»Da wusste ich: Wir müssen uns trennen«

Wie die Liebe endet: Sieben Menschen erzählen von dem Moment, als sie einsahen: das wird nichts mehr.


Birgit H., 40, Duisburg

»Mein Freund wollte nicht mit mir zusammenziehen. Er braucht seine Freiheit, sagte er immer. Er wollte nicht heiraten, keine Kinder, keine Verantwortung. Ich hab manchmal darunter gelitten, aber ich habe mich genauso oft gefragt, ob ich eigentlich wirklich Kinder will oder heiraten oder zusammen leben. Wir hatten drei schöne Jahre. Aufregende Jahre. Dann wurde mein Großvater krank. Ich fuhr hin. Ohne ihn. So war das oft. Ich rief ihn an und erzählte, wie traurig alles war. Er sagte, ›gut, dass ich nicht mitgekommen bin‹. Da wusste ich, dass ich mir jemanden wünsche, der sagt: ›Schade, dass ich jetzt nicht bei dir bin.‹«

Gerhard W., 62
»Es waren die Achtziger, wir lebten in einer hedonistischen Ausgehblase, ich junger Anwalt, sie Studentin. Linda und ich hatten noch gescherzt, dass wir in ein Haus mit zwei Wohnungen ziehen und beim Frühstück gucken, wer den besseren Typen abgeschleppt hat. Dann wurde sie schwanger von mir. Ich bin schwul, war es schon immer, aber das ist nicht der Punkt. Ich wollte, dass das Kind in familienähnlichen Strukturen aufwächst. Was kann denn ein Kind dafür, dass die Dinge sind, wie sie sind? Meine Eltern kamen aus durchschnittlichen Verhältnissen und arbeiteten ein Leben lang für das Haus, in dem ich heute wohne. Ich war 31, als meine Mutter starb, ein aggressiver Hirntumor. Innerhalb von vier Wochen verschwand sie. Erst war das eine Bein weg, dann das andere. Dann der eine Arm, dann der andere. Bis sie ganz weg war. Auf einmal hatte ich ein ganz anderes Bedürfnis nach Nähe und Familie.
Weihnachten 1985. Ich saß mit meinem frisch verwitweten Vater bei Lindas übermächtiger Großfamilie, das Kind war unterwegs. Auf dem Tisch Pläne, wie alles sein soll, Wohnung, Büro. Dann fiel der Satz: ›So blöd wie deine Eltern bin ich nicht und spare mein ganzes Leben auf eine Immobilie.‹ Peng! Mein Vater und ich saßen für einen Moment mit eingefrorenem Gesicht da, bis weitergeredet wurde. Diese Bemerkung verspottete das, wofür meine Eltern ein Leben lang gearbeitet hatten. Das war der Moment, in dem klar war: dich werde ich nie heiraten.
Linda und ich haben sieben Jahre zusammengelebt. Unter anderen Umständen hätte ich sie geheiratet. Wie das hätte aussehen sollen? Ich hätte es so gemacht wie viele Männer, wäre fremdgegangen. Nur eben mit Männern, nicht mit anderen Frauen.«

Julia B., 28
»Endlich mal einer, der keinen Zirkus veranstaltet, kein künstliches Kurznachrichten-Gefecht herausfordert, bevor man sich trifft. Einer, der schreibt: ›Hallo Julia, Adriano hier, der Spanier vom Freitag. Darf ich dich auf einen Kaffee einladen?‹ Treffen im Café also. Draußen regnet es, das Gespräch verläuft freundlich, etwas schleppend. Normal, denke ich. Und dann passiert es. Die Bedienung kommt, ich bestelle eine Tasse Kaffee. Und Adriano? ›Ich weiß nicht, ob ich grünen Tee oder heiße Schokolade bestellen soll.‹ Die Bedienung bringt meinen Kaffee. Adriano? Weiß es immer noch nicht. Der Spanier, der mich auf einen Kaffee einladen wollte, kann sich eine Viertelstunde nicht entscheiden, ob er eine heiße Schokolade oder einen grünen Tee trinken will. Jetzt könnte man sagen, die stressige Deutsche und der coole Spanier. Aber nein, keine südländische Gelassenheit, schiere Überforderung. Es gibt nichts, das weniger attraktiv ist, als Überforderung, die sich in Männergesichtern abzeichnet. Und es mag viele Gründe geben, aus denen man zu Recht überfordert sein kann. Eine Entscheidung zwischen zwei Heißgetränken gehört nicht dazu. Mit dem Gefühl, vier Stunden im Café gesessen zu haben, trotte ich durch den Regen zur U-Bahn. Ein Blick auf die Uhr verrät: Die Verabredung hat 40 Minuten gedauert. Was Adriano getrunken hat, weiß ich nicht mehr.

Meistgelesen diese Woche:

Johannes K., 30
»Sie sah eigentlich aus wie eine Tussi aus dem Bilderbuch, war aber gleichzeitig so verdammt schlau und so verdammt heiß. Kennengelernt hatten wir uns vor zehn Jahren im Krankenhaus, sie Ärztin, ich Zivi. Sie hatte einen Freund, ich später eine Freundin, über Jahre hielten wir locker Kontakt. Irgendwann trafen wir uns, die Anziehungskraft war immer noch so groß, sie küsste mich. Mit dieser Frau wollte ich mein Leben verbringen! Es war die erste Beziehung auf Augenhöhe, die ich je hatte. Ich habe mich relativ schnell von meiner Freundin getrennt. Und sie? Bekam erst einen Antrag von ihrem Freund, den sie ›aus Höflichkeit‹ angenommen hat. Aber nein, das war noch nicht der Moment, in dem es mir zuviel wurde. Zuviel war es auch nicht, als sie sich wieder nicht getrennt hatte, wieder nicht ausgezogen war und sogar noch mal mit ihm in den Urlaub fuhr. Ich dachte immer, jetzt aber wirklich. Jetzt aber. Der Moment, an dem mir klar war, das war's, war der Moment, auf den ich eigentlich so lange gewartet habe. Es war Neujahr, wir hatten gerade miteinander geschlafen. Sie weint, blickt mir in die Augen und sagt: ›Ich liebe dich.‹ Ich hatte es nicht gemerkt, aber ihr Zögern und Zweifeln hat meine Liebe peu à peu kaputt gemacht. Ich konnte einfach nichts erwidern. Da hat es von meiner Seite nur zu einem ›Super, das hättest du auch mal früher sagen können‹ gereicht. Dann ist sie gefahren und nie mehr gekommen.

Charlotte W., 94
»Ich war mit dem 'ne Radtour machen, und er ging immer so hoch mit seinem Hintern, ich dachte mir schon: Warum geht der immer so hoch mit seinem Hintern? Das kann doch nicht normal sein. Und dann hat der gefurzt! Ich hab das erst gar nicht gehört. Aber da war es dann vorbei für mich. Ich dachte, der furzt immer, ha! Mein Mann war zu dem Zeitpunkt schon tot. Zwei Jahre später, 1960, habe ich dann die Liebe meines Lebens kennengelernt.«

Sabine P., 55
»Früher war mein Mann lustig, wach, liebenswert. Jetzt schläft er viel. Es fing mit dem Tod seiner Mutter an, da hat es ihm den Boden unter den Füßen weggerissen. Dann wurde er gekündigt. Ich war immer für ihn da, aber das reichte ihm anscheinend nicht. Mein Mann spielt Cello. Seine Geliebte auch. Sie ist sogar älter als ich. Ich verstehe nichts von Musik. Er geht. Kommt wieder. Geht. Kommt wieder. Ich kann nicht mehr. Die letzten fünf Jahre waren voller schlimmer Momente. Schwer auszumachen, wann die Liebe gegangen ist. Ich glaube, es war, als mein Mann nicht zur Abiturfeier unseres Sohnes gekommen ist. Oder als er mir sagte, dass er mich unattraktiv findet? Dass etwas so eine hässliche Fratze zeigen kann, was einmal Liebe war... Was mich hält? Das Haus, die Kinder, meine Angst. Ich, einen anderen Mann? Nie im Leben. So etwas will ich nie, nie wieder erleben.«

Carmen S., 35
»Unsere Beziehung war immer schwierig. Viel Streit, viel Drama. Über mehrere Tage zogen sich unsere Auseinandersetzungen, schwollen an, ebbten ab, endeten immer – so verlangte es die Dramaturgie – nervenzusammenbruchartig. Dazwischen hatten wir wieder gute Phasen, planten die Zukunft, sprachen über Kinder. Aber innerlich wusste ich, dass es das nicht sein konnte, dass die Liebe leichter sein sollte, gerade in diesen ersten Jahren. Gehen konnte ich trotzdem nicht. Ich war einfach immer noch so sehr verliebt. Der Moment, als ich wusste, jetzt schaffe ich es: Wir hatten mal wieder Streit, warfen uns Schimpfwörter an den Kopf, als er zu einer Vase griff, die meine Mutter mir geschenkt hatte, und sie nach mir warf, ich hatte ihm in diesem Moment den Rücken zugekehrt. Nicht nur, dass er mich hätte treffen können. Er hatte etwas mit Absicht kaputt gemacht, von dem er wusste, dass es mir viel wert war. Wir trennten uns noch am selben Tag. Und sprachen bis heute keine zehn Sätze miteinander.

Haben Sie auch einen solchen Moment erlebt? Dann schreiben Sie uns an online@sz-magazin.de. Die bewegendsten veröffentlichen wir anonym in einer zweiten Folge.

Foto: Plainpicture / Sabine Koe