Folge 39: Tanz den Dispo

Sie können diesen Mietvertrag unterschreiben, nur leben können Sie dann nicht mehr, sagte der Steuerberater unserer Kolumnistin vor einem Jahr. Seitdem haben ihre Töchter eigene Zimmer. Und sie selbst hat jetzt auch etwas: Zuversicht.

Keinen Koffer mehr in der Stadt sondern ein Zuhause, denke ich, als ich mit den Kindern vor unserer Wohnung stehe, Ostermontagabend, am Ende einer Reise. Vor der Tür ein Körbchen mit Schokolade, daneben eine Karte, Zeilen meiner Nachbarn. Hier also wohnen wir. Und weil mich das froh macht, das mit der Schokolade und dem Wohnen, lese ich die Karte zweimal.

Vor einem Jahr sind wir eingezogen. Worte meines Steuerberaters im April 2015: Sie können diesen Mietvertrag unterschreiben, nur leben können Sie dann nicht mehr. Ich höre auf zu essen, verspreche ich ihm, Hauptsache, ich wohne im freundlichen Haus des Herrn Pfeiffers mit drei f. Dann habe ich Instant-Nudelsuppen gekauft und Stullen in Papiertüten mit ins Büro genommen, zwei Tage lang, bis ich dachte, vielleicht geht auch beides, wohnen und leben. Bis ich dachte: Ismiregal.

Seit zwölf Monaten haben Martha und Louise eigene Zimmer und Katze Karoline ein eigenes Klo mit Biostreu. Der finale Sturz in die Armut ist ausgeblieben. Ich kann für uns alle aufkommen. Darauf bin ich stolz. Ich lasse die Gastherme warten. Ich habe Ordner angelegt, in denen ich Rechnungen und Verträge abhefte. Ich kontrolliere meinen Kontostand, wenn es sein muss, und werde unruhig, wenn er sich unter Null befindet.

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Ich war lässiger, als Jan und ich uns das Risiko teilten. Wir waren gut im Dispotanzen. Jetzt weiß ich nichts mehr über seinen Kontostand und er nicht über meinen. Was bleibt sind Vermutungen. Beobachtungen. Wie, du kaufst im Bioladen ein? Ihr fahrt schon wieder weg? Einmal telefoniere ich mit Jan, während er Fastfood beim Afghanen bestellt. Ich höre den Verkäufer sagen, 35,80 Euro und stürze in eine Krise: So viel Geld für zwei Portionen in Styropor? Wie reich seid ihr denn? Komische Angst, dem Anderen könnte es besser gehen. Komisch, sich durch das Glück des Ex-Partners im Nachteil zu fühlen. Geld war doch immer egal, warum werden wir heimlich kleinlich, irgendwie hässlich?

Richten Sie ein Kinderkonto ein, sagt Frau L., sie ist Anwältin und Mediatorin und hilft uns, verbindliche Absprachen zu treffen. Da wir uns die Kinderbetreuung teilen, ist keiner von uns unterhaltspflichtig. Wir sind unabhängig voneinander. Und doch verwickelt. Das Kinderkonto soll uns entwirren. Jeder überweist monatlich einen Betrag, mit dem wir Zirkustraining und so weiter bezahlen. Überweise, so viel du kannst, sagt Jan. Ganz kurz sehe ich meinen Steuerberater verzweifelt mit den Armen rudern, ein überholtes Bild. Ja, klar zahle ich. Kann ich. Wie viel, werden wir mit Frau L. herausfinden.

Illustration: Grace Helmer