Wo die Steifftiere herkommen

 

Name: Hannes Rohrer
Alter:
geboren 1988 in Schondorf am Ammersee
Wohnort:
München
Website:
hannesrohrer.de
Ausbildung:
Foto-Design an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München

SZ-Magazin: Waren Sie als Kind großer Fan von Steiff-Kuscheltieren?

Hannes Rohrer: Wir hatten viele Steifftiere zu Hause, meine Großmutter hatte sogar einen großen Bären, auf dem man sitzen und durch die Wohnung rollen konnte - das war immer ein Highlight an Weihnachten! Aber auf die Idee, ein Fotoprojekt über das Steiff-Werk zu machen, bin ich erst vor vier Jahren gekommen, als ich einer Fotografin bei einem Mode-Shooting in der Werksanlage assistierte: Ich war fasziniert von dem Gelände und der Atmosphäre im Großtierager, wo die Tiere so langsam verstauben und wie in einer Wartestellung ausharren. Dieses Bild ließ mich nicht mehr los und ich beschloss, meine Abschlussarbeit zu diesem Thema zu machen.

War es leicht, Zutritt zur Fabrik zu bekommen?
Nein, ganz schön kompliziert, aber nach langem Hin und Her durfte ich dann tatsächlich zwei Wochen lang im Steiff-Werk Fotos machen. Eigentlich wollte ich das Personal in Einzelporträts ablichten, aber da es über 400 Angestellte waren, habe ich dann Gruppenporträts gemacht. Das ist viel schwieriger, aber das Personal hat mich sehr geduldig aufgenommen. Herausgekommen ist eine Art Bestandsaufnahme, wie es nach 135 Jahren Firmengeschichte im Steiff-Werk Giengen aussieht.

Die Fabrik wurde früher als »Jungfrauenaquarium« bezeichnet, weil in der verglasten Halle vorwiegend unverheiratete Frauen tätig waren. Wer arbeitet dort heute?
In der Manufaktur arbeiten viele bereits in der zweiten oder dritten Generation bei Steiff – und sind dem Werk dadurch schon ihr ganzes Leben verbunden. Eine Angestellte hat mir erzählt, dass sie im Archiv noch Schnitte und Muster für Steifftiere gefunden hat, die ihre Vorfahren entwickelt hatten. Die meisten kommen aus Giengen oder der Umgebung, wo das Steiff-Werk schon immer ein großer Arbeitgeber war.

Meistgelesen diese Woche:

Einige Hallen der Fabrik sind ja auch denkmalgeschützt. Welche Stimmung haben Sie dort wahrgenommen?
Vor dem Firmengelände steht das ultramoderne, zylinderförmige Steiff-Erlebnismuseum – ein starker Kontrast zu dem alten Glasbau, der heute ein wenig trist aussieht. Gleichzeitig hat das Charme, und auch die Stimmung unter den Angestellten fand ich total harmonisch. Nur manchmal bedrückte mich ein bisschen das Gefühl, dass die liebevolle Art, Kuscheltiere in Handarbeit herzustellen, eine aussterbende Produktionsweise sein könnte. Zum Beispiel, wenn diskutiert wird, ob und von wem die ganz großen Tiere mit Holzwolle gestopft werden sollen, wenn der jetzige Großtierstopfer in den Ruhestand geht. Aber vielleicht bleibt auch alles beim Alten – in unserer Gesellschaft ist es ja gerade wieder Trend, handgemachte Produkte ohne Schadstoffe und aus der Region zu kaufen.

War es für Sie ernüchternd mitzuerleben, wie diese von Kindern heißgeliebten Stofftiere konkret hergestellt werden?
Als Kind hätte ich es vielleicht seltsam gefunden, dass eine Maschine ein so weiches Kuscheltier auseinanderzerrt, um seine Reißfestigkeit zu testen. Aber heute fand ich es total spannend, die Entstehung der Steifftiere in den einzelnen Etappen mitzuverfolgen: Von den ersten Schnittmustern, über gestanzte Stoffformen - bis ich schließlich im Großtierlager lauter überlebensgroßen Braunbären gegenüberstand! Diesen Anblick werde ich nie vergessen.

Bestimmt auch, weil die Steifftiere ja doch erstaunlich lebensecht aussehen, oder?

Ja, nach der Fertigung werden jedem einzelnen Tier per Hand die Augen angenäht, die Gesichtshaare frisiert - und anschließend von einer alten Dame kontrolliert, ob es auch wirklich den lieben Gesichtsausdruck hat. Dann erst bekommen sie den charakteristischen Knopf ins Ohr gestanzt.

In seinem Buch »Steiff-Werk Giengen«stellt Hannes Rohrer die Architektur der einzelnen Gebäude,  Gruppenporträts der Arbeiter sowie Reportagen aus den Abteilungen dar. 2016 hat er dafür den Förderpreis der Stiftung Buchkunst gewonnen.

Fotos: Hannes Rohrer