Wer zahlt wie viel?

Hat einer aus dem Freundeskreis Geburtstag, besorgt ihm die Gruppe ein gemeinsames Geschenk. Aber sollen alle auch gleich viel bezahlen?

»In einer Freundesgruppe kaufen wir öfter einem Empfänger ein gemeinsames Geburtstagsgeschenk. Die Schenker sind Paare und Einzelpersonen. Nun kam eine Diskussion auf: Sollten wir den Geschenkpreis streng nach Personenzahl aufteilen oder Paare zusammen wie eine Person zählen? Was ist fairer?«Günther R., München

Fragen zu diesem Thema erreichen mich vielfach und in unterschiedlichen Konstellationen. Mal sind Familien mit und ohne Kinder beteiligt und daneben gut situierte Alleinstehende, mal Großverdiener mit Familie oder Doppelverdiener und arme Singles.

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Obwohl es so aussieht, als würden diese verschiedenartigen Konstellationen alles komplizierter und unübersichtlicher machen, weisen sie umgekehrt den Weg zur Lösung. Die Gesamtschau zeigt nämlich, dass es zwei unterschiedliche Aspekte sind, die auf die Aufteilung einwirken und die man trennen sollte: Die Frage, ob nach Paaren oder Köpfen gerechnet wird, und die Frage, ob Abweichungen vom Maßstab sinnvoll sind.

Wenn eine Gruppe sich wechselseitig beschenkt, wobei von manchen ein Partner oder eine Partnerin mit dazukommt, von anderen nicht, und wenn klar ist, wer primär Mitglied des Freundeskreises ist und wer nur Anhang, dann halte ich es für sinnvoll, nur das eine primäre Mitglied des Kreises, innerhalb dessen geschenkt wird, heranzuziehen. Sind hingegen alle, egal ob Paare oder Singles, gleichermaßen Mitglied im Freundeskreis, sollten alle Beteiligten zählen. Ein guter Anhaltspunkt, welchem Maßstab der Vorzug zu geben ist, scheint mir zu sein, wessen Geburtstag üblicherweise im Rahmen des Kreises gefeiert wird. Wenn beide Partner im Kreis gefeiert und beschenkt werden, ist es auch schon rechnerisch angezeigt, dass sich auch beide an den Geschenken für andere voll beteiligen.

Davon zu trennen ist die Frage unterschiedlicher Mittel. Ich bin generell ein Freund davon – ganz besonders in engeren Beziehungen –, die jeweiligen Beteiligungen nach den jeweiligen Möglichkeiten zu gewichten. Wer mehr hat, soll mehr beisteuern, wer weniger hat, weniger. Ohne das genauer zu berechnen und vor allem ohne viel Aufhebens.

Leseempfehlungen:

Da es sich hier um Fragen der Gerechtigkeit handelt, lohnt es sich in folgenden Quellen nachzulesen:

Ernst Tugendhat, Vorlesungen über Ethik, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1993
Dort die Achtzehnte Vorlesung: Gerechtigkeit, S. 364–391

Daneben wie immer zu Fragen der Gerechtigkeit:

Aristoteles, Nikomachische Ethik, V. Buch Gute Übersetzungen gibt es von Olof Gigon bei dtv, München 1991 und von Ursula Wolff bei rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006

Eine sehr schöne Textsammlung zum Thema Gerechtigkeit:

Christoph Horn, Nico Scarano, Philosophie der Gerechtigkeit. Texte von der Antike bis zur Gegenwart, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2002

Stets lesenswert sind John Rawls’ Überlegungen dazu:

John Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1975

John Rawls: Gerechtigkeit als Fairness. Ein Neuentwurf, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003

Otfried Höffe (Hrsg.): John Rawls. Eine Theorie der Gerechtigkeit. Aus der Reihe Klassiker Auslegen, Akademie Verlag, Berlin 2. Auflage 2006

Thomas W. Pogge: John Rawls, Verlag C.H. Beck, München 1994

Illustration: Serge Bloch