Es ist schwer, Daryl Davis nicht zu mögen. Der Schwarze mit dem breiten Grinsen und dem gemütlichen Burger-Bauch ist ein geborener Entertainer. Er hat oft mit Größen wie Muddy Waters, Chuck Berry und Little Richard gespielt. Wenn er sich ans Klavier setzt und loslegt, ist es unmöglich, sich von seinem Boogie Woogie und seinem Blues nicht mitreißen zu lassen. Sogar eingefleischte Rassisten wippen dann mit den Füßen, und so kommt es, dass Daryl Davis seine erste Bekanntschaft mit den Geheimbündlern des Ku Klux Klans macht: Bei einem Konzert mit seiner Country-Band in der »Silver Dollar Lounge« in einem Truck Stop in Maryland ist er nicht nur der einzige Schwarze auf der Bühne, sondern im ganzen Lokal. »Schwarze gehen da normalerweise nicht rein«, sagt Daryl Davis, 58. Umso überraschter ist er, als ein Mittvierziger aufspringt, ihm die Hand auf die Schulter legt und sagt, nie zuvor habe er einen Schwarzen gehört, der so gut Klavier spiele wie Rock'n'Roll-Legende Jerry Lee Lewis. »Na, was glaubst du denn, von wem Jerry das Spielen gelernt hat?« entgegnet Davis, »Natürlich von schwarzen Musikern! Ich bin mit Jerry befreundet, seit ich 13 bin.«
Dass der Pianist sein Idol kennt, beeindruckt den Mann so sehr, dass er ihn auf einen Drink einlädt. Der neue Fan gesteht, er habe noch nie mit einem Schwarzen an einem Tisch gesessen. »Warum nicht?« fragt Davis. Seine Barbekanntschaft zieht seine Ku-Klux-Klan-Karte aus der Tasche. Davis vergeht das Lachen. »Oha, jetzt wird es Ernst«, erinnert er sich an den Moment. Die beiden tauschen trotzdem Telefonnummern aus, der Musik-Fan kommt fortan zu seinen Konzerten und bringt seine Klan-Freunde mit.
Es ist der Beginn einer Freundschaft, die den gesamten Ku Klux Klan in Maryland erledigen wird, aber das wissen sie damals, Anfang der Achtzigerjahre, noch nicht. Davis ist als Sohn eines Botschaftsmitarbeiters auf der ganzen Welt aufgewachsen, hat in Afrika und Europa gelebt, ist auf internationale Schulen gegangen, in denen alle Nationalitäten kunterbunt vertreten waren. Was Rassismus ist, begreift er erst, als er als Zehnjähriger zurück nach Amerika zieht. Auf einer Schule in Massachusetts schließt er sich den Pfadfindern an, weil da alle seine Klassenkameraden mitmachen. Er ist der einzige schwarze Pfadfinder. Bei einer Pfadfinder-Parade darf der Zehnjährige stolz die amerikanische Flagge tragen. Bald prasseln Dosen, Steine und Flaschen auf ihn nieder, seine Lehrer bringen ihn in Sicherheit, schützen ihn mit ihren Körpern. »Wow, da gibt es einige, die Pfadfinder echt nicht mögen!« denkt er sich und wundert sich nur darüber, dass er der einzige ist, der beworfen wird. Bis ihm seine Eltern zuhause erklären, was Rassismus ist. Er versteht es nicht. »Warum sollte mich jemand hassen, der mich gar nicht kennt? Nur wegen meiner Hautfarbe? Ich dachte, meine Eltern lügen mich an!«
Aber einige Jahre später, da ist Davis ein Zehntklässler in Maryland, wird die Bedrohung noch konkreter: Sein Klassenlehrer lädt den Chef der amerikanischen Nazi-Partei ein, Matt Koehl. Koehl deutet direkt auf Davis und sagt: »Wir schicken dich nach Afrika zurück. Und all ihr Juden geht zurück nach Israel. Wenn ihr nicht freiwillig geht, werden wir euch auslöschen.«
Nach dieser Begegnung liest Davis alles über Rassismus, Nazis, Antisemitismus und weiße Überlegenheitstheorien, was er finden kann. Die Frage lässt ihn nicht mehr los: »Warum hasst ihr mich, obwohl ihr mich nicht kennt?«
Davis hat zwar ein entwaffnendes sympathisches Lachen und wirkt mit seiner Leibesfülle ein wenig wie ein tapsiger Bär, aber er ist klug, belesen und unerschrocken. Er überredet seinen Freund aus der Silver-Dollar-Bar (der den Klan inzwischen verlassen hat), ihm die Nummer des »Grand Dragon«, des Klan-Chefs von Maryland, zu geben, Roger Kelly. Sein Freund rückt nach vielem Zureden die Nummer raus, aber nur unter einer Bedingung: »Triff dich auf keinen Fall mit Kelly. Er wird dich umbringen.«
Unter dem Vorwand, ein Buch über den Klan zu schreiben, lässt Davis eine Freundin bei Kelly anrufen und bittet um ein Interview. »Sag auf keinen Fall, dass ich schwarz bin«, schärft er seiner Freundin ein. Kelly kommt mit seinem Bodyguard, der seine schwarze »Nighthawk«-Kluft und einem Revolver an der Hüfte trägt. »Kelly kommt rein und erstarrt, als er mich sieht«, erinnert sich Davis. »Aber dann setzt er sich trotzdem und ich finde heraus, dass wir mehr gemeinsam haben, als uns trennt. Wir wollen beide Drogen von der Straße kriegen, wir wollen bessere Schulen, und so weiter. Das einzige, worauf wir uns nicht einigen können, ist der Rassismus.« Aber selbst da lässt sich Davis auf eine Diskussion ein. Als Kelly sagt, schon in der Bibel stehe, Weiße und Schwarze müssten getrennt werden, holt Davis seine Bibel aus der Tasche: »Zeig mir, wo das steht.«
Davis lädt Kelly auf seine Konzerte ein, und Kelly kommt mit seinen Klan-Freunden. Davis bringt seine eigenen Freunde mit, um Kelly in Dialoge zu verwickeln. »Ich wollte, dass er mit anderen Leuten spricht; dass er versteht, dass ich nicht der einzige bin. Ich war nicht darauf aus, mit den Klan-Leuten Freundschaft zu schließen, sondern herauszufinden: Warum hasst ihr mich, obwohl ihr mich nicht kennt?«
Nach einigen Jahren steigt Kelly zum »Imperial Wizard« auf, zum nationalen Klan-Anführer. Davis geht auf Klan-Rallys, lässt sich mit den paramilitärischen Anführern fotografieren und macht immer klar, dass er die Ideologie des Klans ablehnt, aber nicht die Menschen. »Ich respektierte Kelly, ich respektierte nur nicht seine Ansichten.«
Klar, dass Davis dieses Vorgehen viele Feindschaften unter Schwarzen einträgt. Er erzählt kopfschüttelnd, dass er sogar aus einer Veranstaltung von Black Lives Matter geworfen wurde, weil die Aktivisten ihn als Verräter betrachten. »Das Wichtigste, das ich gelernt habe: Wenn du Gegner mit anderen Ansichten hast, dann gib ihnen eine Plattform. Erlaube ihnen, ihre Ansichten auszudrücken – egal, wie extrem sie sind. Und glauben sie mir, ich habe auf diesen Rallys Dinge gehört, die so extrem sind, dass sie einen bis auf die Knochen erschüttern.«
Er fordere die Rassisten heraus, »aber nicht auf unhöfliche oder grobe Art. Man macht das höflich und klug. Wenn man die Dinge auf diese Weise angeht, stehen die Chancen gut, dass sie zuhören und dir auch eine Plattform geben. Kelly und ich haben uns über die Jahre immer wieder hingesetzt und uns ausgetauscht. Der Mörtel, der sein Weltbild betonierte, begann zu bröckeln. Dann zu zerbrechen. Und dann fiel es ganz in sich zusammen.«
Es ist eben schwer, jemanden zu hassen, den man gut kennt. Kelly kehrt schließlich dem Ku Klux Klan den Rücken; Davis wird sogar Patenonkel seiner Tochter. »Er glaubt heute nicht mehr, was er damals gesagt hat«, erklärt Davis. Kelly gibt Davis seine Klan Roben, die Roben des Imperial Wizard. Davis freundet sich mit allen drei Klan-Führern von Maryland an, und sie alle hängen ihre Roben an den Haken, als sie den Klan verlassen, genau wie zwei Dutzend weitere Klan-Leute. »Das war das Ende des Klans in Maryland«, freut sich Davis. »Es gibt dort heute keinen KKK mehr. Immer wieder versucht mal einer, den Klan dort wiederzubeleben, aber das hält nie lange.«
In diesen Tagen, in denen sich rassistische Übergriffe in Amerika häufen und Neonazis in Amerikas Hauptstadt mit ausgestrecktem Arm »Heil Trump« rufen, erzählt Davis seine Geschichte wieder öfter. Er hat schon vor Jahren ein Buch geschrieben, gerade erscheint ein Dokumentarfilm über ihn, und wer Englisch versteht, hört sich am besten selbst in diesem Podcast an, wie dramatisch er die Begegnungen mit dem Klan schildert.
»Der Ku Klux Klan ist so amerikanisch wie Baseball, Apfeltorte und Chevrolet«, sagt Davis im Film. »Wir haben bisher nur Pflaster auf die Wunden des Rassismus geklebt.« Davis hat Trump zwar nicht gewählt, aber glaubt überraschenderweise, »dass Trump das Beste ist, was diesem Land passieren konnte. Er bringt die Hässlichkeit des Landes zum Vorschein.« Nun könne niemand mehr die Augen vor dem grassierenden Rassismus verschließen.
»Ich halte an meinen Ansichten fest und respektiere ihr Recht, ihre Ansichten auszudrücken. In diesem Land haben wir das Recht zu hassen, aber wir haben nicht das Recht, andere zu verletzen.« Aber musste er sich denn gleich die schlimmsten Rassisten für seinen Selbstversuch aussuchen? Ausgerechnet die gewaltbereiten, die es genießen, Terror zu verbreiten? Die Begegnungen hätten ja auch anders ausgehen können – Davis hätte seine Dialogbereitschaft durchaus mit dem Leben bezahlen können.
Gerade da sei der Dialog am allerwichtigsten, findet Davis. »Wenn man nur zu den Leuten predigt, die ohnehin die eigenen Ansichten teilen, was soll dann dabei heraus kommen? Ich kann mich mit anderen Menschen zusammensetzen, die keine Rassisten sind, und wir können uns darüber unterhalten, wie schlimm Rassismus ist, aber verändern tut sich dadurch nichts.«
An dieser Stelle zieht Davis gerne seine zwei Dutzend Klan-Roben aus dem Schrank und sagt: »Schau, das habe ich gemacht, um dem Rassismus einen Denkzettel zu verpassen. Ich habe die Roben und Hauben von mehr als zwei Dutzend Menschen in meinem Schrank, die ihre Ansichten geändert haben, weil ich mich mit ihnen an einen Tisch gesetzt habe. Und, was machen Sie? Wie viele Roben haben Sie gesammelt?« Das lässt die meisten Kritiker verstummen.
Foto: Accidental Courtesy