Wie, du heißt gar nicht Sylvia?

Millionen von Deutschen haben ihren Sexpartner im Bett schonmal mit dem falschen Namen angesprochen. Aber was dann? Soll man stammeln, witzeln oder lieber hektisch Goethe zitieren?

Es gibt eine gesellschaftliche Gruppe in Deutschland, die keine Lobby hat, obwohl sie dringend eine brauchen könnte, denn sie ist einem außerordentlichen Verletzungsrisiko ausgesetzt ist. Es sind jene etwa 12 Prozent aller Befragten, die angeben, ihren Sexpartner oder ihre Sexpartnerin schon einmal mit einem falschen Namen angesprochen zu haben. Nicht beim Spazierengehen oder vor Gericht, sondern eben beim Sex. Wenn wir konservativ von etwa 60 Millionen Volljährigen in Deutschland ausgehen, müssen wir von einer schwindelerregenden Zahl von mindestens 9 Millionen Selbstgefährdern ausgehen: Volkskrankheit Sexpartnerverwechslung.

Über die Ursachen dieses Phänomens ist wenig bekannt. Manche Experten vermuten Schusseligkeit, andere einen latenten Drang zur Selbstzerstörung, der sich in Momenten des Kontrollverlusts (Sex) Bahn bricht. Sexpartner, die beim Sex mit dem falschen Namen angesprochen werden, vermuten hingegen, dass hinter dem Phänomen einfach nur steckt, dass der Schussel mit dem schlechten Namensgedächtnis in Wahrheit lieber mit jemand anderem Sex hätte. Aus diesem Grund gibt es dann in solchen Verwechslungsmomenten natürlich richtig Ärger: bestenfalls ein Grundsatzgespräch bis ins Morgengrauen, im Zweifelsfall den sofortigen Rauswurf. Und der Sex ist natürlich auch vorbei.

Wie also soll man sich verhalten, wenn »es« einem passiert ist? Hektisch Goethe zitieren, wird kaum reichen (»Gefühl ist alles/Name ist Schall und Rauch/Umnebelnd Himmelsglut«). Wie in allen Situationen, die erhöhte Schlagfertigkeit erfordern, hilft natürlich ein kleiner Scherz: »Wie, du heißt gar nicht Sylvia? Und das sagst du mir jetzt, nach dreizehn Jahren Ehe?« Oder, leicht ins Absurde gewendet: »Ach stimmt, wir duzen uns ja.« Nicht bewährt hat sich die Variante: »Wieso? Ich wollte mal ausprobieren, wie der Name zu dir passt. Und es stimmt, deiner ist viel schöner.« Wenn schon, dann muss man, wenn man die Verwechslung schnell genug bemerkt, möglichst viele andere Namen hinterherschicken. Allerdings erfordert diese Methode ein gewisses theatralisches Temperament: »Sylvia! Birgit! Monika! Iliane! Mit jeder Sekunde mit dir schwindet die Erinnerung an alle Frauen, die ich je gekannt habe!«

Meistgelesen diese Woche:

Lexikalisches Geschick hingegen erfordert es, in diesem Moment den fälschlich gewählten Namen noch während man ihn ausspricht gewissermaßen zu entschärfen: »Sylvi...ester ist. Auch. Schon. Wieder. So. Lange. Her. Wollen wir dieses Jahr eigentlich Raclette oder Fondue machen?« Um dann, darauf hingewiesen, dass man beim Sex ja wohl nicht mehr derartig unzeitgemäßen und unerotischen Themen kommen könne, zu parieren, man tue dies nur, um den Akt durch Erregungsmanagement zu verlängern.

Mit hohem Risiko behaftet ist die Variante, den fälschlich geäußerten Namen umzudeuten: »Sylvia. So soll. Das Kind. Heißen. Das ich. Mit dir. Zeugen will.« Dies funktioniert im allgemeinem nicht bei gleichgeschlechtlichem Sex und ansonsten auch nur, wenn die Familienplanung nicht bereits abgeschlossen ist. Und wenn nicht, bleibt die Gefahr, dass man den Rest seines Lebens ein Kind mit einem Namen hat, der einem unter Umständen nicht gefällt, und der in jedem Falle mit zwiespältigen Erinnerungen behaftet ist.

Illustration: Eugenia Loli