Das Lieblingsgeräusch der Hollywoodregisseure

Wenn Sie ab und an ins Kino gehen, haben Sie schon mal BRAAAM gehört. Die Erfolgsgeschichte eines sehr bösen, sehr beunruhigenden, sehr finsteren Grusel-Akkords.

Wann genau es los ging, kann kaum jemand sagen. Manche meinen, es fing an mit »Inception«, Christopher Nolans großem Traum-Thrill, der 2010 im Kino lief. Da waren besondere Szenen und Momente nicht mit Filmmusik im klassischen Sinne unterlegt, sondern mit einem besonderen Klang: ein einzelnes basslastiges Dröhnen, wie zusammengesetzt aus Posaunen, Kontrabässen, Synthesizern und Pauken. Man kann ihn sich zum Beispiel hier anhören.  Keine zarte Melodie, kein nervöses Geigenflackern, wie man es seit den Hitchcock-Filmen kannte, sondern nur dieser eine Klangschlag aus dem Nichts. Dröhn. Pause. Noch mal Dröhn. Lange Pause. Wieder Dröhn.

Seitdem ist der Klang überall. Im Trailer von »Prometheus«, im Trailer von »The Avengers«, im Trailer von »Battleship«, im Trailer von »Transformers 3«. Und in zehn weiteren Trailern, mal eher orchestral, mal eher elektronisch, mal wuchtiger, mal düsterer. Aber immer ein großes dunkles böses Dröhnen.

In Filmmagazinen wird es seit einiger Zeit »BRAAAM« genannt, es brauchte einen eigenen Namen, weil er so häufig auftaucht. Soundtrack-Komponisten setzen BRAAAM in Filmen immer dann ein, wenn unfassbare Bedrohung symbolisiert werden soll. Und wenn in der eigentlichen Filmmusik kein BRAAAM vorkommt: egal – für den Trailer wird das Dröhnen trotzdem verwendet. Denn BRAAAM braucht nur eine Sekunde, um dem Publikum zu sagen, in diesem Film geht es absolut beängstigend zu, kauf dir so bald wie möglich eine Eintrittskarte.

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BRAAAM funktioniert so gut, weil der einzelne Sound viel unkomplizierter ist als Musik. Das Dröhnen erreicht die nötigen Hirnregionen viel schneller als ein langes Stück Musik, das seine Wirkung erst durch Dissonanzen und Melodiebögen erzielt. BRAAAM ist eigentlich so etwas wie die fiese alte Firmen-Sirene, nur weit runtergestimmt und mit viel Bass zu einem  finsteren Droh-Laut umgebaut.

Natürlich ist der »Imperial March« aus Star Wars unschlagbar gut – aber er ist ein klassisches Stück Orchestermusik mit Intro, ersten und zweiten Stimmen und dem ganzen Pipapo, er fordert also vom Hörer ein Mindestmaß an intellektueller Verarbeitung. Während BRAAAM einfach eine akustische Explosion ist. Eher Erschütterung als Musik. Ein Orchester-Donner. Nichts zum Nachsummen auf dem Heimweg, eher der Klang eines Erdrutschs, der auch den Zuschauer erfasst.

Es gibt seit ein paar Jahren Sessel fürs Heimkino, die mit den Bässen des Soundtracks mitwackeln können, um den Zuschauer komplett im Film versinken zu lassen. Wenn der Sessel richtig eingestellt ist, kann einen ein gut gesetztes BRAAAAM ohne weiteres durchs Wohnzimmer schleudern.

Der amerikanische Literaturprofessor Adrian Daub befasst sich viel mit Filmmusik, in einem sehr ausführlichen Artikel hat er vor Kurzem versucht, BRAAAAM in einen musikhistorischen Zusammenhang zu stellen. Er macht dabei eine gute Beobachtung: Ein Stück Musik lässt sich nicht ohne weiteres auf etwas anderes übertragen, BRAAAM schon. Würde ein Thriller-Regisseur den »Imperial March« einsetzen, um einen Bösewicht vorzustellen, hätte jeder Zuschauer nur Darth Vader im Kopf. BRAAAM aber hängt nicht zwingend mit einem bestimmten Film zusammen. Der Sound sagt einfach nur: Bedrohung.

Und das macht doch einen echten Hit für die Ewigkeit aus. Egal, wer ihn spielt, egal, wer damit gerade in den Charts (oder im Kino) landet – er erzeugt immer den gewünschten Effekt. Last Christmas. Yesterday. My Way. BRAAAM.

Foto: afp