Gegessen wird, was aus dem Labor kommt

Keiner hat die Sterneküche zuletzt so verändert wie der Chemiker Hervé This. Nun schickt er sich an, die Ernährung der Welt zu revolutionieren: Fleisch, Obst und Gemüse sollen komplett künstlich erzeugt werden.

Halt! Nichts auf die Flächen legen. – Wie bitte? – »Ich mach keine Witze. Ich hafte für nichts. Eigentlich lasse ich Besucher unterschreiben, bevor sie in mein Büro dürfen.« Er deutet auf seinen Kittel. Ein gelblichweißer Kittel mit Löchern drin: Verätzungen. Auf der Brusttasche, schon verblasst, mit Edding geschrieben, sein Name: Hervé This.

Ein geachteter Chemiker. Gleich zwei Nobelpreisträger erkannten sein Talent, förderten ihn, und er wurde Professor am bekannten Pariser INRA-Institut zur Legende aber wurde This in einem anderen Zweig: in der Küche. Er kann aus Schokolade Schlagsahne und ein hart gekochtes Ei wieder flüssig machen. Er ist der Vater der Molekularküche. Keiner hat das Essen unserer Zeit mehr geprägt.

»Wir sind alle seine Kinder«, sagt Ferran Adrià, vielfach »Bester Koch der Welt«.

Meistgelesen diese Woche:

»Wenn einer das Kochen verändern kann, dann er«, sagt Heston Blumenthal, Großbritanniens Drei-Sterne-Meister.

Und der bekannte Maître Pierre Gagnaire lässt sich von ihm, dem Vater der Molekularküche, Monat für Monat Rezepte und Kochideen entwerfen, oft sind sie benannt nach Chemikern: Liebig, Wurtz, Priestley.

Erdacht und erprobt werden diese Rezepte in diesem, nennen wir es mal Büro, in dem man, um keinen Schaden zu nehmen, nicht mal unbedacht seinen Rucksack ablegen darf. Links ein Tisch, Rechner, Papiere; rechts Arbeitsflächen, eine Herdplatte, Geschirr, Behältnisse, Chemikalien; dazwischen ein Regal mit Kuriositäten, eine versteinerte Kartoffel, ein zehnjähriges Ei, Einweckgläser mit Flüssigkeiten, die an Tod und Verderben denken lassen.

»Na«, fragt This, »was kochen wir? Steak?« Rückwärts, sozusagen, à la This. Ein Steak, sagt er, lässt sich zerlegen, in Eiweiß, Wasser, Fett – und es lässt sich daraus auch wieder bauen. Molekularküche war gestern, nun beginnt die Zauberei.

Mit einem Pluff staubt das Eiweißpulver in die Schüssel. Wasser drauf. Und Öl, aus einer Plastikflasche, die im Supermarkt mal ganz unten stand. »Kostet nichts. Null«, sagt This. Er rührt mit einen Schneebesen, murmelt dazu: »Moussemoussemousse.« Noch sieht es aus wie Kleister. »Welche Farbe?« – Wie? – »Na, welche Farbe soll das Steak haben?« – Braun natürlich. – »Braun wird es, wenn es brät. Grün?« – Okay. – »Pistaziengrün?« – Hört sich gut an. – This kramt eine Dose hervor: »Das schmeckt aber nach nichts, es färbt nur.« E102 – E131.

»Nun muss Geschmack dran.« Ein Klopfer aus einer geheimnisvollen verrosteten Dose. Eine groooße Prise Salz. »Pilze?« – Gerne. – »Pilze ist vielleicht nicht ganz richtig:« 1-octen-3-ol, aus einer Plastikflasche. »Oh, ein wenig viel. Und nun, ganz wichtig, Glukose.« Aus einer Tüte, die an die Mörtelabteilung im Baumarkt erinnert. »Für einen schönen Abgang.«

Und so kocht er vor sich hin, der Mann im zerlöcherten Kittel, der in der Weltküche einen Rang einnimmt wie Stockhausen und die Beatles in der Musik: Sie haben ihre Kunst in die neue Zeit gebracht. Nun steht This vor der nächsten Revolution: Kochen aus Bestandteilen. Eiweiße, Farbstoffe, Vitamine, Fette, Note für Note nennt er es, 10 000 Noten, aus denen sich Essen schaffen lässt. »Dieses Essen wird kommen, und es wird nicht nur unsere Essgewohnheit, es wird auch die Welt verändern«, sagt This. Anbau, Transport, Verderblichkeit – alles. Eine Küche für die Armen und die großen Meister zugleich. Erste experimentieren bereits damit.

»Wollen Sie uns mit Ihren Schweinereien vergiften?!« Es war vor 25 Jahren, als This diesen Satz zum ersten Mal hörte, in der Pariser Rue Blanche, Sitz der Association des Maîtres Cuisiniers, dem Olymp, in den nur Frankreichs beste Köche Auf-nahme finden. Eine Runde alter Männer, mitten drin Paul Bocuse, schaute This an. Der junge Mann kam auf Empfehlung des geschätzten Kollegen Jean-Pierre Philippe. Offenbar war er mit naturwissenschaftlichem Blick den Geheimnissen der Küche auf der Spur, hatte etwa ergründet, dass ein Spiegelei besser gelingt, wenn man Salz auf das Eiweiß am Dotter streut, dem Teil, der noch glibbert, während der Rand schon zu Gummi wird. Und die Kruste eines Milchferkels, stellte er fest, bleibt knusprig, wenn man ihm, nachdem es aus der Hitze kommt, den Kopf abschlägt. Interessante Erkenntnisse.

Auch schien der junge Mann bei aller Naturwissenschaft ein Gaumenmensch zu sein, seine Eltern hatten ihn früh zu Bocuse mitgenommen, und die Passion für sein Metier, so erklärte er, hatte sich nicht im Labor entflammt, sondern am Herd, als er, es war der 16. März 1980, an einem Soufflé scheiterte und wissen wollte, ob es an der Reihenfolge lag, in der er die Eigelb beifügte. Seine Familie durchlebte einen hundertfachen Soufflé-Albtraum und von da an war im Hause nichts mehr wie zuvor, die Regale bogen sich unter Rezepten und Kochbüchern und This ging absurdesten Regeln nach, etwa dass Köchinnen während der Regel Mayonnaise kippen lassen.

Solche Themen hätte die ältliche Meisterrunde in der Rue Blanche ja noch amüsiert abgehandelt, doch was dieser This ihnen anbot, verstörte sie: eine Küche der Moleküle! Geliermittel aus Tang, mit dem sich Perlen formen ließen! Siphons und Lötkolben. Nein, das hatte nichts mit ihrer Kochwelt zu tun. Ihre Gesichter gefroren.

This widersprach nicht, benommen verließ er die Hallen mit den roten Wandteppichen. Man hatte ihn nicht verstanden. Er musste es besser machen, besser erklären, streiten, ja, Mitstreiter gewinnen, Wissenschaftler, seine Förderer, die Nobelpreisträger Jean-Marie Lehn und Pierre Gilles de Gennes; vor allem aber Köche, das System muss sich von innen verändern. Mit diesem Plan im Kopf verfasste er weiter seine Aufsätze, Kolumnen in elf Zeitungen, ohne Honorar. Das Buch, das daraus wuchs, wurde ein Erfolg.

In Spanien las es ein junger Koch, er war ganz aufgeregt darüber, wollte diesen This kennenlernen, er reiste er zu einem seiner Vorträge, nach Cannes, »Hôtel Martinez«, in der Halle lief er auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Er habe ein Restaurant, mache Experimente. Noch hoben viele Gäste darüber die Brauen. Aber er werde es schaffen. Er hieß Ferran Adrià.

Die beiden taten sich zusammen, This lieferte die Formeln, Adrià die Kunst. Die Gäste begannen aufzumerken, Zeitungen zu berichten, große Gaumen schauten sich das dann mal genauer an, einen Stern erkochte sich Adrià, einen zweiten. 1998 der dritte. Er schwang sich auf zum »Bes-ten Koch der Welt«. »Da wusste ich« sagt This, »es war geschafft.« Er hatte den König auf seiner Seite. Bald sollte es seine Zutaten und Utensilien in Supermärkten und Straßencafés geben: Xanthan und Guar, Siphons und Zentrifugen. Ohne This auch kein Bubble Tea.

Er hatte gesiegt. Aber nicht alle fanden das gut. Adrià? »Ist nur der berühm- teste Laborant unter den Küchenstars«, schimpfte der damalige Chefredakteur des deutschen Gault Millau, Manfred Kohnke. »Sein Restaurant ist ein Showroom der chemischen Industrie.«

Woraus besteht Wasser? Wasserstoff und Sauerstoff. Bringt This diese Bestandteile zusammen, ist kein Unterschied erkennbar zu einem Regentropfen.

Woraus besteht das Weiße im Ei? Aus Wasser und Eiweiß, also H2O und Protein. Klingt fremd, ist natürlich.

Eine Kartoffel? Wasser und Stärke, auch Amylose und Amylopektin genannt. Eine Möhre? Zellulose, Beta-Carotin.

Wein? Wasser, Alkohol, Weinsäure, sprich: 2,3-Dihydroxybutandisäure. Woraus also könnte in der Logik des Hervé This ein ganz normales Abendessen bestehen statt aus Filet, Pommes de terre parisiennes, blanchierten Möhrchen und einem 85er Haut-Brion? Aus Proteinen, Wasser, Fett, Zellulose, Beta-Carotin und 2,3-Dihydroxybutandisäure.

Und es wäre nicht mehr wider die Natur als ein Hummus oder Coq au vin. »Kochkunst«, sagt This, »kommt von künstlich. Wer ein Steak brät, verändert es chemisch. Wer Salz draufstreut oder es mit Rosmarin würzt, ebenso.«

Und This würzt eben nicht mit Rosmarin, er würzt mit Noten, eine für Frische, eine andere für Schärfe, eine für einen Duft. Die Pilznote, die er an sein Steak gegeben hat, 1-octen-3-ol, sie riecht nach Steinpilz und Totentrompete; nach Mutterboden und feuchtem Laub; sie riecht wie ein Herbstwald nach einem Schauer. »Welcher Pilz im Supermarkt kann das?«, fragt This. Zehn Euro kostet die kleine Flasche Octenol. Und so stark ist die Essenz, ein Tropfen genügt, gelöst in einer Milliarde Tropfen Öl. »Meine Küche ist nicht teuer.« Und sie trägt die Kraft in sich, sagt er, unser Leben zu verändern: Was wir anbauen, wie wir es transportieren, wie wir kochen und uns ernähren. »Ich habe eine Formel gefunden, die es erlaubt, die Struktur von Lebensmitteln zu beschreiben. Ich kann Ihnen die Formel für alles geben. Und ich kann alles neu zusammenstellen.« Neue Früchte, Gemüse und Gerichte, alles ist möglich: eine Birnesine, eine Apfelmuse, eine Chilicado, ein Thunkaninchen und eine Filetgurke. »Denken Sie an das 15. Jahrhundert? Kolumbus entdeckt Amerika. Bleiben Sie in Ihrem kleinen Land? Oder fahren Sie raus ins Unentdeckte? Wo es Gold gibt, Dinge, von denen noch keiner gehört hat?«

Die Steakmasse, neongrün, fließt in eine Pfanne. »Wollen wir einen Nachtisch machen? Etwas Neues?« – Gerne. – »Wie wäre es mit Chips?« – Okay. – »Farbe?« – Rot. – »Erdbeerrot?« – Ja. – »Also, man nehme Protein, diesmal pflanzlich. Drei Gramm, mit 30 Gramm Wasser, das schlägt man wie Eiweiß. Aber wir machen ja keine Mousse, wir machen Chips. Oder, obwohl, machen wir eine Mousse.«

Er schlägt mit dem Schneebesen. »Also: Der Mensch will Fett und Zucker, Schokolade ist auch Fett und Zucker.« Erst das Öl, nun Zucker, die halbe Tüte rein. »Moussemoussemousse. Jetzt ist es schön süß.« – Oh ja. – »Erdbeerrot, haben Sie gesagt?« Farbstoffe dran. »Carotin kommt aus der Natur. Aber laut Gesetz ist es ein Zusatzstoff. Alles Politik. Ah, schöne Farbe, Erdbeerrot, aber es schmeckt nicht nach Erdbeeren, es wird nach Zitrone und Kokosnuss schmecken. Wir machen eine Frucht, die es nicht gibt. Wo ist Zitronensäure? Und hier, Kokosnuss.« Hinein, ohne abzuschmecken.

»Noch ein wenig Salz. Patissiers machen immer Salz rein. Das verstärkt den Geschmack. Ah, und davon, das wird lustig.« – Was ist das? – »Isothiocyanate d’allyle.« – Was? – »Wasabi.« – Ah. – »Schärfe. Und nun Frische: Cis-3-hexénol. Und Capsaïcine.« Schwupp, eine allzugroße Prise. »Ist verdünnt«, beschwichtigt This. »Wäre es pur, würden Sie sterben.«

All diese fremden Stoffe, gesund klingt das nicht, und nicht all ihre Wirkung kann erforscht sein. »Ach ja?«, antwortet This. »Die Menschen essen Schokolade: Fett und Zucker. Das Fett, gesättigt oder ungesättigt?« – Gesättigt. – »Ja, und allen ist es egal. Draußen, Sommer, alle grillen. Das gibt Benzpyrene, krebserregend; ist erforscht, und es ist allen egal. Glühwein: Voller Kumarin, leberschädigend. Ist ihnen egal. Meine Küche können Sie mit ungesättigten Fettsäuren machen. Mit Vitaminen. Sie würde gerade Leuten gefallen, die es gesund wollen. Die gerne koscher essen, die keinen Alkohol mögen, Allergien haben. Diese Leute nehme ich ernst. Die, die mich angreifen, aber Glühwein trinken und Steaks grillen, interessieren mich nicht.«

Was musste Hervé This in den vergangenen Jahrzehnten Ablehnung und Häme erdulden, in der Molekularküche, mehr noch in der Notenküche. Schon seine ersten Gedanken in diese Richtung sorgten für Ärger, vor zwanzig Jahren, als This in der Fachzeitung Scientific American in die Zukunft träumte, was kleine Noten Großes vollbringen könnten: ein Tropfen Vanille zehn Jahre Whisky-Reifung im Eichenfass ersetzen, und ein Hauch Paraethylphenol den gemeinsten Burgunder mit genau dem Lederduft erfüllen, den Fachnasen lieben. Der Ärger über die Idee war groß: Panscher!

Und als es nicht mehr nur um das Verfeinern ging, darum, ob man es gut findet, dass dieser Koch-Aladin den Geist des großen 85er Haut-Brion in eine Flasche gesperrt hatte, mit der sich ein Sößchen zaubern lässt, wie die Welt es nicht gerochen hat, ohne Alkohol, ein Segen also für Meisterköche im Morgenland; als es darum ging, aus den Noten neue Musik zu schreiben, ein Vergleich, den This liebt, es gibt die alte Geigenmusik und die neue elektronische, Kunst verändert sich, auch Kochkunst; als es um eine neue kompromisslose Veränderung ging, verschreckte es selbst die Aufgeschlossenen.

Wenige Köche meldeten sich auf This’ Seminaren an. Auch seine Gefährten Adrià und Gagnaire ließen sich kaum darauf ein. Gagnaire kochte mal ein Schaumahl, ein Gang hieß Guaiacol mit 2,4,6-triisobutyl-5,--dihydro-4H-1,3,5-dithiazine. Es soll vortrefflich geschmeckt haben, ein Klassiker wurde es nicht.

Diesmal erschien This’ großer Feind übermächtig: die Vorsicht des essenden Menschen.

»Wir sind Primaten, wir pinkeln, kacken, trinken und essen«, sagt This. »Primaten haben Angst vor Neuem. Sie essen, was sie als Kinder kennengelernt haben. Die Leute an der Côte d’Azur wollen Olivenöl, die in der Normandie Sahne. Ich habe einen Freund, der erforscht Affen. Er hat zwei Gruppen beobachtet, sie lebten durch einen Fluss getrennt. Die links vom Fluss wuschen ihre Kartoffeln im Wasser, die rechts nicht. So sind wir. Wir leben in einer Gruppe und tun, was die anderen tun. Es ist unsere Kultur.«

Aber, sein Affenforscher hat festgestellt: Primaten können lernen. Die Affen links vom Fluss waschen die Kartoffeln, weil es die alten Weibchen vorleben. Sie dominieren die Gruppe, und sind in der Lage, ihre Esskultur auf die andere Seite zu bringen. Im Essen geht Revolution tatsächlich andersrum, von oben nach unten. Das, sagt This, habe bereits Antoine Parmentier erkannt, der im 18. Jahrhundert die Kartoffel nach Frankreich brachte. Das Volk wollte sie nicht. Also hat er sie dem König serviert. Deswegen war Ferran Adrià so wichtig für die Molekularküche: erst im besten Restaurant, dann bei Lidl.

»Im Augenblick warte ich auf einen neuen Adrià«, sagt This. »Ferran ist zu alt. Ich will einen jungen Koch. Der zum Guide Michelin sagt: Ich mache die Notenküche. Aus aller Welt werden die Leute hinreisen. Und vielleicht habe ich den neuen Adrià schon getroffen.« Drei Kandidaten: einer von den Philippinen. Ein Nachwuchskoch bei Maître Yannick Al-léno, ein Verrückter, der alle seine Seminare besucht. Und ein Meister in Polen: Andrea Camastra, vom renommierten Restaurant »Senses«.

Es liegt in der Luft, wie damals, als Adrià ihm im Hotel um den Hals fiel. Vielleicht stellt die Notenküche in einigen Jahren den besten Koch der Welt. Erobert dann die Supermärkte. Ohne dass viele es wissen, ist sie schon Teil unseres Alltags. »Wie, denken Sie«, fragt This, »wird der Joghurt gemacht, den Sie in Paris im Supermarkt kaufen? Hier stehen keine Kühe, auch wird er nicht teuer aus der Bretagne hergefahren. Nein, vor Paris stehen Fabriken. Die mischen Wasser, Fett, Milchpulver.« Teilen und zusammenfügen.

Und klappt This den Rechner auf und schaut sich mal ganz wissenschaftlich die Welt an, etwa eine Kurve der Vereinten Nationen, die zeigt, dass auf darauf sieben Milliarden Menschen leben, von denen bereits eine Milliarde hungert; und dass es mindestens neun Milliarden werden, so findet er darin das wichtigste Argument für seine Notenküche: »Man muss diese Menschen ernähren, sonst gibt es einen Weltkrieg.«

Wie viel leichter lassen sich Lebensmittel haltbar machen und transportieren, wenn sie zu Noten verarbeitet wurden?

Wie viel mehr Nahrungsquellen lassen sich nutzen, wenn man bedenkt, dass der Mensch erst mal nur Zucker, Fett und Proteine braucht. »Nehmen Sie einen Baum in Afrika, die Blätter bestehen aus Zucker und Aminosäuren und Wasser.« Nicht allzu groß ist der Unterschied zur Karotte, die auch aus Wasser, Zucker und Aminosäuren besteht. Aus den Blättern lässt sich doch was machen, ergänzt und angereichert.

Und wenn wir über Hunger reden, sagt This, dann auch über Umweltschutz und Verschwendung. Gerade die Naturfreunde, die eine instinktive Angst vor Dihydroxybutandisäure haben, müssen doch instinktiv zugeben, wie schlecht es für ihre Welt ist, eine Weinsauce zwei Stunden einzukochen, wenn das gleiche Ergebnis sich aus einer Prise aus einem seiner Döschen ergibt. Und: Zu neunzig Prozent bestehen Tomaten aus Wasser. Warum fahren und fliegen wir Wasser durch die Welt? Verpesten die Luft, verschwenden Energie, Strom, Kühlung, Benzin? Und werfen am Ende auch noch dreißig Prozent der Lebensmittel weg, weil sie, gefüllt mit Wasser, verderblich waren.

Dreißig Prozent! Damit lässt sich eine interessante Rechnung aufmachen: Neun Milliarden Menschen werden wir bald sein. 9 Milliarden x 0,30 = knapp 3 Milliarden. Hört also die Verschwendung auf, reichen die Lebensmittel, die heute sechs Milliarden satt machen, auf einmal für neun Milliarden. Es gibt andere Vorschläge, sagt This, für eine gute Zukunft, gegen einen Weltkrieg. Das ist seiner: die Notenküche.

Bauern, die nicht nur die Milch zu Pulver machen, sondern auch Tomaten und Karotten. Chemiker, die Nahrungsmittel zerlegen und Noten daraus schaffen. Firmen, die sie herstellen und verkaufen. Und Sterneköche, die sie zu Wunderwerken machen, dem Volk Lust darauf machen. This wird mit dieser Zukunft nicht mehr viel zu tun haben. Verkaufen wird er nichts, keine Formeln und keine Produkte, er verschenkt sein Wissen, sagt er. Und das Kochen überlässt er auch lieber anderen. Zum Glück.

Fotos: Jo Magrean