»Hollywood ist noch viel härter geworden«

Der große Kameramann Michael Ballhaus hat Stars wie John Travolta, Jack Nicholson und Robert De Niro gefilmt. Ein Rückblick auf das Leben hinter den Kulissen.

SZ-Magazin: Herr Ballhaus, nach 25 Jahren haben Sie sich von Hollywood verabschiedet und kehren nach Deutschland zurück. Weshalb?
Michael Ballhaus: Der Entschluss entstand eigentlich vor zwei Jahren, bei den Dreharbeiten zu Departed - Unter Feinden. Ich werde dieses Jahr 72, ich habe fast 100 Filme gedreht, ich habe eigentlich alles erreicht, was man erreichen kann in diesem Beruf. Und Departed war ein sehr anstrengender, ein sehr schwieriger Film. Wir haben bis zu 18 Stunden am Stück gedreht, da steht man dann in meinem Alter morgens um vier am Set und denkt: Muss das eigentlich noch sein?

Sie haben vor Kurzem gesagt, Sie wollten weg aus Hollywood, weil die Luft dort dünner geworden sei. Was heißt das?
Die Arbeit wird immer schwieriger, selbst für so berühmte Regisseure wie Martin Scorsese oder Robert Redford. Wenn die bestimmte Vorgaben der Studios nicht erfüllen, bekommen sie ihre Filme einfach nicht mehr finanziert.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Nehmen Sie Departed. Da hat das Studio Warner Brothers gesagt, die beiden Stars, Leonardo DiCaprio und Matt Damon, sind zwar gut, aber eigentlich bräuchten wir bei Kosten von 100 Millionen Dollar noch einen, der ein anderes Publikum ins Kino holt als die beiden. Und dann wollten sie Jack Nicholson. So kam er zu dem Projekt.

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...und wurde zur zentralen Figur des Films.
Es hat zu enormen Spannungen zwischen Nicholson und den anderen geführt, weil er sich massiv in die Regie eingemischt hat. Der hat ganze Szenen kom plett neu erfunden. Aber ja, wenn man kommerziell denkt, war die Besetzung trotzdem akzeptabel.

In welchen Fällen ist so etwas richtig schiefgegangen?

Zum Beispiel, als Robert Redford »Die Legende von Bagger Vance« drehte. Die Besetzung war nicht seine Wahl, sondern die des Studios. Die haben gesagt: Wenn wir den Film finanzieren, brauchen wir einen richtigen Star.

Robert Redford wollte Morgan Freeman und Brad Pitt. Das sind doch Stars.
Die hatten keine Zeit. Also haben wir drei Wochen gewartet, bis die Studiobosse Will Smith und Matt Damon präsentierten. Für einen echten Star wie Robert Redford, der als Schauspieler schon viele Filme gemacht hat, ist das eine Erniedrigung. Er hat dann auch nie einen richtigen Draht zu Will Smith gefunden, obwohl der immerhin sein Hauptdarsteller war. Der Film war dann ja auch kein großer Erfolg.

Wie muss man sich das vorstellen? Ruft da irgendwann die Studioleitung an und sagt: »Hören Sie mal, Herr Redford, Sie drehen jetzt mit Smith und Damon«?

Die haben gesagt: »Der Film kostet 70 Millionen, den können wir nur machen, wenn wir zwei major bankable Stars drin haben. Entweder Sie akzeptieren das, oder wir machen den Film nicht.«

»Bankable«, das heißt so viel wie »bankfähig«?

Ja, das nennt man so. Ein Star ist bankable, er bringt das Geld.

Dass die großen Studios bei der Besetzung mitbestimmen, war doch früher auch schon so.
Ja, aber es ist alles noch sehr viel härter geworden. Aus verschiedenen Gründen. Einmal sind die Gagen der Schauspieler explodiert. Was vor allem die Schuld einer Filmagentur war, nämlich CAA. Deren Chef Mike Ovitz hat die Gagen seiner Klienten in Höhen von bis zu einer Million Dollar pro Drehtag getrieben. Wenn man zwei von denen hat, kostet der Film schon mal 40 Millionen. Und das ist natürlich nicht witzig. Es muss ja auch noch ein bisschen Geld da sein für den Regisseur und andere Schauspieler. Dann kostet der Film schnell 100 Millionen - und muss an der Kasse 300 Millionen einspielen.

Es gäbe ja auch die Möglichkeit, kleine, unabhängige Filme mit geringem Budget zu drehen.
Aber man kann inzwischen tatsächlich leichter einen Film finanzieren mit 100 Millionen, wenn man zwei Stars hat, als einen für 20 Millionen mit fünf guten, aber unbekannten Schauspielern. Selbst wenn man mit denen vielleicht einen besseren Film machen könnte.

Gibt es Idealismus in Hollywood?

Einzelne Produzenten sind bestimmt noch idealistisch. Aber die sitzen nicht an der Spitze der großen Studios. Die Leute, die heute das Sagen haben, kommen aus Harvard, die haben Jura oder Volkswirtschaft studiert und meinen, man könnte Filme mit dem Rechenschieber machen. Die haben nicht das Feeling für eine gute Geschichte oder für eine gute Zusammensetzung von Regie und Schauspielern. Was ist mit Bob? war so ein Fall, da hat die Chemie überhaupt nicht gestimmt.

Was ist da passiert?
Das war grauenhaft. Es ging so weit, dass die beiden Hauptdarsteller, Bill Murray und Richard Dreyfuss, nicht mehr gemeinsam an einem Drehort sein konnten. Die sind aufeinander losgegangen, bis an die Gurgel, die haben sich mit harten Gegenständen beschmissen ...also hauptsächlich hat Richard Dreyfuss geschmissen.

Wirklich? Warum denn?
Dreyfuss wurde in letzter Minute vom Studio besetzt, alle anderen hatten abgesagt. Dreyfuss war die letzte Chance, deshalb haben sie alle möglichen Zugeständnisse gemacht, unter anderem haben sie ihm erlaubt, das Drehbuch zu ändern, wenn er das wollte. Das war sozusagen der Todesstoß. Dreyfuss hatte eine völlig andere Auffassung von Humor als Bill Murray, also haben die sich in die Haare gekriegt. Am schwierigsten wurde es bei den Szenen, in denen sie gemeinsam auftraten und man über die Schulter des einen das Gesicht des anderen filmt. Da mussten wir Doubles nehmen. Der Regisseur Frank Oz ist schreiend wie ein angestochenes Tier vom Drehort geflüchtet, weil es nicht mehr zu ertragen war.

Und wie geht man dann mit so einer Situation um?

Man geht abends schnell zu seiner Frau. Und sagt: Es war wieder furchtbar!

Sind Allüren wie die von Dreyfuss Ausnahmen oder Alltag in Hollywood?
Eigentlich geht es immer sehr professionell zu. Die meisten Stars wissen, was sie zu tun haben, und bemühen sich, das so gut zu machen, wie sie können. Aber sie sind eben auch Stars. Wenn jemand wie John Travolta zum Set kommt, bringt er seinen Privatsekretär, seinen Fahrer, den eigenen Koch und einen Masseur mit. Eine riesige Entourage. Und in seinen Verträgen steht, dass er nicht mehr als zehn Stunden am Tag drehen muss, einschließlich An- und Abfahrt.

Travolta hat seit Saturday Night Fever in jeder Hinsicht eine erstaunliche Karriere gemacht...

Er ist auch ein außergewöhnlicher Schauspieler! Er hat nur die Macke, dass er sich keine fünf Sätze merken kann. Deshalb stehen am Set immer mehrere Monitore, auf denen er seinen Text ablesen kann, ohne dass das einer merkt. Blöd wird es nur, wenn er mit Partnern spielen muss, weil er dann nicht ablesen kann und die Szenen immer und immer wieder gedreht werden müssen.

Dass dann ein Schauspieler viel mehr verdient als Sie, hat Sie das auch mal geärgert?
Nein. Die Leute gehen wegen der Stars ins Kino, deshalb sind die ihr Geld auch wert. Schief ist es nur, wenn man an die Arbeit der Regisseure denkt. Während jemand wie Nicholson eine Million Dollar pro Drehtag bekommt, bekommt Scorsese sechs Millionen für den gesamten Film. Eine Menge Geld, aber im Verhältnis ist das tatsächlich wenig. Er trägt ja als Regisseur die gesamte Verantwortung.

Wie wirkt sich das auf das Arbeitsklima aus?

Es hat zum Beispiel bei GoodFellas zu Spannungen zwischen Scorsese und Robert De Niro geführt. Immerhin war es Marty, der De Niro als Star erfunden hat.

Aber Scorsese ist doch mindestens so ein Star wie De Niro.
Das ist ein Irrtum. Vor seinem Oscar für Departed musste er um jeden seiner Filme kämpfen wie ein Wilder und versuchen, das Geld einzutreiben. Gegenüber Stars hat er sowieso kein sehr großes Selbstbewusstsein. Ich glaube, das ist so, wenn man als Kind armer Leute in Little Italy aufwächst - sein Vater war Näher, der hat zwei Mark fuffzig in der Stunde verdient. Ich glaube, da fehlt einem ein bisschen was von diesem Power-Gefühl.

Sie haben sieben Filme mit Scorsese gedreht. Würden Sie ihn als Freund bezeichnen?
Absolut.

Wie muss man sich so eine Hollywood-Freundschaft vorstellen? Trifft man sich da abends in der Kneipe auf einen Drink?
Man muss in Amerika eine strenge Trennung zwischen Arbeit und Privatleben machen. Oft haben deutsche Freunde zu mir gesagt: Wenn du mit Marty das nächste Mal ein Bier trinkst, dann frag ihn doch mal das und das. Aber das gibt es nicht in Amerika. Man trinkt mit Martin Scorsese kein Bier. Und man sitzt mit ihm auch nicht nach dem Dreh zusammen und quatscht noch ein bisschen.

Das klingt aber nach einem eher distanzierten Verhältnis.
Nein, wir hatten schon auch im Privatleben Kontakte, ich war natürlich zu seinem Geburtstag eingeladen; wir haben Silvester zusammen gefeiert in Chicago, als wir gedreht haben. Aber sonst bleibt das getrennt. Bis eben auf diese Schnittpunkte bei der Arbeit, wo man merkt, dass man da einen großen Freund hat.

Wie pflegt man ansonsten Kontakte in Hollywood? Auf Partys?
Ich war kürzlich mal auf einer Party im Haus von Leonardo DiCaprio, er hatte gesagt: »Komm doch vorbei, es sind nur ein paar Freunde eingeladen« - und dann waren das hundert Leute. Alles Stars. Ich war eine halbe Stunde da, dann bin ich wieder gegangen. Das ist einfach nicht meine Welt.

Wie laufen solche Partys ab? Liest man die einschlägigen Bücher über das Hollywood der Siebziger- und Achtzigerjahre, denkt man, es sei ein einziger Sündenpfuhl.
Das existiert so nicht mehr, glaube ich. Zumindest auf der Ebene von Profis oder von Stars. Es geht nicht mehr um Drogen und Frauen wie früher. Das Ganze ist entpersonalisiert, sehr businesslike. Das liegt auch daran, dass es die großen Tycoons nicht mehr gibt. Höchstens vielleicht noch Harvey Weinstein, der ist noch so eine Figur wie früher Jack Warner oder andere. Der kommt häufiger mit einer hübschen Blondine im Arm daher. Aber das war's dann auch.

Haben Sie bei Ihrer Arbeit selbst oft mit den Produzenten zu tun gehabt?
Da bin ich immer drum herumgekommen. Das war ja das Fantastische am Beruf des Kameramanns, dass ich mich um so was nicht kümmern musste. Weder um die Finanzierung noch darum, mit denen zu verhandeln. Man trifft sie vielleicht mal bei einer Vorführung, dann sagen sie: »Danke schön, das haben Sie aber sehr gut gemacht.« Das ist dann aber auch schon alles.

Die lassen sich auch nie auf dem Set sehen?
Doch, die kommen schon. Vor allem, wenn es nette Drehorte sind. Nach Südfrankreich fliegen sie dann mit dem Privatjet ein, machen sich eine schöne Zeit und kaufen nebenbei noch eine Yacht.

Und wenn der Regisseur einen Flop landet?
Dann geht's ihm wie Barry Sonnenfeld. Der hatte mit Men in Black eine sehr erfolgreiche Komödie gemacht. Dann drehte er Wild Wild West, ich war als Kameramann dabei. Aber plötzlich wurde er etwas größenwahnsinnig. Der dachte: Jetzt bin ich der King of Hollywood, jetzt kann ich machen, was ich will! Und jedes Mal, wenn er durchs Studio ging und irgendwas änderte, war der Film schon wieder 50 000 Dollar teurer.

Was hat der Film am Ende gekostet?
150 Millionen - die hat er aber ganz und gar nicht eingespielt. Das hat ihm in Hollywood sehr geschadet. Er wollte danach unbedingt noch einen großen Film drehen, hat aber weder die Stars noch das Geld bekommen.

Herr Ballhaus, wir haben vorhin über die veränderten Arbeitsbedingungen in Hollywood gesprochen. Wie war das denn, als Sie Anfang der Achtzigerjahre dorthin gingen, was war da Ihr Eindruck?
Für mich hat sich damals etwas eröffnet, was ich in Deutschland nicht haben konnte. Aus dem ganz einfachen Grund, dass die Budgets hier nicht vorhanden waren. Wenn man in Deutschland eine Idee hatte und sagte: »Da hätte ich gern einen Kran oder eine Steadycam oder Ähnliches«, dann hat der Produzent gesagt: »Dafür haben wir leider das Geld nicht.« Diese Beschneidung der Fantasie war das größte Hindernis. In Hollywood war das ganz anders: Die Regisseure haben sich über jede Idee gefreut, das war eine unheimliche Befreiung für mich. Insofern habe ich natürlich damals von diesem ganzen Aufwand, der heute alle Grenzen sprengt, zunächst auch profitiert.

Gab es auch Seiten, die Sie abgeschreckt haben?
Der erste Film, den ich in Amerika gedreht habe, war Dear Mr. Wonderful, eine deutsche Produktion mit amerikanischen Schauspielern. Da habe ich erfahren, welche Macht die Gewerkschaften und die Mafia dort haben. Wir drehten in einem Restaurant in New Jersey, da kam eines Tages ein Mann, der hatte auf jeder Seite eine Pistole stecken und sagte, wir könnten jetzt nicht weiterdrehen, wir hätten keinen Deal mit der Gewerkschaft gemacht. Also mussten wir die Dreharbeiten stoppen. Wir sind dann zu Joe Pesci, unserem Hauptdarsteller, gegangen und haben gesagt: »Joe, was machen wir jetzt?« Der hat einen ihm bekannten Mafiaboss im Gefängnis angerufen, woraufhin ein anderer dicker Mann mit zwei Pistolen kam. Der hat dann mit dem Gewerkschafter geredet, und wir konnten wieder drehen.

Ist Joe Pesci selbst ein Mafioso - oder warum hatte der so gute Kontakte?
Vielleicht ist er nicht unbedingt ein Mafioso, aber er war sehr connected. Der kannte die alle persönlich.

Und deshalb war er dann in seinen Mafioso-Rollen auch so gut, zum Beispiel in Casino.
Genau. Während der Dreharbeiten zu GoodFellas gab es auch ganz schöne Spannungen zwischen ihm und De Niro. Da war immer eine Rivalität. Erst wollte Scorsese ihn gar nicht für die Rolle in GoodFellas besetzen. Dann kam Joe und sagte: »Ich muss die Rolle spielen!« Da sagte Marty: »Du bist zu alt - das geht nicht.« Sagt er: »Ich kann mich doch liften lassen und so.« - »Nein, du bist zu alt!« Dann hat Joe gesagt: » If I don't play this part, I'm gonna kill you! « Und das muss man bei Joe ein bisschen ernst nehmen.

Scorsese, De Niro, Pesci - alle mit italienischen Namen, alle mit einem Faible für Mafia-Geschichten - ist da Joe Pesci der Einzige, der connected ist, wie Sie sagen? Oder haben die nicht alle noch Verbindungen aus ihrer Kindheit in New York?
Ich denke schon, ja. So genau weiß ich das nicht. Außer bei Joe, weil ich's da ja erlebt habe. Und Marty ist in Little Italy groß geworden, sein bester Freund war der Sohn des Mafiabosses. Das erklärt auch seine Liebe zu dem Milieu.

Auch dass er so fasziniert von Gewalt und ihrer Inszenierung ist?
Sicher. Mir war das manchmal zu viel, darunter habe ich auch gelitten. Aber gut, für Marty tut man eben alles.

Gab es Momente, in denen Sie gesagt haben: »Ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich das in Bilder fassen soll«?
Nein. Wenn die Geschichte das jeweils so verlangt hat. Marty kannte die Realität, und die ist einfach brutal. Das hat nichts mit einer Vorliebe für Gewaltdarstellungen zu tun. Gewalt ist eben so, wie wir sie dargestellt haben. In GoodFellas gibt es eine Szene, in der Joe Pesci ins Schlafzimmer kommt und diesem anderen Gangster mit einer Magnum direkt in den Kopf schießt. Das Blut und das Gehirn spritzen auf das Bett, auf dieses blütenweiße Laken. Und man diskutiert dann: Müsste da ein bisschen mehr Gehirn rein, etwas mehr Blut oder so, stimmen die Farben? Das wird besprochen - gerade so, als ob man ein bisschen mehr Milch in den Kaffee haben will. Völlig abstrakt in dem Moment.

Sie haben mit fast allen Hollywood-Stars der Gegenwart gedreht. Wer war Ihnen am sympathischsten?
Keine einfache Frage. Ich habe ja vorhin die Party erwähnt - in letzter Zeit mag ich Leonardo DiCaprio. Ich habe mit ihm zwar nur zwei Filme gedreht, aber er ist unheimlich gut, sehr persönlich. Außerdem spricht er Deutsch, er hat eine deutsche Mutter. Und wir mögen uns einfach sehr. Er hat etwas, was mich sehr fasziniert, ein wirklich gutes Gefühl für die Kamera, er weiß hundertprozentig: Die Linse ist sein Publikum. Selbst wenn er mit dem Rücken zu ihr spielt.

Zeichnet das nicht jeden großen Schauspieler aus?
Da irren Sie sich. Nehmen Sie nur De Niro: Der hält sich an keinerlei Markierungen, der spielt jede Szene anders. Da müssen Sie sich als Kameramann ständig umstellen.

Wie die Schauspieler auf der Leinwand erscheinen, hängt stark davon ab, wie Sie sie in Szene setzen. Kann man als Kameramann Karrieren machen?
Man kann sie zumindest fördern. Michelle Pfeiffer ist so ein Fall, Die Fabelhaften Baker Boys waren ein ziemlicher Schub für ihre Karriere. Einfach, weil man sie so noch nie zuvor gesehen hatte.

Sie meinen die Szene auf dem Flügel?
Ich habe mir alle Filme, die sie vorher gemacht hatte, angesehen, da hatte sie einfach kein Gesicht. Deshalb dachte ich, man muss etwas anderes mit ihr machen. Natürlich waren auch ihre Rolle und der Regisseur sehr gut oder die Partner wie Jeff Bridges. Und diese 360-Grad-Fahrt um sie herum auf dem Flügel, das war schon ein Highlight. Da haben die Leute hingeguckt.

Gab es auch schon mal jemanden, der sich über Ihre Inszenierung geärgert hat?
Ja. Das war bei Working Girl mit Melanie Griffith und Harrison Ford. Ich habe ihn mit einem Weitwinkelobjektiv gefilmt, also einer 28er-Brennweite. Er wäre aber lieber mit einer 50er-Brennweite aufgenommen worden, weil er glaubte, so besser rüberzukommen. Was, ehrlich gesagt, auch stimmte. Deshalb hat er sich beklagt.

Bei Air Force One haben Sie ja später noch einmal Gelegenheit gehabt, das wieder gutzumachen.

Das Erste, was er da zu mir sagte, war: »Michael, die Brennweite nie geringer als mein Alter.«  

Fords Gegenspieler in Air Force One war Gary Oldman, er spielt einen Terroristen, der den US-Präsidenten ermorden will. Ein großartiger Schauspieler, der aber als schwierig gilt.

Wir hatten bei Dracula schon mal gemeinsam gedreht. Das war aber nicht so lustig. Oldman hatte eine Ehekrise und war mit Winona Ryder zusammen, die auch mitspielte. Irgendwann ärgerte er sich furchtbar, dass Winona mehr Geld bekam als er. Dabei war Winona damals einfach der größere Star! Das führte zu einer ziemlichen Spannung zwischen den beiden. Dazu kam, dass er damals zu viel trank. Der war einfach in einer Lebenskrise. Bei Air Force One war das alles überstanden. Da war er ein Superprofi.

Der Dracula-Dreh hört sich kompliziert an: Gary Oldman mit einer Lebenskrise und Francis Ford Coppola führt Regie.
Und Coppola ist manisch-depressiv! Das kommt bei ihm in Schüben. Als er bei Dracula wieder einen hatte, rief er uns alle zusammen und sagte: »Also, was wir bisher gemacht haben, ist alles nicht das, was ich eigentlich will.« Das hat mich sehr erschreckt, aber ich habe gesagt, gut, dann vergessen wir das, schmeißen wir alles weg und machen es, wie du es willst. Wir haben dann viel rumprobiert, ein gigantisches Chaos - was er liebt!

Und dann?
Na ja, nach zwei Tagen haben die Antidepressiva gewirkt und er war wieder voll da. Wir haben vielleicht zwei Einstellungen von den zwei Tagen verwendet und den Rest des Films so weitergedreht wie vorher. Ist ein richtig schöner Film geworden.

Herr Ballhaus, Sie haben Ihr gesamtes Berufsleben nach den besten Kameraeinstellungen gesucht. Gibt es eine, die Ihnen besonders im Gedächtnis bleiben wird?
Ja, bei Departed haben wir im Nachhinein eine Szene gedreht, in der sich Leonardo noch einmal mit der Frau trifft, die er liebt. Sie kommt zwar zum vereinbarten Ort, aber es wird klar, dass sie sich nicht für ihn entscheiden kann. Sie sagt: »Ich liebe dich, und es wäre wahrscheinlich toll, wenn wir zusammen wären. Aber unsere Lebensumstände sind nicht so, dass wir zusammen sein können.« Wie sie da stehen, das ist ein schönes, ein starkes Bild. Es ist sozusagen das Bild meines Abschieds vom Film.

Foto: Caro/imageBROKER /Eugen Haller