»Kein Mensch erkennt das am Geschmack«

Mit gefälschten Weinen kann man gewaltige Geschäfte machen. Maureen Downey hat die Aufgabe, das zu verhindern.

SZ-Magazin: Wie viel Geld, schätzen Sie, wird derzeit mit gefälschtem Wein verdient?
Maureen Downey: Das weiß leider niemand. Was sich aber sagen lässt: Der berühmte Weinfälscher Rudy Kurniawan hat für mindestens 130 Millionen Dollar gefälschten Wein verkauft. Heute, zehn Jahre später, haben diese Weine einen Marktwert von 550 Millionen Dollar. Die meisten Weine, die Kurniawan fälschte, sind immer noch im Handel, sie liegen in Kellern in London, Stockholm oder Hongkong. Und Kurniawan ist nur einer von vielen Fälschern.

Werden die teuersten Weine auch am häufigsten gefälscht?
Kein Wein ist vor der Fälschung sicher. Bei sehr teurem Wein können Sie einen Riesengewinn machen, wenn Sie eine Flasche verkaufen, bei billigen Weinen macht es die Menge. Manche Weine werden gefälscht, weil man glaubt, sie wären von Stars angebaut worden. Der Miraval Côtes de Provence Rosé von Angelina Jolie und Brad Pitt beispielsweise, den man für zwanzig Dollar kaufen kann, wurde in Asien und Europa gefälscht.

Rudy Kurniawan war ein besonders unverfrorener Weinfälscher. Sie haben dem FBI geholfen, ihn 2012 zu schnappen. Wie kamen Sie ihm auf die Spur?
Die Geschichten, wie er an diese spektakulären Weine wie den Clos Saint-Denis kam, waren unglaubwürdig und die Auktionsbeschreibungen seiner Weine eindeutig Lügen. Das habe ich überall erzählt, aber niemand wollte es hören. Ich kenne Rudy seit 15 Jahren, damals schwärmte er von kalifornischem Merlot und handelte ihn für vierzig Dollar. Nur zwei Jahre später bot er 3000 Dollar teuren Pomerol aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren an.

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Was spricht dagegen?
Das sind einfach zu viele zu große Sprünge in zu kurzer Zeit.

Wie haben Sie ihn schließlich drangekriegt?
Weil nichts von dem, was er behauptete, stimmte und die Preise, die er auf Auktionen erzielte, utopisch waren, hisste ich die rote Flagge und suchte die Öffentlichkeit. Endlich schrieb die Journalistin Jancis Robinson, eine exzellente Weinkennerin aus England, in einem Fachmagazin darüber. Dann schaltete sich das FBI ein.

Kurniawan sitzt für zehn Jahre im Gefängnis. Ihnen ist es zu verdanken, dass das FBI nun eine eigene Abteilung für Weinfälschung hat. Dabei prüfen Sie so gut wie nie, ob der Wein selbst, also das, wofür das ganze Geld ausgegeben wird, gefälscht ist. Warum nicht?
Kein Mensch auf der ganzen Welt kann am Geschmack erkennen, ob ein Wein echt ist, das gilt vor allem für alte Weine. Wer das Gegenteil behauptet, lügt. Er schützt damit die Fälscher. Denn selbst zwei scheinbar identische Weine, die fünfzig Jahre den Keller des Winzers nicht verlassen haben, können völlig unterschiedlich schmecken. Wäre es möglich, echten Wein am Geschmack zu erkennen, hätte Rudy Kurniawan nicht ein Jahrzehnt lang gefälschten Wein verkaufen können, und Hardy Rodenstock wäre nicht mehr im Geschäft.

Hardy Rodenstock, ein deutscher Raritätenweinhändler, verkaufte Mitte der Achtzigerjahre Flaschen aus dem 18. Jahrhundert, in die angeblich Thomas Jefferson seine Initialen geritzt hatte. Laut einem Käufer sollen die Initialen aber mit modernem Zahnarztwerkzeug eingraviert worden sein.
Ja. Und er soll immer noch im Geschäft sein. Heißt es.

Wenn nicht am Wein, woran erkennt man dann Fälschungen?
Zum Beispiel daran, dass das Papier des Etiketts nicht so alt ist, wie der Wein behauptet zu sein. Oder daran, dass auf dem Etikett das Jahr 1950 steht, es aber mit einem Drucker ausgedruckt wurde, der erst seit zehn Jahren auf dem Markt ist. Oder dass sich auf den Korken ein anderer Schriftzug als auf den Originalflaschen befindet. Manchmal machen sich Fälscher nicht mal die Mühe, sich zu vergewissern, ob ein bestimmter Wein auch in dem Jahr abgefüllt wurde, das sie auf das Etikett schreiben. 2008 wollte Rudy Kurniawan viele Flaschen Clos Saint-Denis von Ponsot der Jahrgänge 1945 bis 1971 verkaufen. Allerdings wurde der erst seit 1982 produziert.

Ist das Weinsammeln zu einem Sport der Wohlhabenden geworden?
Seit den Neunzigerjahren gibt es besonders in den USA eine neue Generation von reichen Weinsammlern und Weintrinkern. Weil sie aber keine Weinkenner sind, die sich ihr Wissen über Jahre angeeignet haben, zapfen sie alle Quellen im Internet an, lesen sämtliche Kritiken und werden mit der Zeit zu selbst ernannten Experten. Sie alle haben ein großes Ego und sind überzeugt, dass ihr Wissen immens ist. Kurz, in ihrer Selbstüberschätzung bieten sie ein hervorragendes Ziel für Betrüger und Fälscher.

Ist das in Europa anders?

Europäer bauen ihr Wissen über Wein und ihre Weinsammlungen seit Generationen auf. Und sie vertrauen viel mehr den persönlichen Beziehungen zu Händlern, als das in den USA der Fall ist.

Mischen auch reiche Russen und Chinesen in diesem Geschäft mit?
Sicher. Im Moment befinden sich Russen und Chinesen, was den Wein betrifft, auf dem Level der amerikanischen Sammler vor zehn, 15 Jahren.

Kann ein echter 200 Jahre alter Château Lafite eigentlich noch gut schmecken?
Kommt drauf an.

Worauf?
Auf die Flasche, ihre Geschichte und ihre Aufbewahrung. Sammler von Spitzenweinen trinken die Weine fast nie. Sie wollen sie besitzen.

Das heißt, eine gute Weindetektivin muss fast nichts vom Wein verstehen?
Stimmt. Nur weil sich jemand mit Trauben und Anbaugebieten auskennt, heißt das noch lang nicht, dass er echte von gefälschten Weinen unterscheiden kann. Die Authentifikation von Weinen ist ein völlig anderes Metier, das nach ganz anderen Regeln spielt. Es ist immer wieder frustrierend zu sehen, wie viele Weinhändler glauben, die Echtheit von Weinen beurteilen zu können, nur weil sie seit dreißig oder vierzig Jahren im Geschäft sind. Schlimmer noch: Diejenigen, die für sich das größte Wissen reklamieren, machen meistens das größte Geschäft mit gefälschten Weinen.

Sie meinen, unabsichtlich?
Ich glaube, entscheidend sind vor allem Gier und Ignoranz – und die Weigerung, sich das einzugestehen.

Sie haben gerade eine eigene Webseite freigeschaltet, winefraud.com, die Enthusiasten begeistern will, darüber hinaus aber auch Sammlern wie Händlern Hinweise gibt, ob ein begehrtes Sammlerstück gefälscht sein könnte. Helfen Sie mit diesem Fachwissen nicht auch automatisch den Fälschern?
Das Risiko besteht. Darum halten wir einige Informationen zurück, wir sagen beispielsweise nicht, was Weinproduzenten alles tun, um ihre Marke zu schützen. Wer aber Mitglied wird, kann lernen, worauf man beim Kauf eines Weines achten sollte, er kann sich Bilder gefälschter Weinflaschen ansehen, die eine Menge erzählen und bei denen schnell Ungereimtheiten ins Auge fallen. Trotzdem, es wird eine Gratwanderung bleiben, einerseits Händler und Sammler darin zu schulen, woran sie Fälschungen erkennen können, und andererseits die Weinerzeuger zu schützen.

Wie wurden Sie Weindetektivin?
Ich habe Weinbau studiert und vor 15 Jahren begonnen, bei Auktionshäusern zu arbeiten. Ich habe ein gutes Auge. So fiel mir bei einer Reihe von Weinen auf, die nebeneinander standen und angeblich alle gleich sein sollten, dass ein oder zwei Flaschen ein bisschen anders aussahen. Ich rief die Erzeuger oder Importeure an, sammelte überall Informationen. Ich war meine eigene Lehrerin, ich verließ mich auf meinen Instinkt, es gab niemanden, den ich hätte fragen können.

Was trinken Sie gern?
Ich liebe Burgunder. Und Champagner.

Was ist der wichtigste Rat, den Sie einem Weinsammler geben können?
Erstens: Stellen Sie dem Händler Fragen zur Herkunft des Weines. Kann er die nicht oder nur schlecht beantworten, wenden Sie Punkt zwei an. Zweitens: Stellen Sie sich darauf ein, einfach zu gehen. Drittens: Kaufen Sie seltene und teure Weine nur bei einem Händler, dem Sie vertrauen. Und viertens: Wenn Ihnen ein angebliches Schnäppchen statt für 5000 Dollar für 3000 Dollar verkauft wird, haben Sie nicht 2000 Dollar gespart, sondern 3000 Dollar für einen Zehn-Dollar-Wein bezahlt.

Illustration: Studio Takeuma