Hut ab, Frau Keaton!

Die Vorsitzende der Anti-Beige-Fraktion: Diane Keaton. Wenige Hollywoodstars kleiden sich so gut wie die 70-Jährige. Der Grund für ihre Stilsicherheit ist keine Stylistin, sondern eine Filmrolle.

»Promi XY beim Bummel durch Beverly Hills« – bei dieser Bildunterschrift wird Ästheten umgehend Angst und Bange. Für gewöhnlich zeigen die dazugehörigen Fotos nämlich  US-Stars beim samstäglichen Gang in die Mall in ihrer ganzen desillusionierenden Geschmacklosigkeit: mit ausgebeulten Nicki-Trainingshosen, Truckercap und fettigem Haupthaar.

Ganz anders ist das im Falle Diane Keaton. Die Schauspielerin stiefelte jüngst in einer coolen Schwarz-Weiß-Kombi aus Glockenrock über Hose, derben Bikerboots und Melone durch L.A.

So viel Stilsicherheit ist bei Keaton keine Ausnahme. Mal schlendert sie in dunkelblauem Hosenanzug und hochgeschlossener Nadelstreifenbluse mit ihrem Sohn durch die heimischen Einkaufsstraßen, dann zeigt sie sich gekonnt im japanisch anmutenden Lagenlook: Die inzwischen 70-jährige Schauspielerin beweist mit ihren Outfits stets Individualität und Modebewusstsein – ohne sich dabei lächerlich zu machen.

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In Würde zu altern, ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, die entsprechende Kleidung spielt dabei eine tragende Rolle. Während ein Großteil der westlichen Welt sich still darauf geeinigt zu haben scheint, mit Eintritt ins Rentenalter jede Art der modischen Herausforderung abzulehnen und sich ausschließlich mit faden Schlamm- und Beigetönen zu uniformieren (dieses Phänomen inspirierte vor ein paar Jahren die Hamburger Filmemacherin Sylvie Hohlbaum sogar zu dem unterhaltsamen Kurzfilm »Beige«), herrscht in Hollywood maßloser Jugendwahn. Von hautengen Kleidern und bauchfreien Tops trennt sich hier auch mit Mitte Fünfzig kaum eine.

Celebrities wie Demi Moore oder Madonna scheinen sich mit ihrem minderjährigen Nachwuchs gar einen Kleiderschrank zu teilen. Auch Keaton hat zwei Adoptivsöhne im Teenageralter. Dadurch höre sie eine Menge gute Popmusik, wie sie erst kürzlich in einem Interview erzählte – im Gegensatz zur Musik scheint sie der jugendliche Modestil aber kalt zu lassen.

Stattdessen zieht sie den Look durch, mit dem sie seit ihrem Auftritt in Woody Allens Kultfilm »Annie Hall« 1977 bekannt geworden ist: maskuline Charakter-Outfits. Sie trug sie, lange bevor »Boyfriend« ein gängiger Jeansschnitt und Worte wie »androyn« und »unisex« zu Trendbegriffen wurden. Einige von Keatons Lieblingskleidungsstücken und -accessoires wie Melone, breiter Taillengürtel, Kreuzkette, überlang geschnittene Ärmel, Krawatten oder eingefärbte Yoko-Ono-Gedächtnisbrillen mögen nicht für jedermann sein, aber sie sind eben genau ihr Stil.

In einer Zeit, in der für jeden Promi rund um die Uhr Stylisten zur Verfügung stehen, ist so viel eigener Wille in der Garderobenwahl nicht nur ungewöhnlich, sondern schon mal per se zu feiern. Sogar zu offiziellen Fotoshootings kommt Keaton oft im eigenen Hosenanzug und Vintage-Hut – und wirkt damit viel cooler und authentischer als all die anderen Stars in ihren übergestülpten Nobelfetzen. Allerdings birgt eben auch nicht jede Durchbruch-Rolle Hollywoods so viel lebenslange Stil-Prägung wie die der Annie Hall. Fragen Sie mal Sharon Stone.

Wird getragen von:
Charlie Chaplin, den Blues Brothers, Tilda Swinton
Wird getragen zu: Schirm, Uhrenketten, Großstadtneurosen
Typischer Instagram-Kommentar: #coolmum

Fotos: AKM-GSI/Xposure