Rüdiger Faller sagt, Otto Dix habe ihn verführt. Mit 16 Jahren besuchte der heute 73-Jährige mit seinem Vater eine Ausstellung in Singen am Bodensee. Vor der Großen Kreuzaufrichtung von Otto Dix blieb der Junge stehen. »Eine innere Stimme sagte mir: So musst du auch malen können«, erinnert sich Faller, »das Bild hat mich erschlagen. Da begann meine Manie.«
Diese Manie führte dazu, dass Rüdiger Faller 1987 vom Landgericht Konstanz wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren auf Bewährung verurteilt wurde. 88 Dix-Imitate, die Faller - er hatte damals ein Alkoholproblem und große Geldsorgen - für wenig Geld im Auftrag eines Galeristen angefertigt hatte, waren sichergestellt worden. Wie viele solche Bilder Faller damals insgesamt produziert hat, weiß er selbst nicht mehr. Einige sind wahrscheinlich noch immer in Privatbesitz oder im Umlauf.
Und so erzählt die Geschichte von Rüdiger Faller nicht nur viel über den weltweiten Kunstmark und darüber, wie schnell ein in Vergessenheit geratener Künstler wieder unbezahlbar werden kann. Sie erzählt auch vom besonderen Berufsstand des Kunstfälschers, von jenen Getriebenen, oft schillernd, noch öfter gebrochen.
Wobei: Dass er bereits zu den »vier bekanntesten deutschen Kunstfälschern« gezählt wurde, beleidigt Rüdiger Faller mehr als dass es ihn stolz macht, denn: »Ich bin kein Fälscher. Ein Wolfgang Beltracchi ist ein Fälscher, der kann zwar perfekt imitieren, aber den verbindet mit keinem Maler, was mich mit Dix verbindet.«
Rüdiger Faller fühlt sich seit seiner Festnahme, seit dreißig Jahren also, falsch verstanden und ungerecht behandelt. Ein Dix kommt selten allein hat er seine erste Biografie erst genannt; sie erschien dann unter dem Titel Im langen Schatten des Otto Dix. Und heute lebt Rüdiger Faller auf der Halbinsel Höri am Bodensee tatsächlich neben einem echten Dix, nämlich Jan Dix, dem jüngsten Sohn des großen Malers. Haus an Haus. SZ-Magazin-Reporter Patrick Bauer hat Faller und Dix getroffen und beschreibt nicht nur den krummen Lebensweg des »Dix-Fälschers«, sondern auch ein Nachbarschaftsverhältnis, das zu den ungewöhnlichsten, kompliziertesten in Deutschland gehören dürfte.
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Foto: Tanja Kernweiss