»Nein«, sagt Bibiana Steinhaus, eine solche Aufregung habe die Schiedsrichterin nach ihrem Aufstieg in die Männer Bundesliga nicht erwartet. »Das Gewitter« sei »gewaltig«: Anfragen aus aller Welt, die FIFA nennt sie eine Inspiration, Prominente feiern sie als Wegbereiterin für Gleichberechtigung.
Eine Rolle, die Steinhaus zwiespältig sieht. »Ich hatte nie vor, einen Emanzipationsweg zu beschreiten«, sagt sie. »Ich tue nur, was ich liebe.« Fußballspiele pfeifen. »Trotzdem muss ich mich mit der Frage auseinandersetzen. Denn um mich herum sind Menschen, für die das ein Thema ist.« Das SZ-Magazin hat Steinhaus in den Aufstiegsmonaten begleitet, vom Trainingslager auf Mallorca, wo sie sich im Januar auf die Rückrunde vorbereitete, bis zu überraschenden Verkündung vor einer Woche.
Im Januar war Steinhaus voller Zweifel: »Natürlich ist meine Personalie umstritten«, sagte sie. Auch heute ist ihr klar, dass sich dies erst mal nicht ändert. Selbst Vertraute fürchten, dass der Druck für sie zu groß sein könnte. Aber: »Ich fühle keine Angst«, sagt sie. »Ich kenne das Risiko. Es ist mir voll bewusst. Ich hatte genug Zeit, mich damit auseinander zu setzen.« Seit zehn Jahren pfeift Steinhaus im Profifußball, in der Zweiten Liga. Die Aufregung um ihr erstes Spiel 2007 nennt sie verrückt. »Wie ein Naturspektakel.«
Anfangs versuchte sie diesem Druck auszuweichen. »In den ersten Jahren war ich sehr bemüht, unter dem Radar zu fliegen, mit der Gruppe der Schiedsrichter eins zu werden. Bis ich gemerkt habe, dass mir das niemals gelingen wird. Diese andere Rolle anzunehmen, hat lange gedauert.«
Das achtseitige Porträt zeichnet Steinhaus Weg an die Spitze nach, beleuchtet Erfolge und Rückschläge. Erstmals spricht Steinhaus darin auch über den Fall Kerem Demirbay. Der Neu-Nationalspieler hatte sie vor eineinhalb Jahren auf dem Platz frauenfeindlich beleidigt. Demirbay hatte sich danach bei ihr gemeldet. »Er hat angerufen, sich entschuldigt“, sagt sie. »Es ist okay. Ich bin nicht nachtragend.«
Weniger gut fand sie, dass er neben der Sperre ein Mädchenspiel pfiff – in Straßenkleidung. »Wieso ist ein Spiel zu pfeifen eine Strafe?«, fragt sie. Und was senden die Bilder davon für eine Botschaft? »Jeder kann ein Spiel leiten. Ohne Ausrüstung, ohne Ausbildung. Es macht unsere Aufgabe so beliebig.«
Wie es Steinhaus gelang, gegen viele Widerstände den Weg in die 1. Bundesliga zu überstehen, wie ihr Lebensgefährte, ebenfalls ein berühmter Schiedsrichter, sie stärkt und wie sie am Telefon auf ihren Aufstieg reagierte, lesen Sie hier mit SZ Plus.
Foto: Mario Wezel