Wer im Netz lacht, lacht am besten

Wer im Internet seine Belustigung ausdrücken will, orientiert sich neuerdings wieder am analogen Leben: »Haha« ist dabei, »LOL« zu verdrängen. Aber: noch nicht überall.

»Haha, LOL ist out!«, schrieb ich einer Freundin neulich. Kurz zuvor hatte meine Facebook-Timeline mir zahllose Artikel angezeigt mit Überschriften wie »Haha has killed LOL«, »LOL is outdated« oder »Why LOL is on the verge of extinction«. »Haha!«, antwortete meine Freundin, dazu schickte sie einen animierten lachenden Hund, der sich den Bauch hält.

Wie man im Internet lacht: sehr spezifisches Thema. Aber bei Weitem kein unwichtiges. In welchen Codes digital gelacht wird, sagt sehr viel über die Art, wie dort überhaupt kommuniziert wird, welcher Ton und welcher Geist herrschen, wie Menschen sich gegenseitig einschließen und ausschließen. Lachen ist im Internet ein sehr häufiges Phänomen, zumindest das vorgebliche Lachen – weiß ja niemand, ob der andere tatsächlich gerade vor seinem Computer sitzt und lacht, wobei sich auch das gerade ändert, aber der Reihe nach.

Mein digitales Lachen war zu Anfang ein Schmunzeln. 1995 war das Internet noch ein Spielplatz weniger Eingeweihter, und um wirklich dazuzugehören, war es wichtig, dass die digitale Belustigung auch digital aussah: mit Sternchen. *kicher*, *schmunzel*, *gacker* – das Lachen so aufzuschreiben, hatte was von einem Comicstrip. Das diente natürlich der Abgrenzung von denen, die nicht im Internet waren. Das waren viele. So schmunzelte ich mich mit anderen durchs Internet, bis ich 1999 mein erstes Handy kaufte. Damit verschickte ich vor allem Satzzeichengesichter per SMS, wenn ich etwas lustig fand. Semikolon Klammer zu (ziemlich lustig), Doppelpunkt Klammer zu (lustig), Doppelpunkt großes D (sehr lustig).

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Etwa in der gleichen Zeit begann »Laughing Out Loud«, kurz: LOL, sich seinen Weg zu bahnen. Obwohl diese Abkürzung schon seit den frühen Achtzigerjahren existiert hatte, wurde sie erst jetzt richtig populär. Wem das nicht reichte, der rollte sich lachend auf dem Boden: ROFL – Rolling On the Floor Laughing, der hysterische Bruder von LOL.

Wer also sein Amüsement ausdrücken wollte, musste dies in den Neunziger- und Nullerjahren abstrakt tun. Lautmalerische Belustigung war undenkbar, und wenn doch, dann nur ironisch, es war ja überhaupt alles ironisch damals: »Hihi«. »Hihi« hieß: »Ich lache, aber nur aus Höflichkeit.« Ein zögerliches, mitleidiges Lächeln, wo jedes LOL zu viel des Guten wäre.

Als LOL inflationär wurde, setzte es sich in den vergangenen Jahren allmählich durch, Witze auf althergebrachte Art zu kommentieren: »Witzig!«. Oder: »Lustig!« Es war weitaus schwieriger geworden, sich von Menschen abzugrenzen, die nicht im Internet waren, denn die gab es praktisch nicht mehr – und so ist es heute auch. Das neue, unironische »Haha!« ist der direkte Nachfahre von »Witzig!« und »Lustig!«, und die Abgrenzung funktioniert paradox: Die Digitalaffinen machen sich jetzt von den nicht so Affinen dadurch unterscheidbar, dass sie sich analog ausdrücken – ein Manufactum der Internetsprache. Die Abkehr von Codes ist der neue Code, und wer da nicht mitmacht, sondern LOL schreibt, herrje, der bestellt bestimmt auch noch bei Ebay.

Diese Retro-Entwicklung ließe sich wohl nur noch steigern, indem man – persönlich, physisch – lachen würde und dieses Lachen aufnähme, um die Tonaufnahme dann an allerlei Leute zu verschicken wie früher mal ein Mixtape. Merkwürdige Idee? Mag sein, aber bei Facebook ist das inzwischen möglich.

Illustration: Andy Rementer