Aller guten Dinge

John Waynes Gewehr, Elvis Presleys Mikrofon, Jim Hensons erste Muppetpuppe: Wer neue Einblicke in das Leben der Größten gewinnen will, muss sich ansehen, womit sie ihren Job gemacht haben. Eine Werkzeugschau.

Ein Schlüssel ist ein Schlüssel ist ein Schlüssel. Aber ein Schlüssel, mit dem James Dean in seinen rastlosesten Jahren das Hotelzimmer absperrte, wenn er einen Moment Ruhe brauchte, ist ein Stück Weltgeschichte. Ein Schlüssel für die Ewigkeit. Die banalsten Gegenstände werden zu Reliquien, wenn Menschen sie benutzen, die wir bewundern. Bob Dylans Mundharmonika. John Waynes Gewehr. Jetzt liegen sie da so vor einem. Scheinbar unscheinbar. Sie schweigen und erzählen doch so viel. Jim Hensons erster Muppet-Entwurf, ein merkwürdig düsteres Geschöpf, verrät, wie schwer es gewesen sein muss, neue, zeitgemäße Puppen zu erfinden. Vaslav Nijinskis Ballettschuhe mit den Blutspuren machen deutlich, was für ein Knochenjob der Tanz auf höchstem Niveau ist.

Die Idee zu dieser Sammlung hatte der Schweizer Henry Leutwyler, er arbeitet seit vielen Jahren als Porträtfotograf und hat von Iggy Pop bis Julia Roberts schon jeden vor der Kamera gehabt. Aber was, wenn die großen Helden unerreichbar sind? Leutwyler wollte seine Helden auf andere Art zeigen, er spricht von »Stilleben-Porträts«. Der Fotograf schrieb eine Liste mit Namen, bis auf wenige Ausnahmen verstorbene Legenden (und leider fast keine Frauennamen), dann machte er sich daran, Dinge aufzustöbern, die ihnen gehört, die sie verwendet hatten.

Es wurde eine lange Reise: Zwölf Jahre lang war Leutwyler unterwegs, er suchte in Archiven und Museen, bei Sammlern und in Nachlässen. Er nahm, was immer er kriegen konnte, wenn es sein musste, auch Objekte von eher marginaler Bedeutung (Alfred Hitchcocks Reisepass, Lou Reeds Brille). Die spannendsten Gegenstände aber sind jene, die zeigen, wie die Helden des 20. Jahrhunderts ihren Job machten. Musizierten. Tore schossen. Filme drehten. Wer sich die Objekte lange genug ansieht, auf den blicken sie irgendwann zurück. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf vermeintlich Nebensächliches. Wessen Nummern hatte Sinatra in seinem Adressbuch? Welche Farben benutzte Warhol? Henry Leutwyler sagt: »Wir glauben, wir wüssten alles über jeden, dank Google, Facebook, Instagram. Aber es gibt eine Ebene der Wahrnehmung, die kommt da nie zum Tragen – das genaue Hinsehen, der Blick auf die Details.«

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Dank dieser Details ist es, als könnten wir in die Haut der Helden schlüpfen. Das Mikro halten wie Elvis, die Waffe schwingen wie Wayne. Die Gegenstände verdinglichen unsere Träume – denn ist das nicht der Kern jeder Heldenverehrung? Der Gedanke, einmal selbst Held zu sein, und sei es nur für einen einzigen Augenblick.

Adi Dasslers Schusterwerkzeug
Sollen diese Geräte wirklich aus dem 20. Jahrhundert stammen? Sind das nicht eher Fundstücke einer archäologischen Sammlung? Nein, mit diesen Geräten hat der Adidas-Gründer angefangen. Angeblich trug Dassler die Werkzeuge auch später oft noch bei sich, als er längst einer der weltgrößten Sportartikelhersteller war.

Bob Dylans Mundharmonika
Eine Hohner Marine Band Harmonica mit der Seriennummer A449, Tonart A-Dur. Das Modell kostet heute neu 33 Euro. Muss dann halt nur noch jemand kommen und unsterbliche Songs darauf spielen.

James Deans Hotelschlüssel
Im »Iroquois Hotel«, New York, wohnte James Dean Anfang der Fünfziger immer mal wieder, teilweise über mehrere Monate. Sein Beruf schob ihn zwischen New York und Kalifornien hin und her. Begraben ist Dean, der 1955 starb, in seiner Heimat Indiana.

Alan Shepards Golfschläger
Am Tag vor seiner Rückkehr zur Erde spielte der Astronaut Alan Shepard mit diesem Schläger Golf – auf dem Mond. Es war der 6. Februar 1971. Doch, doch, man darf das als wissenschaftliches Experiment einordnen.

Janis Joplins Gitarre
Die Sängerin trat selten mit Instrument auf, das störte ja eher beim ekstatischen Tanz. Aber wenn sie Gitarre spielte, dann am liebsten diese Gibson J-45, übrigens bis heute ein beliebtes Modell.

Vaslav Nijinskys Ballettschuhe
Spuren harter Arbeit: Der legendäre Tänzer trug diese Schuhe bei der Premiere des Balletts Le Spectre de la Rose (Musik: Carl Maria von Weber) am 19. April 1911 im Theater von Monte Carlo.

Jim Hensons erste Muppetfigur
Nach Kermit sieht der hier noch nicht aus. Als der Muppets-Erfinder Mitte der Fünfziger mit der Arbeit begann, lag noch ein Hauch von Geisterbahn in der Luft. Diese Puppe heißt übrigens Mushmellon und wohnt heute in einem der Smithsonian Museen.

John Waynes Gewehr
Winchester, Modell 1892, Seriennummer 795913. John Wayne machte die Bewegung berühmt, mit der er dieses Gewehr rotieren ließ, zum ersten Mal zeigte er sie im Film Stagecoach 1939. Das ging mit diesem Modell besonders gut, weil es leichter war als andere.

Laurels und Hardys Hüte
Dick und doof war auch das Prinzip bei der Hutwahl: Stan Laurel trug eine Melone, die ihm zu klein war und hoch aufragte – so betonte er seine linkische Erscheinung. Oliver Hardy dagegen unterstrich seine runde Figur mit einem großen Modell.

Frank Sinatras Adressbuch
Gut, nicht direkt ein Werkzeug – oder doch, schließlich sind nirgends gute Kontakte so wichtig wie im Showbusiness. Und Sinatra hatte weiß Gott gute Kontakte (bis in die höchsten Ämter – siehe unten links).

Elvis Presleys Mikrofon
Dieses Mikrofon stammt vermutlich aus dem Jahr 1960, das heißt: Elvis hatte seine Zeit in der Army gerade hinter sich und nahm neue Songs in Angriff: Stuck On You, Fever, It’s Now Or Never, Are You Lonesome Tonight. Königlicher wirds nicht.

Mahatma Gandhis Brille
Den Frieden vor Augen: Ohne dieses Gestell hätte der Visionär weniger Durchblick gehabt.

Fotos: Henry Leutwyler