam Mendes alles daran setzte, dass die Frau, die ich spiele, nicht aussieht wie dreißig oder vierzig. Sie sollte aussehen wie fünfzig. Das Licht in meinen Szenen ist hart, die Atmosphäre ist kalt, ich trage Schwarz, ich wirke wirklich nicht jung in diesem Film. Man spürt die Einsamkeit und Not dieser Frau. Der Schmerz ist ihr ins Gesicht geschrieben. Das ist ein neuer Blick auf Frauen. Und es eröffnet ihnen eine Zukunft. Es ist ja kein Geheimnis, dass besonders in Hollywood Schauspielerinnen über fünfzig, egal wie schön und talentiert sie waren, von der Leinwand verschwanden.

Zumindest waren sie nicht mehr Objekte der Begierde der Männer.
Wenn man sie überhaupt sah, haben sie Großmütter gespielt. Aber es ist selten vorgekommen, dass die Rolle einer Großmutter so komplex war wie die eines Mannes im vergleichbaren Alter. Vielleicht mit Ausnahme von Virna Lisi als Katharina von Medici in »Die Bartholomäusnacht«. Selbst die berühmten Schauspielerinnen des italienischen Kinos, Gina Lollobrigida, Silvana Mangano, Sophia Loren haben ab einem bestimmten Alter kaum noch Rollen bekommen. Das ändert sich gerade: Judi Dench, Helen Mirren, Isabelle Huppert, Nathalie Baye, Charlotte Rampling sind Frauen, deren Schönheit und Begabung gesehen und respektiert werden.

Würden Sie sich als Feministin bezeichnen?
Ich mag Männer sehr. Ich bekämpfe sie nicht. Aber ich wünsche mir, dass sich die Kultur unseres Zusammenlebens und unsere Rollenmuster weiter verändern, zum Wohl der Männer und zum Wohl der Frauen.

Haben Sie den Ausdruck »postsexuell« schon mal gehört?
Ja, und dann werde ich sehr wütend. Es ist unglaublich diskriminierend, so etwas zu sagen. Als hätten Frauen keine Existenzberechtigung als sexuelle Wesen, wenn sie nicht mehr reproduktionsfähig sind.

Es sind meistens Männer, denen zu Frauen so etwas einfällt.
Ja, aber ich würde es den Männern nicht vorwerfen. Es ist ein Rollenverständnis, das über Jahrhunderte als abgemacht galt und nicht hinterfragt wurde. Beide, Männer und Frauen, müssen ihr Weltbild ändern. Und die Frauen kämpfen gerade sehr erfolgreich darum. Sie beweisen, dass sie mehr können als Kinder zu kriegen. Sie beweisen, dass sie denken können und auch außerhalb ihrer eigenen vier Wände Arbeit leisten können, von der die Gesellschaft profitiert. Und dass sie darüber ihre Weiblichkeit nicht einbüßen müssen.

Nach wie vor geben einige Frauen ungern zu, wie alt sie sind. Weil sie Angst haben, dass das Alter sie entwertet, stärker als es die Männer entwertet. Empfinden Sie das auch so?
Ich bin 51 und habe immer zu meinem Alter gestanden. Ich glaube nicht, dass das Alter Frauen entwertet. Das Alter entwertet nur die Menschen, Frauen und Männer, die äußerlich altern und innerlich nicht mitwachsen. Es ist für niemanden leicht, alt zu werden. Man verliert die Schönheit der Jugend. Jeder tut das. Aber ich kenne Menschen, die alt sind und von innen heraus so schön, dass diese Schönheit nach außen strahlt. Es klingt vielleicht paradox, aber diese Leute haben sich oft etwas ganz Junges bewahrt. Als ich Model war, habe ich einmal mit Helmut Newton gearbeitet. Er war 81 und so voller Leben, so sehr in seinem Element, so leidenschaftlich hinter der Kamera, dass er unglaublich jung wirkte. Wie ein Kind, aber im besten Sinn. Begeisterungsfähig. Man muss wachsen und reifen und sich sein inneres Kind bewahren. Dann ist man schön.

Sie haben Ihre Kindheit und Jugend in einem kleinen Ort in Umbrien verbracht. Wie sehr war Ihre Mutter Ihr Vorbild?
Meine Mutter war fürsorglich und warm und sanft. Sie hat nicht gearbeitet, sie war immer da. Und auch wenn ich für meine Kinder nicht so da sein kann, wie sie es für mich war, hat sie mir ihren mütterlichen Geist weitergegeben. Allerdings – und das ist wirklich seltsam – hat sie mir nie hausfrauliche Tätigkeiten beigebracht. Nicht Kochen, nicht Bügeln. Aber Autofahren. Offensichtlich wollte sie, dass ich etwas anderes in meinem Leben mache als sie.

Wann haben Sie bemerkt, dass die Menschen Sie schön finden und die Männer Sie begehren?
In der Schule, so mit 13, 14 Jahren. Ich wurde ziemlich plötzlich vom kleinen Mädchen zur Jugendlichen. Mein Körper hat sich sehr schnell verändert.

Haben Sie sich damit schwergetan?
Gar nicht. Ich habe mich danach gesehnt, erwachsen zu werden. Ich war nicht glücklich mit mir als Kind, es war immer eine große Überwindung, auf andere zuzugehen. Ich habe immer gehofft, dass es besser wird. Und es wurde besser.

Es gibt eine interessante Schulanekdote über Sie: Als Teenager kamen Sie geschminkt in die Schule, und ein Lehrer wusch Ihnen das Make-up vom Gesicht.
Mein Lateinlehrer. Er hatte recht. Ich war 14, ich war viel zu stark geschminkt und wackelte auf sehr hohen Hacken in die Schule. Ich sah wirklich nicht aus wie ein Mädchen, das zur Schule geht. Damals fand ich es lässig, die Regeln, die galten, zu missachten und mir meine eigenen zu machen. Aber man muss lernen, sich einem Anlass und einem Ort entsprechend anzuziehen und zu benehmen. Und das habe ich gelernt.

Finden Sie nicht, dass der Lehrer ein bisschen weit ging?
Sie meinen, er war zu grob? Das war mein Lieblingslehrer. Er war supersympathisch, lustig, und er hat uns Schüler wirklich verstanden, aber er hat nicht geduldet, dass wir Spiele mit ihm spielen. Er hat mir das Gesicht ja auch nicht selbst abgewaschen, das wäre natürlich nicht gegangen. Er hat gesagt, so setzt du dich nicht in meine Klasse und mich auf die Toilette geschickt, damit ich mir die Schminke abwasche.

Sie spielen ja sehr oft die Verführerin…
Ich würde eher sagen, eine Frau, die von Männern benutzt und angegriffen wird. Eigentlich sind alle meine Rollen so: eine Frau, die der Gewalt der Männer ausgesetzt ist.

Warum tun Sie das?
Das müssen Sie die Regisseure fragen. Aber das Thema wiederholt sich ständig. Frauen, die vergewaltigt werden. Frauen, die Kinder aus einer Vergewaltigung bekommen. Frauen, die von Männern unterdrückt werden. So war es in der Vergangenheit, in Irreversibel, in Der Zauber von Malèna, so ist meine Rolle in Spectre, und so sind meine Rollen in den beiden Filmen, die noch nicht im Kino sind, Ville-Marie und On the Milky Road von Kusturica.

Entsprechend sieht man Sie auf der Leinwand oft in expliziten, manchmal brutalen Sexszenen. Eine der berühmtesten ist die fast unerträglich lange Vergewaltigungsszene in Irreversibel. Wie halten Sie so etwas aus?
Bei den Dreharbeiten zu Irreversibel haben wir manchmal zwanzig Minuten am Stück gespielt, ohne Pause, wie im Theater. Und dann fühlt sich der eigene Körper nicht mehr wie der eigene Körper an, sondern wie ein Instrument. Wie bei einem Tänzer. Man tritt aus sich heraus und agiert. Den Film haben die Leute gehasst oder sie haben ihn geliebt. Heute ist er Kult. Haben Sie Julianne Moore in »Short Cuts« gesehen, wie sie mit einem Mal nackt in der Küche steht, total schutzlos? Sie setzt ihren Körper ein, ohne jede Angst. Wenn man so etwas spielt, nimmt man den eigenen Körper nicht mehr wahr als den einer Frau, sondern als Werkzeug. Man achtet nicht darauf, ob man gut aussieht dabei.

Dabei wird in Frauenzeitschriften Frauen mittlerweile empfohlen, beim Sex nicht oben zu liegen, weil das unvorteilhaft sei.
Das ist traurig. Sehr traurig. Aber fragen Sie mich jetzt nicht nach Sex. Es passiert mir ständig, dass die Leute mein Image mit mir verwechseln.

Aber Ihre Regisseure legen Ihnen oft Sätze in den Mund, über die man gern mit Ihnen sprechen möchte. Wie: Ich bin dafür gemacht, dass die Männer mich lieben.
Das sagt eine Prostituierte. Bei ihr ist das natürlich so.

Sie sagt auch: Im Auto vögelt man, aber auf dem Zimmer liebt man sich.
Man braucht Fantasie beim Sex, egal wo er stattfindet.

Dritter Satz: Die Frauen, die beim Orgasmus besonders laut stöhnen, spielen ihn vor.
Da muss ich passen. Ich weiß nicht, was andere Frauen im Bett tun.

Sagt Ihnen Piero della Francesca etwas?
Ja. Ein Maler.

Er stammt aus einem Städtchen ganz in der Nähe Ihres Herkunftsortes. Ihr Lächeln, sagen manche, sei so rätselhaft und unnahbar wie das seiner Madonnen.
Ist mein Lächeln rätselhaft? Vielleicht. Ich komme aus Umbrien, und Umbrien ist das Land der Madonnen.

Sie leben schon ewig in Paris. Sind Sie im Herzen immer noch Italienerin?
Ich habe nur einen Pass. Einen italienischen. Also, ja. Ich liebe Frankreich, meine Kinder sind halb französisch und halb italienisch, aber ich bin durch und durch Italienerin und werde es immer bleiben. Trotz allem.

Was heißt trotz allem?
Das heißt, dass man an seiner Herkunft nichts ändern kann. Auch wenn du etwas anderes lieber wärst, bleibst du, was du bist. Deine Nationalität, die Scholle, aus der du kommst, macht dich aus. Der entkommst du nicht.

Foto: Gettyimages