Es gibt Hits, also richtig weltweite, dauergespielte, kaputtgenudelte omnipräsente Brutal-Hits, bei denen hätte man gar nichts gegen den Song; was einen fertig macht, ist nur die Art, wie sie gespielt und gesungen sind. Da kann die Stimme des Sängers nerven, da mag einen das ewige Synthesizer-Gebratze ermüden, da liegt vielleicht ein stumpfer Bum-Bum-Beat drunter, der einen zur Tür rausschiebt, sobald das Lied einsetzt. Alle Zeichen auf Alarm. Aber hinter all dem Generve geht völlig unter, wie gut das Lied an sich ist. Was es für eine wunderbare Melodie hat. Wie elegant der Sprung von der Strophe in den Refrain gelingt. Wie rund der Text dasteht. Tausend Feinheiten und ach, doch nur Ermüdung.
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Genau da kommt Scott Bradlee ins Spiel. Der amerikanische Pianist hat vor drei Jahren eine Art Band gegründet, eher eine lose Versammlung von wechselnden Musikern, sie heißt Postmodern Jukebox, ein guter, etwas überdeutlicher Name, der es aber genau trifft: Mit der Postmodern Jukebox spielt Bradlee die Charts der letzten Jahrzehnte rauf und runter – in Jazz-Versionen. Inzwischen sind acht Alben veröffentlicht, vor ein paar Wochen hat Bradlee die Marke von einer halben Milliarde Klicks auf Youtube geknackt. Und auf Spotify hören ihm auch schon 400.000 Fans zu. Und was haben sie alle? Recht haben sie. Völlig recht.
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Mit wechselnden Sängerinnen und Sängern arbeitet sich Bradlee durch notorische Nummern, durch genau die Stücke, die man eigentlich längst nicht mehr hören kann, die sich aber so sehr in den hintersten Ecken des Langzeitgedächtnisses festgegraben haben, dass schon ein halber Takt genügt, um einen für Tage mit einem Ohrwurm zu versorgen. Manche dieser Stücke liegen auf der Hand, Hits aus der Soul-Ecke, aus dem R'n'B, da ist der Jazz sowieso nie weit, da passen die Bläsersätze und die perlenden Klavierläufe wie passformgenau gegossen.
Viel lustiger wirds, wenn es um eher unerwartete Stücke geht. Bon Jovi zum Beispiel. »You Give Love A Bad Name« ist in der Version von Postmodern Jukebox schon ziemlich toll (ungefähr: Liebeslied-Anklage im Chicago der 30er Jahre).
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Aber wie sie »Livin On A Prayer« spielen, ist sogar noch toller (Sonntagnachmittagsspaziergang im Central Park, frühe 50er Jahre).
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Wenn sich die Jukebox an »Black Hole Sun« von Soundgarden wagt, merkt man erst, dass einen das Lied eigentlich immer schon an Musical-Klassiker vergangener Jahrzehnte erinnert hat.
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Und »Creep« von Radiohead nimmt Bradlee dann auch gleich noch mit, in einer Version, die dringend dafür gemacht ist, Poledance-Einlagen zu untermalen.
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Bradlees Musiker können Dance-Hits in Swing umarbeiten (Britney Spears, in dieser Form total gut erträglich), sie gewinnen auch dem ältesten Hardrock-Geböller noch gute Seiten ab (Guns'n'Roses, gleich mehrmals angenehm überarbeitet). Sie können Indie und Punk und Techno und praktisch alles in Nachtclubjazz verwandeln.
Und dann, wenn man nach vielen, vielen Klicks denkt, so, das waren dann wohl alle guten Songs – dann stößt man auf einmal noch auf den einen, den gigantischen, fast uneinholbaren. Das Lied, bei dem Balu, der Bär, mit Rihanna tanzt. »Umbrella« in der Charleston-Version.
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Und spätestens dann wünscht man sich für einen Moment, es mögen doch in Zukunft alle Songs, die es auf Platz eins der Charts schaffen sollen, von vornherein in diesen Versionen veröffentlicht werden.