Spuren der Sklaverei

Im Süden des Irans lebt eine fast vergessene Minderheit: Die Afro-Iraner, deren Vorfahren einst als Sklaven oder Seeleute ins damalige Persien kamen. Der Fotograf Mahdi Ehsaei hat sich auf die Suche nach ihnen gemacht.

Name: Mahdi Ehsaei
Alter:
26
Ausbildung:
Diplom-Designer (FH), Hochschule Darmstadt  
Website: www.mahdi-ehsaei.com

SZ-Magazin: Worum geht es in Ihrem Foto-Projekt »Afro-Iran«?
Mahdi Ehsaei: Um eine Facette des Landes, die selbst Einheimischen weitgehend unbekannt ist. Im Süden des Iran gibt es eine ethnische Minderheit, die das Erbe ihrer afrikanischen Herkunft in Kleidungsstil, Musik und Tanz sowie in ihren mündlichen Überlieferungen und Ritualen bis heute aufrecht erhält. Für das Projekt bin ich im Frühjahr 2014 in die südiranische Provinz Hormozgan am Persischen Golf gereist, wo Nachfahren von versklavten Afrikanern und Händlern aus Afrika leben. Neben den Fotos habe ich mich auch mit der Geschichte dieser Minderheit befasst.

Wie kam es denn dazu, dass Afrikaner vor langer Zeit im damaligen Persien gelandet sind?
Die Hafenstädte und Inseln am Persischen Golf waren für die europäischen Handelsmächte von großer strategischer Bedeutung und wurden ab dem 16. Jahrhundert nach und nach von ihnen in Besitz genommen. Die Europäer handelten neben vielem anderen auch mit Sklaven, die zum Großteil aus Ostafrika kamen. Aber auch arabische Händler brachten vom 17. bis 19. Jahrhundert Afrikaner über den Indischen Ozean von der Suaheli-Küste in den heutigen Irak, Iran, Kuwait und Türkei. Männliche Sklaven wurden oft als Diener, Soldaten oder einfache Arbeiter eingesetzt, während Sklavinnen auch als Konkubinen und Vertraute in Harems gehandelt wurden. Es ist jedoch wichtig zu erwähnen, dass nicht alle Sklaven im Iran Afrikaner waren und nicht alle Afrikaner durch Sklaverei nach Iran kamen. Es gab auch eine große Anzahl von Sklaven aus dem südlichen Russland und dem Kaukasus im Norden, während einige afrikanische Seeleute im Zuge ihrer Arbeit in den Iran kamen und sich aus freien Stücken entschlossen zu bleiben. 1928 wurde die Sklaverei abgeschafft, seitdem sind die Iraner afrikanischen Ursprungs eine zwar nicht sonderlich bekannte, aber gut integrierte Minderheit.

Meistgelesen diese Woche:

Die Afro-Iraner werden also nicht wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert?
Seit der Ankunft der Afrikaner im Iran vor mehr als 400 Jahren bilden Afro-Iraner eine vollständig integrierte Minderheit in der multiethnischen iranischen Gesellschaft. Doch genau so wie in jedem anderen kulturell vielfältigen Land gibt es auch im Iran Aspekte, die nicht beispielhaft sind. Während meines zwei monatigen Aufenthalts im Süden Irans habe ich jedoch keine Art von Diskriminierung gegenüber den Afro-Iranern erlebt. Das Thema der Afro-Iraner ist allerdings sehr umfangreich und es gibt noch viele Aspekte, mit denen ich mich in meinem nächsten Projekt konkreter befassen möchte. Ein Schwerpunkt wird dann sicherlich die heutige Stellung der Afro-Iraner in der iranischen Gesellschaft sein.

Wissen Sie, wie groß diese Minderheit ungefähr ist?
Nein, genaue Zahlen kenne ich leider nicht.

Abgesehen von ihrer Hautfarbe - was unterscheidet die Afro-Iraner vom Rest der iranischen Bevölkerung?
Vor allem die Kultur. Die Afro-Iraner haben die Musik und den Tanzstil dieser Region geprägt, und es haben sich auch Bräuche erhalten, die eindeutig afrikanischen Ursprungs sind. In einem Dorf bei Bandar Abbas konnte ich zum Beispiel an einer »Zar«-Zeremonie teilnehmen – einer Art von Teufelsaustreibung, bei dem sich die Teilnehmer mit Hilfe von Musik und Tanz in Trance versetzen, um betroffene Personen von psychischen Krankheiten zu befreien. Bemerkenswert ist auch die Gastfreundschaft der Afro-Iraner. Ich habe insgesamt zwei Monate in dieser Gegend verbracht und bin dort von vielen wie ein alter Freund aufgenommen worden.

Wie sind Sie selbst denn auf die Afro-Iraner gestoßen?

Meine Eltern stammen aus dem Iran, deshalb interessiert mich das Land sehr und ich bin schon oft dort gewesen. Vor fünf Jahren haben wir in den Sommerferien meine Großeltern besucht und waren auch bei einem Fußballspiel in Shiraz. Die gegnerische Mannschaft kam aus Hormozgan, ihr Fan-Führer war ein dunkelhäutiger Iraner, der die Spieler auf eine für mich neue Art und Weise anfeuerte. Diesen Moment habe ich mit meiner Digitalkamera aufgenommen. Ich habe mich dann umgehört und schnell von der Minderheit der Afro-Iraner erfahren. Das alles hat mich so interessiert, dass ich mich schließlich entschieden habe, sie zum Thema meiner Diplom-Arbeit zu machen - dabei inspiriert von einem Mann namens Antoin Sevruguin, der von 1830 bis 1933 lebte, einer der ersten Fotografen im Iran war und schon damals die vielen verschiedenen demografischen und ethnischen Gruppen des Landes dokumentiert hat.

Gibt es ein Foto aus der Serie, das Ihnen besonders viel bedeutet?
Obwohl jedes Bild für mich mit einer Geschichte verknüpft und somit besonders ist, wäre das wahrscheinlich das Foto mit dem kleinen Jungen am Strand. Es entstand in der ersten Woche meiner Aufnahmen in Bandar Abbas. Ich war im Khaje-Ata-Viertel unterwegs, einer Gegend nahe des Hafens. Es war nachmittags, die Sonne ging langsam unter, ich sah mehrere Jungs am Meer spielen, darunter einen mit einer orangenfarbenen Badehose. Als ich ihn fragte, ob ich ein Bild von ihm schießen darf, blieb er mit seinem Stock stehen und formte seinen Körper. Es war nur einen kurzer Augenblick, in dem er sich aus seinem Kindsein herauslöste. Als ich mein Gesicht von der Kamera entfernte, fing er wieder an zu spielen. Was mir an dem Bild gefällt ist die Emotionalität, die es vermittelt. Was der kleine Junge nicht wusste: dass er genau dort spielte, wo seine Vorfahren vor einigen Jahrhunderten Fuß fassen mussten.

Mahdi Ehsaeis Projekt »Afro-Iran« ist auch als Buch erschienen. Nähere Informationen finden Sie hier.

Fotos: Mahdi Ehsaei